Würselen : Würselener Unternehmen Topsystem: Im Lager hat Lydia das Sagen
Würselen Wenn Daniel Völlmecke seine Weste anzieht und die Uhr anlegt, hat Lydia das Sagen. Und das ist auch gut so, findet wiederum Tim Just. Der Prokurist der Firma Topsystem Systemhaus in Würselen trägt neben Franz-Josef Leuchter die Verantwortung für das Softwareunternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern weltweit. Und Lydia?
Das ist die Stimme und der Name eines Systems für sprachgeführte Arbeitsprozesse, das insbesondere in der Kommissionierung in Warenlagern zum Tragen kommt — weil die Mitarbeiter es am Körper tragen. Die Weste hat Lautsprecher und Mikrofon. Darüber trägt Lydia dem Mitarbeiter den nächsten Auftrag vor, der wiederum muss jeden Arbeitsschritt bestätigen. Die Uhr ist eine Smartwatch, also eine hochmoderne Datenuhr, die weitere Informationen ganz praktisch am Handgelenk parat hat.
Laut Statistik ist diese Technologie 20 bis 30 Prozent effizienter als der herkömmliche Umgang mit ausgedruckten Listen. Gleichzeitig soll die Fehlerquote um 55 Prozent reduziert werden, erläutert Just. Warum das so ist, leuchtet ein: Die Hände sind frei, der Fokus liegt immer auf dem, was zu tun ist und nicht auf einer Liste, von der der Mitarbeiter abliest, was er tun soll.
Die Warenlager der Handelsketten und Automobilhersteller oder Logistikdienstleister sind Orte des Umbruchs. Gedruckt wird immer weniger, neue Systeme erhalten Einzug. Topsystem bietet Lydia schon seit Jahren an, etabliert am Markt hatte sich eine Kombination aus kleinem tragbaren Computer und Headset, also Kopfhörer mit einem Mikrofon. Pick-by-Voice heißt das Prinzip unter Fachleuten. Übersetzt heißt das so viel wie sprachgesteuertes (Voice) Nehmen (Pick) und schließlich Zusammenstellen von Waren. Und Topsystem ist weltweit die Nummer zwei in der Voice-Logistik.
Die sogenannte Lydia-Voicewear, also die Topsystem-Weste, ist eine logische Weiterentwicklung des Ansatzes, denn nicht jedem Lagerangestellten gefiel es, permanent einen Kopfhörer auf den Ohren zu haben. Der Voxter, ein mobiler Sprachcomputer, ist nun in die Weste, die weniger als ein Kilogramm wiegt, integriert. Die Hände sind weiter frei und der Kopf ist es nun auch — so wollen es die Unternehmen. „Pick-by-Voice ist unter den großen Handelsketten Industriestandard in der Kommissionierung“, sagt Just.
Es ist eine spannende Zeit. Denn neben dem Pick-by-Voice-System hat sich das Pick-by-Vision-System am Markt positioniert. Statt einer Stimme führen die Angaben auf einer Datenbrille durch das Lager, etwa bei Babor in Aachen, das auf die Technik der Herzogenrather Firma Picavi baut. „Auch wir sehen Pick-By-Vision als Zukunftsthema, erkennen aber auch noch offene Fragenstellungen“, sagt Just. Erste Innovationsprojekte laufen. „Am Ende denken wir, dass eine Kombination beider Systeme genau das Richtige ist.“ Das Thema Vision ist bei Topsystem sowohl mit einer SmartGlass als auch mit einer Smartwatch im Fokus.
Seit Januar wird die Kombination aus Weste und Uhr bei einem Logistikdienstleister, der unter anderem Schulrucksäcke kommissioniert, eingesetzt. Seit der Messepremiere im März 2016 häufen sich die Anfragen. Es läuft sehr gut für die Firma aus Würselen. „Das vergangene Jahr war das beste in der Firmengeschichte. Die Erwartung an das laufende Jahr ist, dass es so weitergeht“, erklärt Geschäftsführer Franz-Josef Leuchter. Der Optimismus wird getragen von der aktuellen Kooperation mit einem strategischen Partner.
Seit dem 1. Januar gehört die Topsystem Systemhaus GmbH mehrheitlich zur Ehrhardt + Partner Unternehmensgruppe (E + P). Das soll weitere internationale Märkte öffnen. Mit E + P gab es in der Vergangenheit schon gemeinsame Projekte. „Wir mussten nicht, wir wollten einen strategischen Partner“, sagt Leuchter. Topsystem bleibe in jedem Fall als Ganzes bestehen, werde kontinuierlich weiter wachsen. „Vor Ort wird man die Veränderung gar nicht merken.“
Tochterunternehmen in den USA und in Großbritannien gibt es bereits, ein Büro in Russland besteht, mit E + P werden unter anderem Türen nach Südamerika, Spanien und auch Dubai geöffnet. Die zweite Topsystem-Sparte Aviation, also Luftfahrt, für die Topsystem Software für die Flughafenbetreiber und Abfertigungsgesellschaften anbietet, wird es genau dorthin ziehen: direkt an den Flughafen Dubai.
Das größere Geschäft wird aber mit den sprachgeführten Arbeitsprozesssystemen gemacht. Topsystem, 1995 gegründet, war hier Pionier, brachte die erste Sprachkommissionierung auf den deutschen Markt. Als Lydia vor 16 Jahren eingeführt wurde, da hörten die Anwender die Stimme der Topsystem-Kommunikationsleiterin: Lydia Konnegen. Der Name ist also kein Zufall. Mittlerweile werden die Texte von einer Sprechagentur geliefert, denn Lydia Konnegen ist an ihre Grenzen gestoßen — es gibt einfach zu viele Sprachen, in denen das System angeboten. Tatsächlich sind es alle verfügbaren Landessprachen. Lydia ist auf allen Kontinenten vertreten — und hat dort das Sagen.