Immobilienmarkt : Wenn Erben um ein Haus streiten
Aachen Der Immobilienmarkt ist leergefegt, die ohnehin schon astronomischen Preise scheinen immer weiter zu steigen. Trotzdem gibt es auch Häuser, die lange leerstehen. Etwa, weil Erbengemeinschaften sich nicht einigen können. Dafür gibt es nicht nur finanzielle Gründe.
Von der grauen Fassade blättert der Putz ab. Die geschlossenen Rollläden sind verwittert. Den kleinen Vorgarten überwuchert Unkraut, mittendrin modern Scherben eines umgekippten Blumenkübels vor sich hin. Dieses Reihenhaus im Aachener Norden hat schon bessere Tage erlebt. „Das steht seit 15 Jahren leer“, sagt eine Nachbarin, die ihren Namen nicht nennen möchte. Regelmäßig würden Interessenten an ihrer Tür klingeln und fragen, ob sie etwas über das verwaiste Haus gegenüber weiß. Steht es zum Verkauf? Kann man es mieten? Dann muss die Nachbarin abwinken. „Ich weiß nur, dass sich die Erben nicht einigen können, was mit dem Haus passieren soll. Ganz schön schade ist das, wo doch so viele Familien ein Haus suchen.“
Birgit Funke kennt derlei Fälle aus ihrem Arbeitsalltag. Sie ist Fachanwältin für Erbrecht in einer Aachener Kanzlei und Beraterin im Netzwerk Deutscher Erbrechtsexperten. „Es werden häufig Immobilien vererbt. Und dabei ergeben sich nicht selten Probleme. Zumindest sind solche ein Grund, warum eine Erbsache bei uns auf dem Tisch landet.“ Die Gründe für Streit zwischen mehreren Erben, also einer sogenannten Erbengemeinschaft, seien sehr vielfältig und nicht immer nur finanzieller Natur. „Unter Umständen muss man tief in die Familiengeschichte eintauchen, um die Ursachen ergründen zu können“, sagt Birgit Funke. Auf jeden Fall müsse die Erbengemeinschaft gemeinsam handeln, wenn eine Immobilie verkauft werden muss. „Und da fangen dann die Probleme an.“
Zu den Klassikern des Streits unter Erben gehören nach Erfahrung der Anwältin die Geschwister, die sich nicht grün seien, und der Partner oder die Partnerin aus zweiter Ehe, die sich nicht mit den Kindern aus erster Ehe verstehe. „Häufig ist auch der Fall, dass einer der Erben in der Immobilie wohnt und sich weigert, für den Verkauf auszuziehen.“ Oder einer wolle das Haus nutzen, ohne den Miterben eine entsprechende Miete zu zahlen. „Wenn einer sich stur stellt, ist es schwer, eine Lösung zu finden.“
Aber welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es, einen solchen Erbstreit zu beenden? „So richtig einfach ist im Erbrecht nichts. Aber man hat als Mitglied grundsätzlich einen Anspruch auf Auseinandersetzung dieser Erbengemeinschaft.“ Das heiße, dass jeder Erbe jederzeit die Auflösung der Erbengemeinschaft verlangen könne. Voraussetzung für eine solche Auseinandersetzung sei aber, dass der Nachlass auch teilbar sei. „Für eine Immobilie bedeutet das unter Umständen, dass sie versteigert werden muss.“ Es gebe aber auch die Möglichkeit, seinen Anteil zu verkaufen. Ein Erbe könne den Anteil eines anderen übernehmen. „Im Rahmen so einer einvernehmlichen Klärung kann jemand aus einer Erbengemeinschaft ausscheiden.“
Grundsätzlich seien Mitglieder einer Erbengemeinschaft zur Mitwirkung verpflichtet, gemeinschaftliches Handeln sei die Regel. Eine Ausnahme bilden hier nur sogenannte Notverwaltungsmaßnahmen, die auch nur einer der Miterben vornehmen darf. „Das hat ganz praktische Gründe; zum Beispiel muss ein Winterdienst organisiert werden. Andernfalls haftet die Erbengemeinschaft, wenn jemand vor dem Haus hinfällt und sich verletzt“, erklärt Birgit Funke. Von einem Fall wie dem des Hauses im Aachener Norden, das seit 15 Jahren leer steht, hat sie allerdings noch nie gehört. „Sobald es rechtlich kompetente Beratung gibt, dauert es eigentlich nicht so lange.“ Als letzter Ausweg bleibe immer die Klage. „Dann werden notwendige Entscheidungen durch ein entsprechendes Urteil ersetzt.“
Ihr Ratschlag: Möchte der Immobilieneigentümer Streitigkeiten um sein Haus nach seinem Tod vermeiden, hat er die Möglichkeit durch eine durchdachte Nachfolgeplanung, also durch ein Testament, einen Erbvertrag oder die Immobilienübergabe zu Lebzeiten, das Schicksal seines Hauses zu lenken.
In einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach unter Erben erklärten 2015 vier von zehn Befragten, eine Immobilie oder mehrere Immobilien geerbt zu haben. Offizielle Zahlen dazu, wie viele Häuser und Wohnungen in Deutschland jährlich hinterlassen werden, gibt es aber nicht. Das Statistische Bundesamt erfasst nur steuerpflichtige Erbschaften, also jene, deren Wert über dem Freibetrag liegen. Die meisten Erbschaften überschreiten diesen Betrag nicht.
Allerdings gibt es eine Reihe von Studien zum Thema. Eine der umfangreichsten stammt vom Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA). Demnach werden Immobilien in Erbschaften künftig eine immer größere Rolle spielen. Der Grund: Es gibt immer mehr selbst genutztes Wohneigentum. Während von 2001 bis 2010 36 Prozent aller Erbfälle mindestens eine Immobilie enthielten, wird dies von 2015 bis 2024 in 46 Prozent der Fall sein.
Nach Einschätzung von Tobias Hundeshagen, Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Eigentümerverbands Haus & Grund Aachen, bleiben Häuser selten über längere Zeit unbewohnt. Dass unbebaute Grundstücke brach liegen, komme dagegen häufiger vor. „Dahinter steckt aber selten Streit zwischen Erben, meistens hat das spekulative Gründe.“ Es seien nicht Privateigentümer, sondern eher professionelle Investoren, die große Wohneinheiten auch mal über Jahre ungenutzt ließen. „Das sind die Objekte, die einem auffallen, wenn man durch die Aachener Innenstadt geht.“
Der Privateigentümer habe in der Regel nichts davon, sein Haus leer stehen zu lassen. Schließlich würden Kosten wie die Grundbesitzabgaben ja weiterlaufen. „Bei den großen Investoren stelle ich mir manchmal die Frage, warum sie es machen. Vermutlich fahren sie steuerlich über die Verluste an anderer Stelle wieder Gewinne ein.“
Aber was sagt der Gesetzgeber dazu, wenn Wohnraum lange leer steht? „Grundsätzlich dürfen sie mit ihrem Eigentum machen, was sie wollen. Egal ob das jetzt ein Haus ist, ein Auto oder ein Füllfederhalter“, erklärt Tobias Hundeshagen. Bei einem nicht bewohnten Haus handele es sich um „Nutzen durch Unterlassen“. „Es gibt kein Gesetz, das sagt: Du musst dein Eigentum nutzen.“