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Frankfurt/Aachen: Überzogenes Girokonto: Mehr Transparenz oder Deckel?

Frankfurt/Aachen : Überzogenes Girokonto: Mehr Transparenz oder Deckel?

Mit zwölf Milliarden Euro standen die Bundesbürger nach Berechnungen der Bundesbank, im Juni auf Girokonten im Minus. Banken und Sparkassen freuen sich: Der Kredit auf dem Girokonto bei Dispo-Zinsen ist ein lukratives Geschäft.

Die Koalition will diese Praxis eindämmen, eventuell per Gesetz. Verbraucherminister Heiko Maas (SPD) hatte die Banken schon im März aufgefordert, die Kunden anzusprechen, wenn das Konto im Minus ist. Erste Institute drucken jetzt Warnhinweise auf die Auszüge, die Sparkassen, auch in der Region, prüfen ähnliches.

Beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) heißt es, die technischen Voraussetzungen für die Einführung von Warnhinweisen seien gegeben. Die Sparkassen auch in der Region bieten außerdem eine App mit einem Kontowecker, über den sich der Kunde bei Überziehung per Mail oder SMS warnen lassen kann. Außerdem werden die Kunden direkt angesprochen, wenn sie ihr Konto überziehen oder den Dispositionskredit überschreiten.

Banken gehen auf Kunden zu

„Wenn Leute in den Dispo fallen, müssen sie darauf hingewiesen werden, dass sie exorbitante Zinsen zahlen müssen“, sagte Maas im Frühjahr. Banken und Sparkassen sehen offenbar ein, dass sie nicht nur für Transparenz sorgen, sondern auch mit Alternativvorschlägen auf Kunden zugehen müssen. Die Commerzbank warnt seit jüngstem auf dem Auszug, wenn das Konto in den Miesen steht. Werde der Saldo länger in Anspruch genommen, sollte, so die Bank, über Alternativen gesprochen werden. Die ING Diba startete zum 1. September ein ähnliches Verfahren, berät den Kunden gleichzeitig per Post über Alternativen wie einen Rahmen- oder Ratenkredit. Im Verbraucherministerium heißt es: „Die Warnpflicht ist Gegenstand laufender Gespräche.“

„Generell gehen die Banken auf ihre Kunden zu, wenn sie sich für längere Zeit auffällig im Dispositionskredit befinden und sprechen mit ihren Kunden über mögliche Alternativen“, sagt Thomas Schlüter vom Bundesverband Deutscher Banken. Bei Volks- und Raiffeisenbanken wie der Aachener Bank gibt es einen SMS-Infodienst, der warnt, wenn der Kontostand einen selbst definierten Schwellenwert unterschreitet. Außerdem setzt die Bank auf den Austausch zwischen Kunde und Berater. Die behielten die Inanspruchnahme von Kreditlinien im Blick, um Optionen zur Umfinanzierung mit dem Kunden besprechen zu können.

Einer Studie des Finanzexperten Udo Keßler und der Finanzberatung FMH zufolge nehmen bei 28 befragten Geldhäusern freilich nur 20 Prozent der Kunden den Dispokredit in Anspruch. Im Schnitt liegt das Minus im Monat bei 1043 Euro. 96 Prozent der Bankkunden, sagt Keßler, halten den eingeräumten Disporahmen ein. Nur jeder 25. Nutzer eines Dispo geht darüber hinaus, zahlt dafür sehr hohe Zinsen.

Trotzdem seien Warnhinweise ein notwendiger Schritt, sagt Frank-Christian Pauli, Finanzexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV). Allein schon, weil der Kunde so für den hohen Dispo-Preis sensibilisiert würde. Vielen falle nicht auf, dass ihr Konto über längere Zeit im Minus stecke, zum anderen diene die Warnung dazu, dass sie mit der Bank Alternativen überlegen könnten, wenn der Saldo über längere Zeit negativ sei, weil etwa Handwerkerrechnungen bezahlt werden müssten. Generell müssten die Geldhäuser, so Pauli, in solchen Fällen verpflichtet werden, ein Gesprächsangebot zu unterbreiten.

Das führt nicht immer zu passenden Alternativen. „Viele Kreditinstitute raten Kunden, die ständig den Disporahmen voll ausnutzen, zur Umschuldung. Für die Ablösung des teuren Dispokredits empfehlen sie meist günstigere Ratenkredite“, sagt Finanzexperte Keßler. Der Ratenkredit sei aber nicht immer die beste Wahl. Wer die monatliche Rate nicht dauerhaft zahlen könne, sollte besser einen Rahmenkredit ohne monatliche Mindesttilgung abschließen. Andernfalls könne er, so Keßler, schnell in eine Schuldenfalle geraten.

Verbraucherschützer Pauli bezweifelt generell, ob alle Banken mit dem Appell zu Warnhinweisen und Beratung beim Dispo fairer agieren. „Dafür ist eigentlich ein Zinsdeckel notwendig. Wenn der Markt versagt, muss die Politik eingreifen.“ Max Herbst von der Finanzberatung FMH spricht sogar von Augenwischerei. Statt zu warnen, sollten die Institute den Dispozins besser senken, sagt er. Der VZBV schlägt einen Zinssatz von sieben Prozent und zusätzlich einen variablen Faktor vor, der sich aus dem Preis ergibt, zu dem sich Banken auf dem Markt Geld besorgen können .

(Drei-Monats-Euribor)