Herzogenrath : Nach dreistelligem Millionenverlust will Aixtron die Dividende streichen
Herzogenrath Unfreundlicher „Ausstand“ für Paul Hyland: Der bisherige Vorstandsvorsitzende des Herzogenrather Maschinenbauers Aixtron hatte am Donnerstag seinen letzten Arbeitstag. Doch just zu diesem Zeitpunkt musste das Unternehmen seine Bilanz präsentieren — mit tiefroten Zahlen.
Der Produzent von Hightech-Anlagen für die Halbleiterindustrie schloss 2012 mit einem Minus von 132,3 Millionen Euro ab. Hyland konnte den Anlegern wenig Hoffnung auf eine rasche Trendwende machen. Es gebe aber Anzeichen, dass die Talsohle erreicht sei. Das niedrige Nachfrageniveau in das Jahr 2013 hinein bestärke ihn in der Ansicht, dass man im Jahresverlauf auf eine Markterholung hoffen dürfe.
Vor Jahresfrist stand noch ein Gewinn von 113 Millionen Euro in den Büchern — ein Einbruch von mehr als 200 Prozent. In der tabellarischen Übersicht, die Aixtron am Donnerstag verschickte, steht in dieser Rubrik „nicht aussagekräftig“ — was angesichts des Minus‘ wohl mehr als geschönt klingt. In der Prognose war Aixtron von einem Minus von „nur“ 125 Millionen Euro ausgegangen.
Die nun feststehende, noch dramatischere Zahl begründete Unternehmenssprecher Guido Pickert insbesondere mit der „Vorsorge“ für die angekündigten personellen Einschnitte, deren Dimension Gegenstand von Verhandlungen mit dem Betriebsrat sei. Fast „getroffen“, so Pickert, habe Aixtron bei den Umsatzzahlen: Die Erlöse sanken von 611 Millionen im Jahre 2011 auf 227,8 Millionen Euro 2012. Dies entspricht einem Minderumsatz von 63 Prozent. Die Prognose hatte sich auf lediglich 220 Millionen Euro belaufen. Die mauen Geschäfte bekommen auch die Aktionäre zu spüren: Sie sollen für 2012 auf eine Dividende verzichten, nachdem sie für 2011 noch 25 Cent je Aktie erhalten hatten.
Dass der Boom früherer Jahre „so plötzlich aufhörte, damit haben wir nicht gerechnet“, sagte Pickert. Dabei ist Aixtron in allen wichtigen asiatischen Märkten mit eigenen Büros vertreten. Hat da jemand „gepennt“? Die Partner hätten sich, so Pickert, „nicht in die Karten schauen lassen: Die Entwicklung war für uns nicht absehbar.“ Er bestätigte auch Informationen, wonach der chinesische Staat den Kauf von Aixtron-Anlagen jahrelang mit bis zu 75 Prozent subventioniert habe. Trotz solcher Anschübe hätten es sich viele Kunden „anders überlegt und ihre Orders wieder zurückgegeben. Das konnte niemand vorhersehen“.
Andere Beobachter haben dazu eine abweichende Meinung. So spricht Franz-Peter Beckers, Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Aachen, von „aufgeblähten Strukturen“. Aixtron habe in China „bis zum Geht-nicht-mehr den Umsatz verdreifacht und die komplette Planung darauf ausgerichtet“. Als die Nachfrage dann einbrach, hätte dies dem Unternehmen „den Hals gebrochen“.
Während Pickert Hinweise, dass die Stammbelegschaft von Aixtron von zuletzt 550 auf etwa 400 Mitarbeiter reduziert werden soll, nicht kommentieren wollte, machte Beckers eine ganz andere Rechnung auf. Die Umsatzeinbrüche könnten nicht ohne einschneidende Konsequenzen für die Belegschaft bleiben. Folgt man dieser Theorie, würde das Aixtron-Team sogar auf rund 350 zusammenschmelzen.
Hoffnungen setzt Beckers in den neuen Mann an der Aixtron-Spitze, Martin Goetzeler. Nach dem plötzlichen Abgang von Hyland tritt der frühere Osram-Manager heute seinen Dienst an. Er sei „ein absoluter Sachkenner“. Wichtig sei, dass das Unternehmen langfristig ausgerichtet werde. Dazu müsse die Suche nach neuen Geschäftsfeldern gehören.
Nach Informationen unserer Zeitung hat es weitere Abgänge im Top-Management unterhalb der Vorstandsebene gegeben. „Von heute auf morgen“, so ein Insider, hätten die Verantwortlichen für Marketing und Operations gehen müssen. Pickert verwies lediglich auf „laufende Gespräche“. Er bestätigte indes, dass mindestens drei größere Aktionäre ihren Anteil an Aixtron kürzlich reduziert haben, eine meldepflichtige, weil kursrelevante Angelegenheit. Daraus wollte er aber keinen Trend ableiten. Es gebe auch Neueinsteiger — bei spürbar gesunkenem Aktienkurs. Eine Übernahme des Konzerns sei angesichts von mehr als 90 Prozent im freien Handel verfügbaren Aktien nicht ausgeschlossen, räumte er ein.