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Pipeline-Projekt: Zeelink legt in Aachen los

Startschuss für Gaspipeline Zeelink : Aachen ist für Zeelink ein teures Pflaster

Das Großprojekt war und ist in Aachen nicht unumstritten, ist aber längst beschlossene Sache und legt jetzt los: Die Arbeiten an der 216 Kilometer langen Gaspipeline Zeelink haben begonnen, der erste Abschnitt im Dreiländereck gilt als besondere Herausforderung.

Auf einer Länge von 216 Kilometern werden zwischen Aachen-Lichtenbusch an der deutsch-belgischen Grenze und Legden in der Nähe von Ahaus 12.000 Rohre verlegt. Nicht weniger als 100.000 Tonnen Stahl werden dabei insgesamt verbaut. Und legte man bloß die Schweißnähte, die die Rohre verbinden, allesamt aneinander, ergäbe sich eine Schweißstrecke, die von Aachen bis nach Monschau reichte. Es sind gigantische Zahlen, die den in diesen Tagen begonnenen Bau der Ferngasleitung Zeelink begleiten, und sie summieren sich auch zu kollossalen Kosten: Mehr als 800 Millionen Euro wird das riesige Infrastrukturprojekt kosten, das die Versorgungssicherheit mit Erdgas in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sichern soll (siehe Info) – nach heutigem Stand. Ursprünglich war man einmal von weniger als 600 Millionen Euro ausgegangen.

Dass es nun einiges mehr wird, liegt zwar nicht ausschließlich, aber auch nicht unwesentlich am hiesigen Westzipfel. „Aachen ist für uns ein teures Pflaster“, sagt der technische Projektleiter Franz-Josef Kißing unumwunden, und dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Zum einen sind da die örtlichen Gegebenheite, die den 18,6 Kilometer langen ersten Bauabschnitt zwischen Lichtenbusch und Eschweiler-Röhe prägen. „Sehr eng, sehr dicht besiedelt, sehr schwierig“ – auf diesen Nenner bringt Oberbauleiter Lothar Pfeiffer die Herausforderungen, die die Pipelinebauer hier erwarten. Und zählt gleich einiges an „sehr anspruchsvollen äußeren Zwängen“ auf: die dichte Infrastruktur, die Belange des Naturschutzes, die umfangreiche Kampfmittelerkundung, die archäologischen Voruntersuchungen – Aachen ist für Zeelink eine Art Nadelöhr, in dem man wesentlich langsamer als anderswo vorankommen wird.

Auch dies wird eindrucksvoll von Zahlen belegt: Gehen die Verantwortlichen der Projektpartner Open Grid Europe (OGE) und Thyssengas, die das Vorhaben gemeinsam stemmen, normalerweise davon aus, 300 bis 500 Meter am Tag verlegen zu können, rechnet man im Dreiländereck nur mit maximal 150 Metern pro Tag. „Und das ist schon ehrgeizig“, sagt der erfahrene Bauleiter, „manchmal werden es auch nur 50 bis 80 Meter sein.“

Mitverantwortlich für ein 800 Millionen-Euro Projekt: die Zeelink-Macher (von links) Lothar Pfeiffer, André Graßmann, Franz-Josef Kißing und Christoph Köhler im Baubüro in Würselen.
Mitverantwortlich für ein 800 Millionen-Euro Projekt: die Zeelink-Macher (von links) Lothar Pfeiffer, André Graßmann, Franz-Josef Kißing und Christoph Köhler im Baubüro in Würselen. Foto: ZVA/Harald Krömer

Das liegt zum Beispiel daran, dass im Aachener Stadtteil Brand aufgrund der örtlichen Gegebenheiten knapp 500 Meter Strecke aufwändig untertunnelt werden müssen – was viel Zeit und Geld kostet. Normalerweise werden Gaspipelines in Gräben verlegt, die danach wieder verschlossen werden. Ein 34 Meter breiter Arbeitsstreifen wird dazu vorbereitet, falls nötig Holz eingeschlagen, der Mutterboden abgetragen. Solche Arbeiten haben an einigen Stellen bereits seit dem 1. April begonnen, ein erster Rohrlagerplatz ist an Camp Hitfeld angelegt. Zur Verlegung werden die Rohre später mit Spezialtransportern angeliefert, vor Ort gebogen, geschweißt und in die Gräben versenkt. Übrig bleibt an der Oberfläche am Ende ein zehn Meter breiter Schutzstreifen, der nicht bebaut und versiegelt werden und nicht mit tiefwurzelnden Gewächsen bepflanzt werden darf. Ein Jahr danach ist laut den Verantwortlichen in der Regel im Wortsinne Gras über die Sache gewachsen. „Die Natur holt sich das Ganze zurück, das geht zügig“, sagt Zeelink-Sprecher Helmut Roloff.

Dass es auf den ersten 18,6 Kilometern bis Eschweiler nicht überall so einfach gehen wird, hat damit zu tun, dass Zeelink in Aachen mehr als anderwo heftiger Widerstand entgegengeschlagen ist. Und das hat damit zu tun, dass man ursprünglich eine Trasse durchs Indetal und damit durch wertvolle Naturschutzgebiete geplant hatte. Politik, Verwaltung und Bürger liefen in seltener Einigkeit dagegen Sturm, weshalb die Pipelineplaner mit einer anderen Trassenführung – nämlich der heutigen – ins Genehmigungsverfahren gingen. Die Kosten kletterten dadurch, wie Roloff seinerzeit sagte, um das Drei- bis Vierfache, was dem Vernehmen nach einen zweistelligen Millionenbetrag ausgemacht hat.

Widerstand gibt es aber in Aachen auch gegen den neuen Trassenverlauf. Im Stadtteil Brand formierte sich zuletzt abermals eine Initiative von Anwohnern, die beklagten, die Pipeline würde viel zu nah an ihren Häusern vorbeigeführt – wobei Sicherheitsbedenken die Hauptsorge der Betroffenen war. Dagegen beziehen die Zeelink-Verantwortlichen zum Baubeginn mit eindeutigen Aussagen Position. „Unsere Leitungen sind aus sich heraus sicher“, sagt Projektleiter Kißing. Und Zeelink-Manager André Graßmann betont, dass Gaspipelines „das sicherste Transportmittel für Energie überhaupt“ seien. Auch dafür haben die Zeelink-Macher eine imposante Zahl parat: An den 12.000 Kilometern Leitungen, die OGE in Deutschland betreibt, habe es seit 100 Jahren keinen einzigen Todesfall gegeben.