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Übach-Palenberg: Sie bewegen tonnenschwere Lasten — ganz sicher

Übach-Palenberg : Sie bewegen tonnenschwere Lasten — ganz sicher

Sie werden bald schon einen Durchmesser von bis zu elf Metern haben, sind bis zu 100 Meter lang und können 2000 Tonnen wiegen. 2000 Tonnen! Das sind die Ausmaße der Pfähle, sogenannte Monopiles, auf denen bald schon Offshore-Windkraftanlagen laufen, also Windräder, die mitten im Meer stehen.

Damit diese gigantischen Bauteile der niederländischen Sif Group von Roermond auf extra gefertigten Spezialschiffen beispielsweise in die Nordsee bewegt werden können, braucht es besondere Hebetechnik — und dafür die Magnum-X-Rundschlingen der Firma SpanSet aus Übach-Palenberg. Sie kommen bei den ganz schweren Fällen zum Tragen. Eine einzelne dieser Schlingen, die gleichermaßen so kompakt sind, dass sie auch an kleineren Kranhaken angelegt werden können, kann nämlich bis zu 450 Tonnen tragen. Kaum vorstellbar. Aber geprüft und tausendfach erprobt.

Eine sogenannte Zugratsche, die größte Sicherheit garantiert: Werner Glasen zeigt ein typisches Produkt seiner Firma, der SpanSet GmbH in Übach Palenberg.
Eine sogenannte Zugratsche, die größte Sicherheit garantiert: Werner Glasen zeigt ein typisches Produkt seiner Firma, der SpanSet GmbH in Übach Palenberg. Foto: Andreas Steindl

Hebetechnik, Ladungssicherung, Höhensicherungstechnik und Safety Management (Sicherheitsmanagement) — das sind die Aushängeschilder der Firma, die sich am Montag, 11. April, beim 44. Unternehmerforum von Aachener Zeitung und Industrie- und Handelskammer Aachen (IHK) vorstellt. Gerade die Hebetechnik spielt mehr denn je eine gewichtige Rolle.

SPanSet
SPanSet Foto: Andreas Steindl

Baukonzerne wie Bilfinger benötigen Rundschlingen, die locker 350 Tonnen heben können. Zum Vergleich: Die gängige DIN-EN-Norm endet bei 40 Tonnen. Der Großkonzern findet sie in Übach-Palenberg. „Wir erleben einen Megatrend, und wir profitieren sehr davon“, sagt Werner Glasen. Das mache sich im Umsatz der Sparte deutlich bemerkbar.

Erwartungen und Lasten

Glasen, 51, ist seit 25 Jahren bei SpanSet. Er hat in Aachen Betriebswirtschaftslehre studiert, stammt aus der Region — und blieb dort. Mittlerweile ist er verantwortlicher Produktmanager bei SpanSet in Übach-Palenberg und spricht von einer immerzu währenden Herausforderung, der sich sein Unternehmen stelle — „erfolgreich“, wie er betont. „Die Erwartungen der Kunden nehmen ständig zu“, erläutert Hans-Josef Neunfinger, mit Patrick Schulte Geschäftsführer der SpanSet GmbH & Co KG Übach Palenberg. Und mit den Erwartungen steigen die Lasten, die etwa die Rundschlingen tragen oder heben müssen.

Dabei gilt an dieser Stelle der sogenannte Sicherheitsfaktor fünf für Schwerlastschlingen. Das bedeutet: Eine 450-Tonnen-Rundschlinge muss die fünffache Belastung im Test halten. Um solche Rundschlingen mit einer sogenannten Bruchlast von dann am Ende bis zu 3000 Tonnen auf Sicherheit und Festigkeit zu prüfen, waren die SpanSet-Experten jüngst in Norwegen, denn in Deutschland gibt es keine geeignete Prüfanlage.

