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Lieferketten unterbrochen: Stillstand wegen Lieferengpässen

Lieferketten unterbrochen : Stillstand wegen Lieferengpässen

Weil Vorprodukte fehlen, beklagen viele Firmen Ausfälle in der Fertigung. Auf Dauer dürfte sich aber die „Just in time“-Logistik halten.

Lieferengpässe etwa bei Elektronik-Bauteilen, Metallen oder Baumaterialien führen nach den Ergebnissen einer IW-Umfrage derzeit bei zahlreichen Unternehmen zu Produktionsausfällen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hatte dazu im November mehr als 2800 Unternehmen mit mindestens zehn Beschäftigten befragt. Bezogen auf das vierte Quartal 2021 verzeichneten demnach drei Viertel der befragten Unternehmen Produktionsausfälle infolge fehlender Vorprodukte.

Während gut 50 Prozent der Firmen mit Einbußen von bis zu zehn Prozent rechnen, schätzen 17 Prozent der befragten Unternehmen ihre Produktionsausfälle auf bis zu 20 Prozent und sechs Prozent auf über 20 Prozent. „Gut ein Prozent der Betriebe produziert derzeit weniger als die Hälfte seines Normaloutputs“, heißt es in der am Freitag veröffentlichten Kurzstudie.

Als Gründe nannten die Autoren unter anderem einen Auftragsrückstau infolge der schnellen Erholung der Weltwirtschaft, Störungen des internationalen Warenhandels etwa durch die Schließung von Häfen und einen deutlichen Nachfrageanstieg auf dem Markt für Halbleiter.

Die Befragung zeige, dass gestörte Produktionsprozesse die Unternehmen auch im kommenden Jahr belasten würden, hieß es weiter. Erst in der zweiten Jahreshälfte 2022 erwarteten die Firmen eine spürbare Entlastung. Rund ein Drittel der Betriebe rechnet aber auch dann noch mit Produktionsausfällen in einer Größenordnung von mehr als fünf Prozent. Gut ein Viertel der Unternehmen geht auch für 2023 von Produktionsausfällen von bis zu fünf Prozent des normalen Outputs aus.

Trotz der Materialengpässe und der Störungen in den Lieferketten dürfte die Industrie jedoch langfristig nicht auf das kostensparende, aber empfindliche Logistikkonzept „Just in time“ verzichten. Zu dieser Einschätzung kommen Volkswirte des Kreditversicherers Euler Hermes in ihrer jüngsten Welthandelsstudie. „Die meisten Unternehmen werden allein wegen der Kosteneffizienz schrittweise zur ,Just in time’-Lagerhaltung zurückkehren“, sagte der neue Deutschlandchef der Allianz-Tochter, Milo Bogaerts: „Hamstern ist auf Dauer schlicht zu teuer.“

Bei „Just in time“ wird die Lagerhaltung praktisch auf Schiffe, Bahnen oder Lastkraftwagen verlagert. Statt eventuell benötigtes Material länger auf Lager zu halten, werden dabei genau die benötigten Teile zeitlich passgenau angeliefert. Das spart Kosten und erhöht die Flexibilität, kann aber schnell die Produktion lahmlegen, sobald die Lieferungen ausbleiben.

Weil das zum Beispiel bei den besonders begehrten Halbleitern während der Corona-Pandemie zu einem großen Problem wurde, wird auch immer wieder eine größere heimische Fertigung von wichtigen Zulieferteilen diskutiert. Dies werde allerdings „weiterhin eher ein Lippenbekenntnis als eine Selbstverständlichkeit sein“, heißt es in der Euler-Hermes-Studie. „Über Re­shoring oder Nearshoring wird aktuell zwar viel geredet, aber konkrete Projekte sehen wir nur wenige“, sagte Bogaerts.

Eine Umfrage unter Firmen zum Thema Lieferketten habe gezeigt, „dass die Unternehmen in den USA und in Europa nicht sehr häufig die Absicht haben, ihre Produktion zu verlagern“, schreiben die Ökonomen des Kreditversicherers. Auch bei der Analyse von „entfernungsgewichteten Importen“ zeige sich kein klarer Trend zum Warenbezug von näheren Standorten. Als Ausnahme nennen die Autoren Großbritannien, „das möglicherweise von Störungen im Zusammenhang mit dem Brexit betroffen war“. Der britische Handelskammerverband senkte unter anderem wegen der Lieferkettensorgen seine Konjunkturprognose diese Woche von 7,1 auf 6,8 Prozent Wachstum.