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Aachen: Taittinger: Auch für Champagner muss man trommeln

Aachen : Taittinger: Auch für Champagner muss man trommeln

Prickelnd findet vor allem die achtjährige Alice den CHIO Aachen — denn sie hat gerade mit dem Reiten begonnen. Ihr Vater Clovis Taittinger hat ihr versprochen, das Turnier zu besuchen. Erst am Donnerstag ist er aus Brasilien gekommen, war bei der Fußball-Weltmeisterschaft. Nun also Aachen. Auch ein Premium-Ereignis, sagt Taittinger.

Und sein Namen ist genau deswegen sehr präsent in der Aachener Soers. Denn das Familienunternehmen, der berühmte Taittinger Champagner, ist Sponsor des Reitturniers. „Dieses Turnier ist weltweit eine Marke. Das ist sehr attraktiv für uns“, sagt Clovis Taittinger.

Champagnerflaschen lagern im Keller von Taittinger in Reims. Schaumwein aus dem Nordosten Frankreichs gibt es immer dann, wenn es etwas Besonderes zu feiern gibt - vom Staatsbankett über Formel-1-Siege bis zum Hochzeitsantrag. Aber der meiste Champagner, etwa zwei Drittel der gesamten Produktion, wird rund um Weihnachten und Silvester getrunken. Foto: dpa (zu dpa-KORR: "Gerüttelt und gedreht - Champagner bleibt Ritualtrank für Feiertage" vom 28.12.2008) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Champagnerflaschen lagern im Keller von Taittinger in Reims. Schaumwein aus dem Nordosten Frankreichs gibt es immer dann, wenn es etwas Besonderes zu feiern gibt - vom Staatsbankett über Formel-1-Siege bis zum Hochzeitsantrag. Aber der meiste Champagner, etwa zwei Drittel der gesamten Produktion, wird rund um Weihnachten und Silvester getrunken. Foto: dpa (zu dpa-KORR: "Gerüttelt und gedreht - Champagner bleibt Ritualtrank für Feiertage" vom 28.12.2008) +++(c) dpa - Bildfunk+++

Der Traditionsbetrieb Taittinger ist eines der letzten großen Champagner-Häuser, das tatsächlich noch in Familienbesitz ist. Oder wieder: Denn die Geschichte von Taittinger, 1931 aus der Kellerei Forest & Fourneaux, entstanden, die wiederum bis auf das Jahr 1734 zurückzuverfolgen ist, verlief zuletzt durchaus turbulent.

2005 wurde der Familienbesitz mitsamt der Hotels wie dem Hotel de Crillon in Paris, der Kristallfabrik und den Parfüms von Annick Goutal, die zum Familienbesitz zählten, nach Erbstreitigkeiten für 2,1 Milliarden Euro an den amerikanischen Investor Starwood Capital verkauft. Doch Pierre-Emmanuel Taittinger, ein Neffe des bis dato die Geschäfte führenden Claude Taittinger, kämpfte um Tradition und Erbe und konnte — statt einer ebenfalls interessierten indischen Brauerei — mit Hilfe der französischen Bank Credit Agricole das Champagner-Haus zurückkaufen — für 660 Millionen Euro. Wäre diese Geschichte nicht wahr, sie müsste genauso erfunden werden.

„Es ist ein wunderbares Gefühl, aber es ist auch eine große Verantwortung für uns. Für jeden, der meinen Namen liest, bin ich der Mann hinter dem Champagner, werde immer damit verbunden“, sagt Clovis Taittinger, der mit seiner Schwester Vitalie, einer Absolventin der renommierten Kunstakademie Emile Cohl in Lyon, dem Vater nun zur Seite steht. „Du musst immer perfekt sein.“ Und so gibt es auch Momente im Leben des Clovis Taittinger, in denen er lieber Schmidt oder Müller heißen würde. „Manchmal empfinde ich meinen Namen auch als Nachteil.“

Dennoch: Die Taittingers haben die Freiheit, die Geschäfte in ihrem Sinne zu führen — und in Aachen zu Gast zu sein. Der Marktführer Moët & Chandon — 1743 von Claude Moët gegründet — ist längst Teil eines dieser Luxusgüterkonzerne, die sich mit mehr als Champagner darstellen: LVMH verbindet Louis Vuitton, Moët und Hennessy (Cognac), zählt mit Veuve Cliquot auch einen zweiten bekannten Champagner zum Portfolio. Pommery wiederum gehört der Vranken-Monopole-Gruppe, Piper-Heidsieck zur Gruppe Remy Cointreau.

