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Die Aufgabe: Start-ups in der Region halten

Die Aufgabe : Start-ups in der Region halten

Die IHK-Studie 2020 zeigt, dass die Technologieregion Aachen, Düren, Heinsberg und Euskirchen sich einmal mehr als Wachstumsmotor erweist. Doch es gibt auch viel zu tun.

Die Region Aachen, Düren, Heinsberg und Euskirchen ist nach wie vor ein ideales Pflaster für Unternehmensgründungen im Technologiesektor. Das zeigt die aktuelle Studie „Technologiegründungen und -unternehmen (TGU)“ der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen. Demnach ist die Zahl der Neugründungen in den vergangenen fünf Jahren gegen den landes- und bundesweiten Trend weitergewachsen, ebenso die der Mitarbeiter. Zum Stichtag 31. Dezember 2019 waren insgesamt 1765 Technologieunternehmen im Kammerbezirk ansässig –134 mehr als vor fünf Jahren.

Die Ergebnisse seien ein weiterer Erfolg für die Förderaktivitäten und die intensive Gründungsberatung der Technologieregion Aachen, sagt Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der IHK: „Was mich dabei am meisten freut, ist die Tatsache, dass die Dynamik nicht nachgelassen hat. Das zeigt, dass vieles von dem, was wir tun, richtig ist.“

Besonders erfreulich sei auch, dass der Mangel an Austausch- und Ankermöglichkeiten für junge Gründer, den die Studie 2015 offenbart hatte, behoben zu sein scheint – mit Gründungen von unterstützenden Systemen wie dem DigitalHUB Aachen oder der Werkbank in Heinsberg. Auch die RWTH Aachen spielt kräftig mit: Allein 2019 gingen mehr als ein Zehntel der Start-up-Gründungen in Nordrhein-Westfalen aus der Exzellenz-Uni hervor. Mit dem Campus Jahrhunderthalle Aachen, in den ab September die studentische Innovationplattform der RWTH einziehen wird, zudem der größte europäische universitäre Technologie-Entwicklungszentrum. Auch die FH Aachen erweitert durch zwei Projekte ihre Gründungsaktivitäten stark.

Die repräsentative Studie, die alle fünf Jahre in Form einer Befragung unter den in der Region Aachen ansässigen Technologieunternehmen (aktuell wurden 1711 Unternehmen befragt) erstellt wird, gilt bei Unternehmern, Kapitalgebern und politischen Handlungsträgern als aussagekräftiges Dokument über die Entwicklung des regionalen Strukturwandels. „Sie soll nicht in der Schublade verschwinden, sondern wir wollen daraus Handlungsempfehlungen ableiten“, sagt Till von den Driesch, einer der Macher der Studie. „Diese Studie ist für uns konkreter Anlass, Dinge zu verändern oder zu initiieren“, sagt Bayer.

Und gehandelt werden muss, auch das gehört zu den zentralen Erkenntnissen der Studie. Während die vorherigen vier Studien seit 2002 vor allem die Entwicklung der Branche anhand der Zahl der Gründungen untersuchten, scheint es nun an der Zeit zu sein, die Gründungen selbst in den Fokus zu nehmen und den Blick auch in die Zukunft zu richten.

„Wir haben es mittlerweile mit einer ganzen Generation von Technologieunternehmen in der Region zu tun“, sagt von den Driesch, „es geht nun darum, die Technologieregion und die dort ansässigen Betriebe sinnvoll weiterzuentwickeln.“ Dafür liefere die Studie „Lernpotential“ und pragmatische Ansätze.

Denn inzwischen offenbaren sich neben der immer noch steilen Erfolgskurve auch erste Probleme: Betriebsschließungen, Abwanderung, Generationswechsel.

Betriebsschließungen: Die Analyse zeigt trotz der Erfolge eine bedenkliche Zunahme von Betriebsschließungen. So verringerte sich die Zahl der Technologieunternehmen in der Region in den vergangenen fünf Jahren um 438. Das sind mehr als doppelt so viele wie im Zeitraum 2010 bis 2014, in dem sich die Anzahl um 217 reduzierte. Ein großer Teil der Reduktionen entfällt auf Abmeldungen, Insolvenzen und Liquidationen, quer durch alle Technologie-Branchen. Mit ein Grund dafür, dass Betriebe schließen müssen, ist laut Studie der Fachkräftemangel.

Abwanderung: Es sind deutlich mehr junge Technologieunternehmen abgewandert als in den Jahren zuvor – nach Köln (15,5 Prozent), Düsseldorf (8,3 Prozent), Berlin (4,8 Prozent), Hamburg und München (jeweils 3,6 Prozent). Insgesamt verließen 71 Unternehmen den Kammerbezirk – ein signifikanter Anstieg gegenüber nur neun Abwanderungen zwischen 2010 und 2014. Allein 15 Prozent der Abwanderer verließen die Region, weil die Investoren das so wollten: Vor allem überregionale und internationale Investoren verlangen von ihren Start-ups oft einen Umzug in die vermeintlichen Hotspots der Tech-Szene. „Das ist ein harter Knebel“, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer. Für ihn liegt die Herausforderung auf der Hand: „Wir sind eine Chancenregion und müssen das auch sprachlich viel stärker nach außen tragen.“

Der Wirtschaftsstandort Aachen müsse noch viel effizienter und offensiver vermarktet werden. In den kommenden zehn Jahren wird sich der zweite Strukturwandel vollziehen – da geht es um Energiewende, Nachhaltigkeit, Künstliche Intelligenz. „Das Thema Technologie nimmt richtig Fahrt auf, und die Region bietet dafür ideale Startbedingungen“, sagt Bayer.

Generationswechsel: Es ist kein Wunder, dass mittlerweile in jedem dritten Unternehmen in den nächsten Jahren das Thema Nachfolge relevant wird: Die meisten Gründer dürften heute zwischen 60 und 70 Jahre alt sein. Das Risiko, an dieser Stelle Wirtschaftskraft einzubüßen, ist hoch. „Wir müssen alles dafür tun, dass etablierte Unternehmen nicht in Gefahr geraten“, sagt Bayer. Nachfolgeprozesse müssten erleichtert werden – zum Beispiel mit Beratungen auch im Hinblick auf Finanzierungsmöglichkeiten. Im kommenden Jahr wird der Kammerbezirk zudem Teil eines landesweiten Modellprojekts sein, bei dem es auch um die überregionale Suche nach „Matching“-Partnern geht. „Dieses Projekt wollen wir für unsere Region spezifizieren“, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer.