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Aachen: „Man muss dem Kunden etwas bieten“

Aachen : „Man muss dem Kunden etwas bieten“

Früher war alles besser? Die Erfahrung spricht dagegen, sagt Manfred Piana. Und davon hat er reichhaltig. Mit Ende des Jahres geht der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Aachen-Düren-Köln (EHDV) in den Ruhestand — nach 34 Jahren bei dem Arbeitgeber-, Berufs- und Wirtschaftsverband, der die Interessen von rund 2500 Einzelhandels- und Dienstleistungsunternehmen in der Region vertritt.

Sein Nachfolger beim EHDV wird der bisherige Co-Geschäftsführer Jörg Hamel, die Geschäfte des Aachener Märkte- und Aktionskreises City führt Piana weiter. Heute wird der 64-Jährige offiziell verabschiedet, zuvor zog er im Gespräch mit unserer Zeitung bereits eine Bilanz in Stichworten.

Alte Probleme

„Vor allem das Thema Ladenöffnungszeiten hat mich von Anfang an begleitet — oder auch verfolgt. Das stand schon auf der Tagesordnung, als ich vor 34 Jahren beim Verband begann. Damals war der Handel sehr mittelständisch organisiert, es gab noch viele Familienunternehmen. Die großen Handelsketten begannen damals erst, sich in den Städten zu etablieren.

Und auch der Trend zum Umzug auf die grüne Wiese fing gerade erst an. Das alles hat sich doch sehr verändert — mit einschneidenden Konsequenzen. Aber: Die Zeiten heute sind nicht unbedingt schwieriger, aber doch komplexer. Und bei den Öffnungszeiten wissen wir: Der Kunde bestimmt, wann er einkaufen will, und der Handel muss sich darauf einstellen.

Die Flexibilisierung unter der Woche hat sich bewährt. Das hat sich alles eingependelt, die meisten Läden machen um 20 Uhr zu. Es muss sich schließlich rechnen. Ich würde mir wünschen, wir würden auch an den Sonntagen zu flexibleren Lösungen finden.“

Neue Herausforderungen

„Der Siegeszug des Onlinegeschäfts ist mit Sicherheit die größte Revolution, die es je im Handel gegeben hat. Natürlich wurde vorher schon Versandhandel betrieben, aber die technischen Möglichkeiten, die global aufgestellten Konzerne, die unmittelbare Vergleichbarkeit von Angeboten und Preisen: Das ist eine völlig andere Dimension.

Und es wird noch weitergehen: Smartphone, Apps — da kommt noch viel auf den Handel zu. Aber die Branche hat immer flexibel auf neue Herausforderungen reagiert. Außerdem glaube ich, dass es eine gegenläufige Entwicklung gibt. Getrieben von Menschen, die sich bewusst anders verhalten. Der stationäre Handel wird noch lange mehr sein als das Schaufenster des Onlinehandels.“

Fehler der Vergangenheit

„Die Bedeutung des Handels für das Erscheinungsbild der Innenstädte ist lange Zeit verkannt worden. Die Folgen sehen wir heute: Viele Zentren sind öde und langweilig geworden. Der Trend zu großen Einkaufparks auf der grünen Wiese an der Peripherie war vielleicht verständlich, weil sie auf ausreichend Parkplätze angewiesen waren und sind, hat aber dazu beigetragen. Da ist nicht ausreichend gegengesteuert worden. Doch die alten Feindbilder sind verschwunden.

Gemeinsame Konzepte sind gefragt und werden auch umgesetzt. Aachen ist da ein gutes Beispiel, wie die neue Kampagne ,Einkaufen in Aachen. Alles drin!‘ zeigt. Eine lebendige Innenstadt braucht einen gesunden Mix aus Filialisten und kleinem, individuellem Handel. Auch die großen Ketten haben das erkannt und planen heute anders: kleiner, kompakter, weg von den riesigen Verkaufsflächen, näher ran an die Kunden.“

Trends der Zukunft

„Selbstverständlich wird es zu Umverteilungen kommen. Der Handelsverband HDE rechnet damit, dass bis 2020 rund 50.000 Verkaufsstellen in Deutschland wegfallen werden. Die großen Händler, die stationär und online unterwegs sind, werden profitieren. Für die kleinen Händler wird es schwer. Aber auch sie haben Chancen, wenn sie ein eigenes Profil entwickeln, wenn sie besonders sind, wenn sie sich in Nischen etablieren. Es reicht nämlich nicht, einfach den nächsten Onlineshop zu eröffnen.

Wenn man das vernünftig machen will, kostet das sehr viel Geld. Klar ist aber auch: Einkaufen ist zu einer Freizeitgestaltung geworden und muss entsprechend inszeniert werden. Wie ein Event. Dafür muss aber auch das Umfeld stimmen — Gastronomie, kulturelle Angebote, attraktives Ambiente. Das ist eine gesamtstädtische Aufgabe. Unsere Region hat da mit schönen, teilweise historischen Zentren viel zu bieten.“

Der Kunde, das unbekannte Wesen

„Der Kunde von heute kommt nicht mehr automatisch zum Händler, das hat er gar nicht mehr nötig. Man muss auf ihn zugehen, herausfinden, was er will, ihm etwas bieten, sich an ihm orientieren. Für den Handel ist das eine neue Herausforderung, der er sich stellen muss. Aber auch der Kunde selbst verändert sich meiner Beobachtung nach in seinem Verhalten. Themen wie Nachhaltigkeit und fair gehandelte Produkte spielen eine immer größere Rolle.

Die ,Geiz ist geil‘-Mentalität gerät mehr und mehr aus der Mode. Der Kunde akzeptiert wieder, dass es gutes Angebot, kompetente Beratung und angenehmes Ambiente beim Einkauf nicht zum Nulltarif gibt. Aber das muss der Handel dann auch bieten. Auch er hat lange Zeit nur über den Preis operiert. Das war ein Fehler. Auch dem Handel muss guter Service etwas wert sein, er muss in seine Mitarbeiter und deren Weiterbildung investieren.

Deutschland war lange Zeit vielleicht wirklich eine Servicewüste. Das war allerdings nicht auf den Handel beschränkt. Ich bin davon überzeugt, dass diese Zeiten vorbei sind. Auch der Handel hat erkannt: Mit einem Lächeln kann man viel erreichen.“

Protokoll: H.J. Delonge.