Der Weg zu denen, die solche Kraftakte überhaupt erst möglich machen, führt in eine alte Bowlinghalle in Übach-Palenberg. Hier spielten einst die US-amerikanischen Soldaten der nahen Nato-Base. Vergangenheit. Nun stehen hier 40 Webstühle. Bis zu 800.000 Meter Gurtband werden im Monat gewoben. Nach dem Weben folgt die thermische Behandlung der Gurtbänder und Gewebeschläuche. Vier Färbeanlagen stehen bereit — vor ein paar Jahren wurde die gesamte Produktion von Fraunhofer-Experten aus Stuttgart analysiert und optimiert. Nun läuft alles reibungslos.

Da die zu hebenden Lasten immer höhere Gewichte haben, so erklärt Neunfinger, würden auch die Schlingen zwangsläufig größer und schwerer. Deswegen setzt SpanSet auf spezielle Hochleistungsfasern. Leichter und handlicher als Ketten sind die am Ende ohnehin immer. „Wir sind reine Textiler. Das ist Fluch und Segen zugleich“, sagt Glasen aber auch. Denn: Überall, wo rotglühender Stahl verarbeitet wird, führen Textilien nicht weiter. Dann kommen Komplementärprodukte wie Ketten zum Einsatz.

Die Firma SpanSet versteht sich als Pionier in der Herstellung und Vermarktung von Hebebändern, Rundschlingen, Ladungssicherungssystemen und persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz. Das Kundenspektrum reicht von großen Industrieunternehmen und Behörden bis zu Handwerksbetrieben und Kleingewerbe.

In diesem Jahr wird die SpanSet-Unternehmensgruppe — der Sitz der Holding ist aus Schweden Richtung Züricher See verlagert worden — mit weltweit 15 Gesellschaften, einem Umsatz von zuletzt über 120 Millionen Euro und 900 Mitarbeitern (160 davon in Übach-Palenberg, weitere 60 bei der SpanSet-Secutex in Geilenkirchen und weitere 60 bei der GKS Lastaufnahme in Langenfeld bei Düsseldorf) 50 Jahre alt — und feiert dies.

Begonnen mit Sicherheitsgurten

Begonnen hatte alles tatsächlich mit Sicherheitsgurten — für Autos. In den frühen 60er Jahren entwickelte die schwedische Firma Klippan für Volvo den ersten Gurt. Es war ein Entwicklungsauftrag, die synthetische Faser, heute Standard, noch kaum bekannt. Maßgeblich involviert war, so die Geschichte, der junge Textilingenieur Erik Ehnimb. Dieser Pionier des Autogurtes gründete 1966 in seiner schwedischen Heimat die Firma SpanSet, heute ein weltweit agierendes Unternehmen, das von seinem Sohn David in zweiter Generation geführt wird.

Bis in die 80er Jahre war Polyester für Sicherheitsgurte noch ein wesentlicher Bestandteil des SpanSet-Geschäfts. Doch bald schon wurden die ersten Schlingen verkauft — zum Beispiel Richtung Hamburger Hafen. Neunfinger erinnert sich noch gut, wie er als Außendienstmitarbeiter den Hamburger Hafen besuchte und zuschaute, wie bei Blohm & Voss, der berühmten Werft, geschweißt wurde.

Es war in einer Zeit, in der der Markt noch von Ketten und Drahtseilen dominiert wurde. Oder die von Hanf und Naturfasern, doch die wurden schnell ölig und fettig und brachen dann — oder sie rissen. Normen, wie es sie heute gibt? Fehlanzeige. Ende der 60er gab es so etwas noch nicht. „Heute ist das undenkbar“, sagt Neunfinger. Und heute gibt es hochfeste Spezialfasern, von denen die Blohm & Voss-Hafenarbeiter damals nicht mal träumen konnten.

