Firmenporträt : Cityscaper macht Bauprojekte greifbar
Aachen Das Aachener Start-up Cityscaper benutzt Augmented Reality, um Verkehrs- und Wohnungsbauprojekte für alle Beteiligten greifbar zu machen. Entstanden ist die Idee beim Hackathon, danach ging es rasant weiter.
Erst Hackathon, dann Start-up: Die jungen Gründer Robin Römer und Sebastian Witt haben offensichtlich alles richtig gemacht. Als das Medienhaus Aachen im November 2019 dazu aufrief, innerhalb von drei Tagen Lösungen rund um das Thema „Smarter City“ zu finden, entwickelte Witt die Idee, Augmented Reality (AR) – also die computergestützte, erweiterte Realität – in der Stadtgestaltung einzusetzen. Die Teilnahme am AC2-Gründungswettbewerb machte 2020 aus der Idee ein konkretes Projekt, die erste Finanzspritze kam durch das EXIST-Stipendium in Höhe von 100.000 Euro. Seit März 2021 ist das Vorhaben „Cityscaper“ eine GmbH. Jetzt sucht das Zweiergespann händeringend Mitarbeiter, um die Nachfrage bedienen zu können.
„Wir haben schnell festgestellt, dass das Interesse da ist“, erzählt Römer. Die Idee des Duos: eine Augmented Reality-App, die Projekte dreidimensional in die Umgebung projiziert und damit Visionen und Planungsvarianten in die Realität vor Ort holt. „Um etwas wirklich zu begreifen, müssen wir es sehen“, erklärt der RWTH-Masterstudent: „Jedes Bauvorhaben ist eine Herausforderung an die Vorstellungskraft aller Beteiligten.“ Der Bedarf sei entsprechend groß: „Die Stadtplanung moderiert Veränderungsprozesse und möchte die Bürgerschaft involvieren, Architekturbüros und Immobilienentwickler wollen Bauherren und Investoren begeistern, Infrastrukturprojekte sollen transparent sein und überzeugen.“
Cityscaper schickt die jeweilige Zielgruppe visuell auf eine Reise und ermöglicht in den entscheidenden Phasen der Planungsprozesse eine interaktive Kommunikation auf Augenhöhe. Wie zum Beispiel im stadtbekannten Fall der Lütticher Straße, bei dem letztlich mehrere Optionen der Umgestaltung mit breiteren Radwegen, Grünstreifen und Parkplätzen gegenübergestellt wurden. „Wir haben innerhalb von 15 Tagen 3D- und AR-Ansichten umgesetzt, die die Stadt Aachen für ihre Online-Veranstaltungen und die Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative genutzt hat“, berichtet Römer. „Unsere Lösung schafft Transparenz und ist in der Lage, Dialoge zu eröffnen und die Menschen mitzunehmen.“ Damit habe das Start-up sein erstes Geld verdient.
Eine Visualisierung an der Hand zu haben, Hintergründe darzustellen und zu überzeugen – das sei auch für Projektentwickler wichtig. „In diesem Bereich stellen wir uns derzeit stark auf“, berichtet der 24-Jährige. Das Ziel seien langfristige Rahmenverträge, sodass die App „nicht nur für ein Projekt eingesetzt wird, sondern für 20“. Unlängst hat Cityscaper einen großen Projektentwickler aus Aachen als Kunden und Partner gewonnen und stellt derzeit für die Planung eines Bürogebäudes in Düsseldorf individuelle Lösungen zur Verfügung – darunter ein QR-Code am Bauzaun, mit dem man einen Blick in die Zukunft werfen kann: „Interessierte können den Code scannen und sich auf dem Smartphone oder Tablet anschauen, wie das geplante Gebäude aussehen wird und welche Wirkung es in seiner realen Umgebung hat.“
„Den Ort spüren“, nennt Mitgründer Witt das. Er hat an der RWTH Aachen Informatik studiert und verantwortet bei Cityscaper ein vielfältiges technisches Feld: von Life-Rendering bis hin zu Game-Design. „Wir haben ein gutes Timing abgepasst“, betont der 25-Jährige. „Wir erleben gerade einen zweiten Höhepunkt in der AR-Technologie, der neue Entwicklungen vorantreibt.“ Die Herausforderung: „Es ist unser Anspruch, dass unsere Lösung nicht nur auf High-End-Geräten funktioniert, sondern im Sinne einer Barrierefreiheit jedem zugänglich ist.“
Witt und Römer kennen sich bereits seit der siebten Klasse. Sie kommen aus Schleswig-Holstein, am Rande von Hamburg, und kamen zum Studieren an die RWTH. Sie erreichten bereits gemeinsam die Weltmeisterschaften im „Formel 1 in der Schule“-Technologiewettbewerb und während des Studiums gründeten sie zusammen einen gemeinnützigen Verein. Erfolge feiern, entwickeln und tüfteln – das sei auch „die DNA von Cityscaper“, sagen die Gründer. Der jüngste Erfolg: die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung mit dem Sonderpreis „Digitale Städte und Regionen“ im „Gründungswettbewerb – Digitale Innovationen“ des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Begründung der Jury: der hohe technische Anspruch der Lösung und der damit verbundene höhere Mehrwert. „Mit jedem Wettbewerb und jedem Auftrag bauen wir unsere Expertise weiter aus.“
Und die Aufträge stapeln sich auf dem gemieteten Schreibtisch im Digital Hub an der Jülicher Straße. „Alle Themen, in denen wir uns tummeln, sind absolute Trendthemen – von Smart City bis hin zu Bürgerbeteiligung 2.0“, erzählt Römer. In Leipzig etwa erstellt das Start-up als „Siegerprojekt 2021“ der „Smart City Challenge“ ein digitales Werkzeug für die Bürger, mit dem diese ihre Vorschläge für die Stadtbezirksbudgets mit Hilfe von AR spielerisch visualisieren und miteinander vergleichen können.
„Dadurch werden mehr Menschen für eine Beteiligung sensibilisiert und in die Stadtgestaltung eingebunden“, erklärt das Gründerteam. In Dortmund steht gerade eine Parkgestaltung auf dem Plan. Denkbar sei auch die Darstellung historischer Straßenzüge oder Orte, etwa für kulturelle und touristische Zwecke. „Durch die Weiterentwicklung der Technologie wird in Zukunft noch viel mehr möglich sein.“