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RWTH Aachen stellt fahrerloses Fahrzeug vor

RWTH Aachen : Sauber und leise in die autonome Auto-Zukunft

Die RWTH Aachen stellt mit dem AutoCargo den Prototypen eines fahrerlosen Fahrzeugs vor. Schon im kommenden Jahr soll das Hightech-Vehikel über Aachens Straßen rollen.

Die Vorstellung klingt reizvoll: Vom Sofa aus die App öffnen, ein CargoElf bestellen, und ein paar Minuten später mit dem rollenden Wohnzimmer zur Schule, zur Arbeit oder Opa zum Arzt fahren – leise, sicher, emissions-, stress- und barrierefrei. Denn das Fahren funktioniert zu einhundert Prozent autonom.

Was nach reichlich Zukunftsmusik klingt, ist auf dem Aachener Campus Melaten schon zu besichtigen. An einer Halle des Instituts für Kraftfahrzeuge (ika) der RWTH Aachen öffnet sich an diesem Dienstagvormittag ein Rolltor und lässt das AutoCargo ins Freie. Das knuffige dreifarbige Gefährt surrt leise los, dreht brav eine Runde und bleibt tatsächlich dort stehen, wo es stehen bleiben sollte.

Nun gut, daran hat auch der Fahrer seinen Anteil, der mit weiteren Technikern an Bord ist – noch klappt es mit dem autonomen Fahren halt nicht. Aber das wird sich rasch ändern: In den kommenden Monaten wird dem AutoCargo die nötige Intelligenz verpasst. Schon im kommenden Jahr soll das Hightech-Vehikel über Aachens Straßen fahren, und dann ganz von allein.

Lutz Eckstein testet schon mal den Sitzkomfort.
Lutz Eckstein testet schon mal den Sitzkomfort. Foto: Andreas Herrmann

Meilenstein – dieser Begriff fällt mehrfach an diesem Morgen, als Vertreter des Forschungsverbundes Unicaragil den Prototypen vorstellen. Auch Thomas Rachel, Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, ist gekommen. Schließlich schiebt der Bund das 2018 gestartete Projekt mit mehr als 23 Millionen Euro an. Da will man schon mal wissen, was mit all dem Geld passiert. Rachel jedenfalls scheint sehr zufrieden: Es geht um eine „disruptive Entwicklung“, sagt der Staatssekretär. Anders gesagt: Die Mobilität ist dabei, sich grundlegend zu verändern. Und Unicaragil soll einen wichtigen Beitrag dazu liefern.

Unabhängig von den großen Automobilkonzernen, die ebenfalls íntensiv am autonomen Fahren arbeiten, aber durchaus in Kooperation mit der Industrie. So sind nicht nur acht deutsche Universitäten mit insgesamt 15 Lehrstühlen an Bord, von Aachen bis München, von Braunschweig bis Karlsruhe und Stuttgart. Sondern auch acht Industriepartner, wie der Autozulieferer Schaeffler etwa.

RWTH-Rektor Ulrich Rüdiger spricht von einem deutschlandweit einzigartigem Leuchtturmprojekt und einem „wirklich sehr komplexen System“. Das wird deutlich, wenn man sich anschaut, wie das Ganze einmal funktionieren soll. Die Fahrzeuge, die sich mit Hilfe von Scannern, Kameras, Radar und Ultraschall im normalen Verkehr bewegen und orientieren, werden von einem Kontrollzentrum überwacht, ähnlich, wie man es aus der Luftfahrt kennt. Ist zum Beispiel die Fahrspur blockiert, meldet sich das Fahrzeug und bleibt im Zweifelsfall stehen. Der Lotse entscheidet, ob das Hindernis umfahren wird oder nicht.

Sicherheit schreiben die Ingenieure nämlich ganz groß, auch Datensicherheit. Bei größeren Problemen kommt die Info-Biene zum Einsatz – ein dreimotoriges Fluggerät, das senkrecht startet und landet wie eine Drohne, aber auch energiesparend auf seinen Tragflächen fliegen kann. Bis zu einer Stunde kann der „Kippflügler“ in der Luft bleiben und Bilder von Unfallstellen oder umgeknickten Bäumen auf der Route liefern. Und das mit bis zum Tempo 100, womit jeder Punkt im Aachener Stadtgebiet innerhalb von zwei Minuten zu erreichen ist. Die Bilder aus der Luft und die Daten vom Boden füttern via Cloud eine Art „Verkehrsgedächtnis“, wie Lutz Eckstein sagt, der Gesamtkoordinator des Projektes: „Die Fahrzeuge lernen ständig dazu und planen um.“

Gefertigt wird nach dem Baukastenprinzip: Eine komplett neu entwickelte Plattform mit vier Dynamikmodulen aus Rädern, Antrieb, Bremse und Federung kann unterschiedliche Aufbauten tragen. Neben dem – schon fahrbereiten – AutoCargo als Lieferfahrzeug entstehen in Aachen derzeit eine Taxi-Variante, ein Shuttle-Bus für den öffentlichen Nahverkehr und das Elf genannte Modul für die individuelle Fahrt in die Stadt.

„Zum Shoppen“ in die Stadt

Vier Elektromotoren, die ohne Hochvoltbatterien auskommen, beschleunigen die Wagen auf ein stadtverkehrtaugliches Tempo. „ Wir werden nicht zum Verkehrshindernis“, versichert Projektleiter Timo Woopen. Dabei sind die Gefährte auch noch erstaunlich wendig, können seitwärts einparken und haben einen extrem kleinen Wendekreis - praktisch, wenn zum Beispiel eine Paketstation angesteuert werden muss.

Wie gut das alles auf der Straße klappt, wird man im kommenden Jahr sehen können. Rüdiger und Rachel haben sich jedenfalls schon verabredet: Eine autonome Spritztour in die Stadt – „zum Shoppen“, sagt der RWTH-Rektor.