Mobilität : Erdgasantrieb statt Elektroauto?
Analyse Aachen Kann es trotz des Krieges in der Ukraine richtig sein, den Kauf eines Erdgasautos zu erwägen? Ja, es kann! Denn es gibt gute ökologische und ökonomische Gründe. Ein Überblick.
Seit Russland die Ukraine überfallen hat, ist es mit dem guten Ruf von Erdgas vorbei. Weil Präsident Wladimir Putin durch den Export fossiler Energie seinen Krieg gegen das Nachbarland finanziert, versucht Deutschland sich unabhängig von den Quellen des Machthabers in Moskau zu machen.
Während das bei Kohle und Öl binnen kurzer Zeit gelingen kann, sieht es bei Erdgas anders aus. Zu groß ist die Abhängigkeit von Lieferungen aus Russland, zu gering das Angebot anderer Anbieter. Kann es in dieser Lage richtig sein, den Kauf eines Erdgasautos zu erwägen? Ja, es kann! Dafür gibt es gute ökologische und ökonomische Gründe. Wir geben einen Überblick.
Wie sehr belasten Erdgasautos die Umwelt?
Eine Antwort auf diese Frage gibt der jährliche Ecotest des ADAC, den der Autoclub seit 2003 durchführt. Die Untersuchung genießt hohe Wertschätzung, weil sie die Fahrzeuge nicht nur im Alltagsbetrieb begutachtet, sondern auch den Prozess des Energieverbrauchs „von der Kraftstoffquelle bis zum Rad“ berücksichtigt.
Beim jüngsten Test liegt der Seat Leon mit dem 130-PS-Erdgasmotor ganz vorne – als umweltfreundlichster von 112 geprüften Neuwagen. Auf Rang zwei schafft es ein Golf, der ebenfalls mit Erdgas fährt. Erst danach folgt mit dem Hyundai Kona das erste vollelektrische Auto. Als größte Dreckschleuder erweist sich mit dem Porsche Cayenne E-Hybrid ein Plug-in-Hybrid.
Warum fällt die Ökobilanz bei Erdgas so gut aus?
Elektroautos fahren zwar ohne Emissionen, aber ihre Produktion belastet das Klima sehr. Die Fahrzeuge schleppen zum Start auf der Straße einen CO2-Rucksack mit sich herum, der deutlich größer ist als bei Wagen mit Verbrennungsmotor. Schuld daran sind die Batteriezellen, deren Herstellung viel Energie verbraucht. Die Akkus enthalten zudem Rohstoffe wie Lithium, Kobalt und Nickel. Deren Abbau hat zum Teil massive ökologische und soziale Nachteile.
Erdgasautos fahren mit komprimiertem Erdgas (Compressed Natural Gas, kurz CNG). Die CO2-Emissionen fallen im Vergleich zu herkömmlichen Verbrennern um 30 bis 50 Prozent geringer aus. Zudem werden bis zu 95 Prozent weniger Stickoxide und fast keine Rußpartikel ausgestoßen.
Wie oft kommt Bio-Erdgas zum Einsatz?
Der ADAC geht bei seinem Ecotest von einem Bio-Anteil an den deutschen CNG-Tankstellen von 40 Prozent aus. Nach Angaben des CNG Clubs, der sich als Lobbyverein für den Erdgasantrieb einsetzt, liegt der Bio-Anteil mit etwa 90 Prozent inzwischen wesentlich höher. Bio-CNG basiert nicht auf importiertem Erdgas, sondern auf regenerativem Methan aus Abfällen und Reststoffen wie Gülle und Stroh. Fahren Erdgasautos mit diesem Kraftstoff, sind sie nahezu klimaneutral unterwegs.
Wie teuer ist Erdgas fürs Auto?
Abgerechnet wird an der Tankstelle in Kilo, nicht in Litern. Mit durchschnittlich 1,215 Euro pro Kilo Bio-Kraftstoff tanken CNG-Autos derzeit erheblich günstiger als normale Verbrenner. Hinzu kommt, dass der Energiegehalt von einem Kilo CNG etwa 1,4 Litern Benzin und 1,3 Litern Diesel entspricht. Die tatsächlichen Kraftstoffkosten liegen damit bei rund fünf Euro auf 100 Kilometern.
Welche Nachteile haben Erdgasautos?
Sie kosten beim Neukauf zehn bis 20 Prozent mehr als vergleichbare Benziner. Und: Es gibt eine geringe Modellauswahl. In Deutschland bieten nur noch Fiat und der VW-Konzern mit seinen Marken Audi, Skoda, Seat und VW Erdgasautos an. Vor zwei Jahren hat VW angekündigt, sich mittelfristig von der Erdgastechnik zu verabschieden. Der Konzern legt seinen Fokus, wie alle anderen Hersteller, auf die Elektromobilität. Derzeit fahren auf deutschen Straßen gut 100.000 Erdgasautos. Ihnen stehen etwa 820 CNG-Tankstellen zur Verfügung, vor allem in Ballungsräumen. Längere Fahrten müssen also gut geplant werden. Das gilt vor allem, wenn der Weg ins Ausland führt. Infos im Netz helfen weiter.
Wie praxistauglich sind Erdgasautos?
Fast alle Erdgasautos verfügen über einen kleinen Benzintank. Der Inhalt wird genutzt, falls kein CNG mehr zur Verfügung steht. Der Wechsel zwischen CNG und Benzin bereitet beim Fahren keine Probleme. Weil die Erdgastanks viel Platz brauchen, fällt der Kofferraum um etwa ein Fünftel kleiner aus. Das Volltanken dauert zwei bis drei Minuten. Crashtests zeigen, dass die Angst vor einer Explosion der Tanks unbegründet ist.
Fördert der Staat Erdgasautos?
Als alternativer Kraftstoff ist Erdgas wegen des geringen CO2-Ausstoßes bis Ende 2026 steuerbegünstigt. Ab 2024 beginnt allerdings ein stufenweiser Abbau der Steuervorteile. Obwohl Erdgasautos mit Bio-CNG fast klimaneutral fahren, gibt es derzeit keine Signale aus der Politik, längerfristig an der Förderung von Erdgas-Fahrzeugen festzuhalten – obwohl laut CNG Club in Deutschland Reststroh und Gülle vorhanden ist, um etwa zehn Millionen Pkw zu versorgen.