Vor 70 Jahren als Hans Boekels GmbH gegründet : Bei Minebea Intec in Aachen stehen Global Player Schlange
Aachen Vor 70 Jahren begann Hans Boekels damit, in Aachen Metalldetektoren herzustellen. Heute beliefert das Unternehmen die größten Nahrungsmittelproduzenten der Welt.
Das Hauptgebäude von Minebea Intec liegt eher unscheinbar an der Straße Am Gut Wolf in Aachen. Auch die dazugehörige Produktionshalle am Grünen Weg verrät auf den ersten Blick nicht, dass hier Aufträge jener Lebensmittelriesen angenommen werden, die gegeneinander um die Vorherrschaft auf dem Weltmarkt der Nahrungsmittel kämpfen. Der Name Minebea Intec verbirgt, dass das Unternehmen dahinter ein Ur-Aachener Gewächs ist, das es ganz nach oben geschafft hat – auch wenn der Gründer, Hans Boekels, diese Wandlung nicht mehr miterlebte.
Vor genau 70 Jahren legte Boekels 1948 mit drei Mitarbeitern den Grundstein für sein Unternehmen in der Paugasse. Dort entwickelte er zunächst Metallsuchgeräte, die Munition und Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg aufspürten, um Menschen und Maschinen vor Schäden bei möglichen Detonationen zu schützen. Ihren Einsatz fanden die Geräte im Braunkohletagebau und in der Holzindustrie. Heute noch schützt der größte Metalldetektor der Welt – hergestellt in Aachen – den größten Braunkohlebagger der Welt im Tagebau Garzweiler.
Mitte der 50er Jahre entwickelte Boekels eine im Förderband integrierte Wägevorrichtung, mit der die abgetragene Kohle während des Transport ins Kraftwerk gewogen werden konnte. Aus dieser Innovation entwickelte sich das zweite Standbein der Dr.-Hans-Boekels-GmbH: die Förderbandwaage.
Konsumentenschutz
Das Unternehmen wuchs beständig mit dem Anspruch, die Technologie ihrer Detektoren und Messgeräte voranzutreiben. Boekels suchte für seine Technologien einen neuen Absatzmarkt und fand ihn in der Lebensmittelindustrie. Nahrungsmittel wurden ab den 60er Jahren in steigendem Umfang maschinell zubereitet und verpackt. Dabei wuchs die Gefahr, dass Fremdkörper in die Nahrung gelangten.
Boekels entwickelte spezielle Metalldetektoren, die fertige Produkte scannten und bei Bedarf aussortierten. Gesetze zum Schutz von Konsumenten förderten den Bedarf an Boekels Detektoren. Ende der 60er Jahre entwickelte das Unternehmen eine dynamische Kontrollwaage, die – nachdem die Lebensmittel den Metalldetektor durchlaufen haben – das Gewicht der Produkte überprüfte und zu schwere und zu leichte Exemplare aussortierte. Das ständig wachsende Unternehmen zog von der Paugasse an seinen jetzigen Standort und begann in den 70ern, Kunden in ganz Europa zu beliefern.
Während es für das Unternehmen steil bergauf ging, geriet der Gründer zunehmend in den Hintergrund. Die Rezession machte ihm zu schaffen, sein Bruder und Mitinhaber starb. Die Hilgeland-Gruppe aus Wuppertal wurde Haupteigner des Unternehmens und stellte einen neuen Geschäftsführer ein. Boekels starb 1986 und hinterließ keine Erben.
1998 kaufte der börsennotierte Pharma- und Laborzulieferer Sartorius AG aus Göttingen das Unternehmen. „Wir brauchten einen starken Mutterkonzern, um weltweit agieren zu können“, sagt Peter Taggenbrock, Produktmanager bei Minebea Intec in Aachen.
Vor zehn Jahren erweiterte das Unternehmen sein Angebot um sogenannte Röntgeninspektionssysteme, mit denen nicht nur Metall, sondern auch andere Fremdkörper aufgespürt werden können.
