1. Wirtschaft

Aachen: Einloggen und live gegen Hamilton fahren

Aachen : Einloggen und live gegen Hamilton fahren

Als Kind gehörte Andy Lürling zu den Jungen, deren Eltern prinzipiell gegen Computerspiele waren. „Geh´ lieber draußen Ball spielen, das ist viel besser für Dich”, sagten sie und streichelten dem Kleinen über den Kopf.

Kein heiß ersehnter Atari, kein C64. Beim Gedanken daran schiebt Lürling, 34, mit gespieltem Trotz die Unterlippe vor. So, wie er es als Kind in Diskussionen mit seinen Eltern über das Computerverbot getan hat.

Dieses kategorische Nein erklärt vielleicht, weshalb der Niederländer sein Geld heutzutage ausgerechnet mit Computerspielen verdient. Hat er etwas nachzuholen? Darüber denkt er kurz nach und muss dann laut lachen. „Kann schon sein”, sagt er.

Zolder, Sepang oder Hockenheim

Lürling ist einer der beiden Geschäftsführer der iOpener GmbH, Anfang Januar dieses Jahres gegründet und mit Sitz an der Aachener Roermonder Straße. Dass man dort Geld mit Computerspielen verdient, ist ziemlich vereinfacht ausgedrückt.

Denn die patentierte Technologie, die bei iOpener entwickelt und vertrieben wird, ermöglicht eine ganz neue Dimension des virtuellen Freizeitvergnügens: Spieler können sich am heimischen PC oder an der Spielkonsole ins Internet einloggen und live an Autorennen teilnehmen.

Sich mit Lewis Hamilton messen oder versuchen, auf dem Monitor den Rücklichtern von Felipe Massas Ferrari möglichst nahe zu kommen. Der Spieler kann seinen Wagen von einem normalen PC mit Gamepad und Maus oder über die berkannten Spielkonsolen steuern.

Am stärksten ist der Realitätseffekt aber mit Rennfahrersitz, Lenkrad und Pedalen, alles mit einem Monitor verbunden. Und der ist idealer Weise möglichst groß.

Zwei solche Konstruktionen stehen in der Aachener Firmenzentrale. Mehrere Stunden täglich wird dort getestet, werden Fortschritte bei der Entwicklung der Technologie überprüft. Unter anderem von Geschäftsführer Sven Bakkes, 33.

Wie Lürling stammt er aus den Niederlanden und spricht fließend Englisch. Voraussetzung in einer internationalen Branche wie dieser.

Das Schlagwort ist deshalb nicht zufällig englisch: „Real Time Games”. In großen Buchstaben steht das auf den weißen Hemden, die das iOpener-Team trägt, wenn es ein Autorennen besucht.

Im belgischen Zolder, malaysischen Sepang oder deutschen Hockenheim wird vor Monitoren sitzend getestet, während ein Sender aus einem Rennwagen live die Daten von der Rennstrecke überträgt.

Um das zu ermöglichen, hat sich die junge Firma schon 2007 Unterstützung von der European Space Agency (ESA), der Europäischen Weltraumbehörde, im niederländischen Noordwijck geholt.

„Unser Ziel ist, eine möglichst perfekte Übereinstimmung zwischen Realität und Spielsituation herzustellen”, erklärt Lürling. Das geschieht mit Hilfe bestimmter Algorithmen, die die Ingenieure - vereinfacht gesagt - in die Software einspeisen.

Um in Aachen Fuß fassen zu können, hat iOpener Unterstützung von der regionalen Wirtschaftsförderungsagentur Agit bekommen. „Ich hatte schon beim ersten Gespräch ein gutes Gefühl, dass in der Geschäftsidee ein großes Potenzial steckt”, sagt Verena Kienzle, bei der Agit Bereichsleiterin für Regionalmarketing und Ansiedlung.

Auch die freundliche, lockere und doch professionelle Art der Geschäftsführer habe sie überzeugt. Die einzige Alternative zu Aachen wäre für Lürling München gewesen. Nur dort finde man wegen der Hochschule vergleichbares Fachwissen.

Für Aachen habe dann letztlich aber mehr gesprochen, unter anderem der Schwerpunkt Automotive. Als einer der wenigen in seiner Firma ist Lürling selbst kein Ingenieur.

Er hat Informationsmanagement in Maastricht und Technology, Policy & Management an der Universität Delft studiert. Auch in der südholländischen Stadt hat iOpener ein Büro.

Dort sind vier der insgesamt 17 Mitarbeiter im Einsatz, nächstes Jahr sollen weitere hinzukommen, darunter auch einige Studenten.

Deutschland haben die Niederländer als Standort gewählt, weil ein deutsches Unternehmen, die Triangle Venture Capital Group, sich als Wagniskapital-Geber an iOpener beteiligt hat.

Mittlerweile haben schon einige der großen Rennställe, Rennstrecken und Rennveranstalter im In-und Ausland Interesse an einer Zusammenarbeit angemeldet. „Natürlich freuen wir uns darüber, aber bevor im März eine erste Version unseres Produkts auf den Markt kommt, möchte ich nichts Genaueres sagen.”

Übrigens: Das eine oder andere Mal Computer gespielt hat Andy Lürling als Kind natürlich doch. Bei Freunden oder Mitschülern. Mit anderen Kindern, die auch keinen Atari oder C64 haben durften.