Aachen : e.GO macht Tempo auf dem Jobmarkt
Aachen Manchmal, so sagt Ariane Martini, manchmal könne sie anhand der Bewerbungen erkennen, wo sich ihr Vorstandsvorsitzender in den letzten Tagen aufgehalten hat. Martini ist Personalleiterin bei e.GO, und ihr Vorstandsvorsitzender ist Günther Schuh.
Der Inhaber des Lehrstuhls für Produktionssystematik ist auch ein Handlungsreisender, der durch die Lande reist und von seinem „Alles-anders-Auto“ berichtet. Und weil der 59-Jährige durchaus seine Zuhörer begeistern kann, gewinnt er bei seinen Vorträgen häufig auch Personal, das das junge Unternehmen gerade dringend benötigt.
Am Freitag wurde das erste Produktionswerk für den „Life“ eröffnet, für den schon mehr als 3000 Vorbestellungen vorliegen, zehn weitere kamen im Laufe des Tages spontan dazu. Weitere Werke werden ebenfalls auf dem ehemaligen Philipps-Gelände in Aachen/Rothe Erde in den nächsten Monaten eröffnet.
Auch Streetscooter schafft Stellen
Bis 2022 könnten etwa 2000 neue Arbeitsplätze entstehen, so hat es e.GO-Erfinder Schuh vor ein paar Monaten einmal vorgerechnet. Die exakte Zahl ist noch unklar, einige Bereiche wurden inzwischen an Dienstleister und Partnerunternehmen übergeben. Klar ist aber, dass Hunderte Akademiker, Facharbeiter und ungelernte Arbeiter — etwa zu gleichen Anteilen — benötigt werden. Auch Zuwanderern bietet die neue Autofabrik durchaus Chancen.
Das Unternehmen wirbt nicht alleine um neue Produktivmitarbeiter, auch Streetscooter, das E-Transporter herstellt, hat ein weiteres Werk in Düren eröffnet, wo bis zu 250 neue Arbeitsplätze entstehen könnten. Zwischen den beiden Elektroauto-Herstellern, die beide ihre Wurzeln an der RWTH haben, soll kein Wettkampf um Arbeitskräfte entstehen. Das ist Konsens. Anfang des Jahres lud Aachens Oberbürgermeister deshalb ins Rathaus.
Am Runden Tisch nahmen nicht nur die Chefs von Streetscooter und e.GO Platz, auch Verbände, die IHK, die Bundesagentur für Arbeit und Wirtschaftsförderer bekamen eine Einladung. Mit E-Mobilität will eine wirtschaftsschwache Region auf sich aufmerksam machen. Eine möglichst emissionsfreier Stadtverkehr soll die Kommunen zudem vor drohenden Fahrverboten bewahren.
„Für uns ist E-Mobilität das Mega-Thema“, sagt Aachens Oberbürgermeister Philipp, der bei der Eröffnung der ersten e.Go-Produktionsfabrik von einem „großen Geschenk“ sprach. Im äußersten Westen der Republik soll ein wichtiger Standort für Forschung, Entwicklung und Produktion der Zukunftstechnologie entstehen und wachsen.
Bislang sind am neuen e.GO-Standort 50 neue Mitarbeiter eingestellt, bis Ende des Jahres sollen es 80 sein. Gerade werden 18 umgeschulte Kräfte für die Montage übernommen. Die Männer waren vorher langzeitarbeitslos. Die Qualifizierung der Montagehelfer ist eine Auswirkung des runden Tisches. Die nächste Maßnahme läuft in dieser Woche an.
Um höher qualifizierte Mitarbeiter buhlt das Unternehmen gerade im Sauerland, wo zwei Produktionsbetriebe vor dem Aus stehen. Vermittelt wurden die Kontakte von den städtischen Wirtschaftsförderern.
Das aufstrebende Unternehmen ködert mit unbefristeten Arbeitsverträgen. Die neuen Mitarbeiter sollen zudem in absehbarer Zeit am Unternehmenserfolg über spezielle Programme partizipieren können, sagt Martini. Zudem wird darüber nachgedacht, dass Mitarbeiter einen e.GO Life rabattiert erwerben können.
80 Bewerbungen wöchentlich
„Es bewerben sich derzeit viele Menschen, die unsere lockere Unternehmenskultur reizt“, sagt die Personalchefin. „Und viele finden es spannend, Teil der Geschichte Elektromobilität zu sein“, sagt sie. Ihr Chef berichtete, dass derzeit etwa 80 Bewerbungen wöchentlich eingehen, 30 Personen werden monatlich eingestellt. „Es hat sich gelohnt, dass wir so früh mit der Suche begonnen haben“, sagt Erfinder Schuh.
Inzwischen wurden bereits berufserfahrene Kräfte auch von großen Automobilherstellern in Süddeutschland gewonnen. „In großen Betrieben sind sie oft nur ein kleines Rädchen, hier können sie mehr bewegen“, sagt Martini. Meistens sind es Rheinländer, die dem Lockruf der E-Mobilisten erliegen. Auch aus Indien oder den USA lägen Anfragen von Interessenten vor, sagt die Personalchefin.
Die gerade anlaufende „Life“-Produktion wird in den nächsten Monaten sukzessive aufgestockt. Das Unternehmen baut Personalpools auch mit Hilfe der Bundesarbeitsagentur auf, um den wachsenden Bedarf abdecken zu können. Es gibt Mangelberufe, Aluminiumschweißer sind zum Beispiel extrem zur Fahndung ausgeschrieben. Die Agentur für Arbeit Aachen-Düren hat Bewerbertage initiiert, versucht grenzüberschreitend mit der euregionalen Arbeitsvermittlung Eures Personen zu rekrutieren, sagt Agentursprecherin Sabine Lassen.
„Ausgebildete Fachkräfte im Thema E-Mobilität gibt es noch nicht beziehungsweise nicht in ausreichender Anzahl, so dass Quereinsteiger gute Chancen haben“, sagt sie. Voraussetzung sei eben, dass Arbeitgeber Menschen, die auf einen ersten Blick nicht so passend erscheinen, Chance geben.
E.GO bildet noch nicht aus, der Beruf hat noch nicht mal einen Namen. Vielleicht wird er dann mal Elektromechaniker heißen. Mit der ortsansässigen IHK laufen die Gespräche, sagt Martini, dass bald ein Ausbildungsberuf für die Zukunftsbranche entsteht.