Wenig qualitative Konkurrenz
Die Liste der Kunden des Aachener Unternehmens ist lang: Die größten Nahrungsmittelhersteller bestellen hier Kontrollsysteme „made in Germany“ für Kaffeekapseln, Suppentüten, Backpulver und Teebeutel. Auch Hersteller von Tierfutter, Baustoffen, Pharma- und Hygieneprodukten klopfen an. Weltweit gibt es nur wenige Unternehmen, die mit den hier hergestellten Systemen konkurrieren. „Unsere Hauptwettbewerber kommen aus Deutschland, England und Italien“, sagt Taggenbrock.
Im Jahr 2015 hat die Sartorius AG seine industrielle Wäge-Division verkauft. Das Aachener Unternehmen wurde von Minebea Mitsumi aufgekauft – einem der größten Unternehmen Japans. Für den Standort habe sich dadurch nicht viel verändert. „Wir profitieren von dem weltweiten Netzwerk“, sagt Geschäftsführerin Swantje Rost.
Die Produktion finde zum größten Teil immer noch in Aachen statt, obwohl ein Teil auch in Indien und China produziert werde. „Wir stellen hier pro Jahr circa 1000 Metalldetektoren und mehr als 500 Kontrollwagen her“, sagt Rost. Alle Maschinen werden speziell auf die Bedürfnisse der Kunden angepasst – abhängig von Form und Gewicht des hergestellten Produkts und der Geschwindigkeit der Fließbänder.
Circa 150 Mitarbeiter sind am Aachener Standort beschäftigt. In der Forschung und Entwicklung arbeiten mehr als 40 Ingenieure, davon zwölf in einem Projektteam für die Entwicklung von Sondermaschinen. Während die kleinste Standard-Maschine ungefähr 12.000 Euro kostet und in zwei bis zehn Wochen lieferfertig ist, kann die Entwicklung einer Sonderkontrollwaage bis zu einer viertel Million Euro kosten und vier Monate dauern. Der jährliche Umsatz beläuft sich auf etwa 30 Millionen Euro.
Die Herstellung von Kontrollsystemen, die nicht mehr weiter optimiert werden konnten, wurden vom Unternehmen eingestellt.
Innovation als Überlebensstrategie
Das gilt für Förderbandwagen im Bergbau ebenso wie für Metalldetektoren an Flughäfen. „Wenn Technologien ausgereizt sind, können asiatische Wettbewerber das ebenso gut bauen wie wir, meistens jedoch günstiger“, sagt Taggenbrock. „Innovation ist darum überlebenswichtig für uns. Es ist unser größter Wettbewerbsvorteil.“ Mit den steigenden Anforderungen der Lebensmittelsicherheit und den wachsenden Produktionsleistungen seien auch die Maschinen gezwungen, immer schneller und genauer zu arbeiten.
Einen großen Vorteil sieht das Unternehmen für sich bei der Vernetzung ihrer Kontrollsysteme mit anderen Maschinen. Neue Waagen zeichnen alle Daten über den Produktionsverlauf auf und können die Effizienz erhöhen, indem sie beispielsweise die Füllmechanismen der Maschinen kontrollieren und optimieren können. Das verringert den produzierten Ausschuss, indem sicher gestellt wird, dass immer genau die richtige Menge des Produkts abgefüllt wird.
Auch wenn das Unternehmen von der günstigen Lage im Dreiländereck profitiere und viele mehrsprachige Mitarbeiter beschäftige, mache sich hier der Fachkräftemangel bemerkbar. „Wir haben immer offene Stellen“, sagt Rost.
Dank des Mutterkonzerns aus Japan geht der einstige Familienbetrieb dennoch davon aus, vor einer rosigen Zukunft zu stehen: „Unser Ziel ist es, stark zu wachsen. Durch Minebea wollen wir unsere Produkte auf dem asiatischen Markt vorantreiben“, fügt die Geschäftsführerin hinzu.
Noch werde in der Produktionshalle einschichtig gearbeitet, doch man sei bereits auf den Zwei-Schicht-Betrieb vorbereitet.