Mut, Überzeugung, Stil — das sind die Werte, mit denen sich Familie Taittinger unter diesen bekannten Marken behaupten will. Champagner ist für Clovis Taittinger weit mehr als ein edles Getränk. „Es ist ein Symbol, Lifestyle und Magie. Ich bin kein Experte für Wein, ich bin ein Experte für Magie“, sagt er, der in Paris Geschichte studiert hat, und trinkt an einem Glas Rosé. Sein Vater hat einmal in einem Interview gesagt, dass es seine Dividende sei, wenn eine schöne Frau ein Glas Taittinger in der Hand hält und dabei lächelt. Clovis schaut sich im Champions-Circle des CHIO Aachen — also dem VIP-Bereich — um, blickt in lächelnde Gesichter und sagt: „Er hat vollkommen recht.“

Über diese Dividende hinaus gelingt es der Familie Taittinger durchaus, einem schwierigen Markt zu trotzen. 2013 wurden nach Angaben des „Bureau du Champagne“ zwar mehr als zwölf Millionen Flaschen Champagner aus Frankreich importiert. Das waren aber doch 200.000 weniger als 2012 — 1,6 Prozent. Weltweit wurden 1,5 Prozent weniger Flaschen verkauft. Zu Taittinger gibt es zwar keine offiziellen Zahlen. Aber Clovis Taittinger lächelt zufrieden und sagt: „Die Geschäfte gehen gut. Und 2014 wird unser bisher bestes Jahr.“ Dafür zeigt sich der Familienbetrieb. „Wir möchten uns präsentieren, wir müssen es aber auch als weltweit agierende Marke“, erklärt Clovis Taittinger. Mit der Fifa hatte Taittinger einen Exklusivvertrag geschlossen, war offizieller Champagner-Lieferant der Fußball-WM in Brasilien — deswegen war er vor Ort, auch beim Finale.

Der Wettbewerb ist hart

Klar, Fußballfans werden ob dieses Sponsorings eher nicht auf die Idee kommen, zur Sportschau am Samstag eine Flasche von Taittingers Comtes de Champagne Blanc de Blancs — 100 Prozent Chardonnay aus Grand-Cru-Lagen, mindestens fünf Jahre gereift — zu öffnen. Aber die Präsenz der Marke auf einer derart großen Bühne wird im Firmensitz der Taittingers im französischen Reims jetzt schon als Erfolg gefeiert — da kann Clovis Taittinger auch die Müdigkeit ob der langen Reise mühelos weglächeln.

Es ist auch für ein Luxusgut wie Champagner unumgänglich, präsent zu sein. Etwa auf dem CHIO — vor gewiss am Ende wieder weit mehr als 300.000 Zuschauern und abgebildet auf Fernsehbildern, die in 140 Ländern übertragen werden. Deutschland ist mit einem Umsatz von 183 Millionen Euro insgesamt ein wichtiger Champagner-Markt, der drittgrößte Exportmarkt nach Großbritannien und den USA — und der Wettbewerb ist hart: In der Champagne wird auf 33 573 Hektar Wein angebaut — 1150 besitzt Moët & Chandon, 288 das Weingut der Taittingers, deren Kellerei im ehemaligen Benediktinerkloster Saint-Nicaise beheimatet ist und in deren gallorömischen Kreidegewölben 21 Millionen Flaschen lagern.

Irgendwann wird eine dieser Flaschen geöffnet und Alice Taittinger wird ihr erstes Glas trinken. Doch an diesem Tag in Aachen sind die Pferde für das blonde Mädchen weit prickelnder. Und Papa hat ihr versprochen, jetzt zum Springen zu gehen.