1. Wirtschaft

Frankfurt/Aachen: Original aus Aachen, Plagiat aus Essen

Frankfurt/Aachen : Original aus Aachen, Plagiat aus Essen

Dreiste Produktplagiatoren verlegen sich immer stärker auf den Vertrieb ihrer Kopien über das Internet. Dort sei die Zahl der beschlagnahmten Plagiate zuletzt um das Dreifache gestiegen, sagt der Ulmer Design-Professor Rido Busse.

Dessen Aktion „Plagiarius” „ehrt” alljährlich am Rande der Konsumgütermesse Ambiente die dreistesten Nachahmer-Produkte mit einem Negativ-Preis.

Nach wie vor werde dieser Entwicklung von der Politik und der Rechtsprechung viel zu wenig aufmerksam geschenkt, so dass die Täter oft mit so geringen Geldstrafen davon kämen, dass sie weit unter dem vorher durch die Plagiate erzielten Einnahmen lägen.

Die mögliche Höchststrafe von fünf Jahren Gefängnis werde viel zu selten ausgesprochen, sagt Busse. Zwar kommt die Mehrzahl der Fälscher nach wie vor aus China, aber in diesem Jahr zählen auch Firmen aus Deutschland zu den von der Aktion Plagiarius bedachten Negativ-Preisträgern.

Dies gilt für die rimlux GmbH aus Essen, die die Leichtbau-Schmiedefelge der AC Schnitzer Automobile aus Aachen kopierte. Das Plagiat wurde nicht nur zu einem Bruchteil vom Preis des Originals verkauft, die Qualität der Felgen war so schlecht, dass die Sicherheit der damit ausgestatteten Fahrzeuge nicht mehr gewährleistet war. „TÜV-Tests haben gezeigt, dass die gefälschten Felgen bereits nach kurzer Zeit Risse aufwiesen, auseinander brachen und somit ein nicht zu kalkulierendes Sicherheitsrisiko darstellen”, sagt Busse.

Dreist geklaut hat auch die Hukla Matratzen GmbH aus dem badischen Gengenbach. Sie kopierte eine hochwertige Matratze der Düsseldorfer Panther GmbH. Andere Wege gingen diverse Vertriebsfirmen aus Deutschland. Sie vergaben den Auftrag für Plagiate einfach an Firmen in China, etwa für einen innovativen Tischventilator des Original-Herstellers Dyson, dessen Entwicklung mehrere Millionen Euro verschlungen hat.

Selbst vor ungewöhnlichen Produkten schrecken die Plagiatoren nicht zurück. Ein Negativ-Preis ging diesmal auch an einen Hersteller aus China, der ein Nebelgerät zur Moskito- und Schädlingsbekämpfung der Swingtec GmbH aus Isny im Allgäu nachbaute. Das Gerät wird in 120 Ländern verkauft, das Original für 800, das technisch schlechte und auch gefährliche Plagiat nur für 200 Euro. Die finanziellen Einbußen für die Original-Hersteller sind in vielen Fällen riesig, bei Mittelständlern können sie existenzgefährdend sein.

„Die Fälscher handeln rein profitorientiert”, sagt Busse. Die Schätzungen über den Schaden durch Plagiate schwanken zwischen 600 Milliarden und einer Billion Dollar pro Jahr. Allein die deutschen Maschinenbauer beziffern die Einbußen auf jährlich 6,4 Milliarden Euro.

2010 hat der Zoll an den EU-Außengrenzen mehr als 100 Millionen Plagiate im Wert von über einer Milliarde Euro beschlagnahmt. 85 Prozent davon stammten aus China. „Indien liegt an der Spitze bei gefälschten Medikamenten, die Türkei bei Lebensmitteln und Getränken.” Bei diesen Zahlen seien Plagiate aus der Europäischen Union noch gar nicht enthalten, erklärt Busse.

Die Plagiate sorgten nicht nur für einen riesigen Schaden. Die Nachahmer setzten ohne Skrupel auch die Gesundheit der Menschen, die sie herstellen und der Verbraucher aufs Spiel. Verantwortung tragen nach Ansicht von Busse aber auch die Verbraucher. Sie seien immer auf der Jagd nach den besten Schnäppchen.

„Sie wollen Original-Label, technische Highlights und schönes Design, sind aber nicht bereit, den angemessenen Preis dafür zu zahlen.” Das kostet nicht nur hierzulande Arbeitsplätze. Es stütze auch Kinderarbeit in anderen Ländern und fördere außerdem oft organisierte Kriminalität.