Das erste deutsche Verkaufsbüro wurde in der Düsseldorfer Altstadt eröffnet, bevor 1968 die ersten SpanSet-Webstühle in der stillgelegten Zeche Carolus Mag-nus aufgebaut wurden. Als es dort zu eng wurde, zog der deutsche SpanSet-Teil an den heutigen 27.000 Quadratmeter großen Standort an der Jülicher Straße. Ein Drittel des Umsatzes wird am Standort Deutschland erzielt.

„Es wird nie langweilig“

Dort werden nun 800.000 Meter Gurtband und Gewebeschläuche im Monat gewebt, gefärbt (je nach Last in einer anderen Farbe) und konfektioniert. Hinzu kommt die Ladungssicherung: Lastwagen müssen schnell und sicher beladen werden. SpanSet hat dafür nach eigenen Angaben als erster Anbieter eine ergonomische Zugratsche auf den Markt gebracht, die sogenannte Ergo-Ratsche.

Eine Fortführung davon, die Ergo-Master, hat eine Vorspannkraft von sage und schreibe 720 Dekanewton. Wir erinnern uns: ein Newton ist die Kraft, die aufgebracht werden muss, um einen Körper von einem Kilogramm innerhalb einer Sekunde auf eine Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde zu beschleunigen.

720 Dekanewton sind also: eine ganz schön große Kraft. Solche Zugratschen — bis dahin gab es auf dem Markt ausschließlich Druckratschen, bei denen viel mehr Anstrengung erforderlich war, um sie zu spannen — sind und bleiben ein wichtiges Standbein des Unternehmens.

Neunfinger ist seit 43 Jahren bei SpanSet, Schulte seit zehn Jahren. „Es wird einem hier nie langweilig“, sagt Schulte. Es gibt neue Faserentwicklungen, neue Chancen, immer wieder neue Herausforderungen. „Entscheidend ist, dass wir wissen, wo die Probleme und Potenziale in Zukunft auftreten“, erklärt Schulte. So wurden beispielsweise schnittfeste Fasern eingeführt — auch wenn es, wie der Name schon sagt, zunächst einmal schwierig ist, sie für die Kunden auf Länge zu schneiden. Aber scharfe Kanten sind nun keine Grenze mehr für die Rundschlingen und Hebebänder.

„Die Anforderungen beim Heben und Sichern von Lasten werden weiter zunehmen“, sagt Neunfinger. „Die Entwicklung in der textilen Fasertechnik bietet dafür viele Möglichkeiten. Mit neuen Werkstoffen entstehen neue Anwendungsmöglichkeiten.“ Noch vor zehn Jahren war nicht daran zu denken, mehr als 60 Tonnen zu heben. Das entspricht der Ladung zweier Lastwagen. Nun sind es über 400 Tonnen. Das entspricht mehr als 13 solcher 30-Tonnen-Lastwagen.

Marktposition ausbauen

Am Ende will SpanSet seine Marktposition sichern und ausbauen. Das Wachstum soll sich auch für den Standort Übach-Palenberg positiv auswirken. „Bisher haben wir in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle eingenommen“, sagt Neunfinger. Der Autosicherheitsgurt zählt dagegen nicht mehr zum Kerngeschäft.

SpanSet hat so manchen spektakulären Einsatz erlebt: Als die Quadriga vom Brandenburger Tor genommen werden musste, wurden sie von SpanSet-Rundschlingen getragen. Die Theresa aus weißem Marmor des Aldenhovener Künstlerpaars Maria Jesus und Juan Fernandez wurde mit SpanSet-Rundschlingen und -Zurrgurten zum Petersdom nach Rom transportiert — und ist laut Glasen unbeschadet dort angekommen. Dafür brauchte es ungefärbte Spezialanfertigungen.

Sie werden von SpanSet ebenso produziert wie Standardartikel. Und so werden nicht nur von den Kunden gewaltige Lasten bewegt: Jede Woche werden SpanSet-Waren mit einem Gewicht von etwa 100 Tonnen versendet. Und der Blick nach vorne ist optimistisch: Weiteres Wachstum ist in Sicht.