Wassersuche auf Eismonden : Die große Frage: Lebt da oben was?
Aachen Drei Institute der RWTH Aachen beteiligen sich an der Entwicklung eines Roboters, der eines Tages auf die Reise zum eisigen Jupitermond Europa oder zu einem der größten Saturnmond Enceladus gehen könnte.
Europa und Enceladus sind Eismonde. Obwohl die Temperaturen auf deren Oberflächen maximal minus 130 Grad erreichen, sind sie die vielversprechendsten Kandidaten für mögliches Leben im All. Unter einer massiven Eisschicht vermuten Astrobiologen alle nötigen Zutaten, damit primitive Lebensformen entstehen können: Flüssiges Wasser, organische Verbindungen aus Kohlenstoff und Sauerstoff, aber auch aus Stickstoff, Phosphor und Schwefel sowie Energie.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert seit September 2020 ein Verbundvorhaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), um ein Explorationssystem für zukünftige Raumfahrtmissionen zu Eismonden zu entwickeln. Dieses dreiteilige System soll aus einem astrobiologischen Labor zur Untersuchung von Flüssigkeits- und Sedimentproben bestehen, das auf der gefrorenen Mondoberfläche landet. Einer Einschmelzsonde, die sich von dem Labor abkoppelt und durch die Eisschicht schmilzt, bis sie auf unterirdisches Wasser trifft. Dort entlässt die Sonde einen kleinen, vollautonomen Tauchroboter, der Proben nimmt und sie zur Sonde zurückbringt.
Drei Einrichtungen der RWTH Aachen sind in dem Projekt mit dem sperrigen Namen TRIPLE-nanoAUV1 eingebunden. Das Institut für Regelungstechnik (IRT) hat die Projektleitung für die RWTH-Beteiligung übernommen. Zu den Aufgaben des IRT zählt die Entwicklung von Methoden zur autonomen Unterwassernavigation des Tauchroboters und die entsprechende Software. „Unter dem Eis kann das U-Boot kein GPS empfangen, wie es unsere Navigationssysteme im Straßenverkehr machen“, erklärt Jan-Jöran Gehrt vom Institut für Regelungstechnik. Er leitet das Projekt für die RWTH und wird von seinem Kollegen Maximilian Nitsch unterstützt. Über zwei Jahre erhalten die Institute insgesamt 500.000 Euro für ihre Forschung.
Die Aachener Graduiertenschule für computergestützte Natur- und Ingenieurwissenschaften AICES arbeitet an der mathematischen Beschreibung der Eisschicht. Erst wenn die Wissenschaftler die Eigenschaften des dicken Eispanzers kennen, können sie die Einschmelzsonde entwerfen. Das III. Physikalische Institut B widmet sich vornehmlich um die Einschmelzsonde sowie der Oberflächenstation. Weitere Projektpartner sind die Universität Bremen, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, die Technische Universität Braunschweig, die Gesellschaft für Systementwicklung und Instrumentierung, das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung sowie DSI Aerospace Technologie.
In der ersten Phase konzentrieren sich die Wissenschaftler vor allem auf Computersimulationen. „Es sind noch nicht abschließend alle Fragen zum Design und dem Vorgehen geklärt“, sagt Gehrt. „Erst danach können wir mit den kostenintensiven Tests beginnen.“ Denn die geplanten Versuche auf europäischen Gletschern und in der Antarktis sind aufwändig und teuer.
Daher starten die Forscher zunächst mit Navigationsversuchen in der Aachener Westhalle, die für nächstes Jahr geplant sind. „Entscheidend ist, dass der Tauchroboter selbstständig navigieren und autark Entscheidungen treffen kann“, erklärt der Projektleiter. Auf Grund der großen Entfernung braucht ein Signal beispielsweise von der Erde nach Enceladus bis zu 90 Minuten.
„Der Tauchroboter muss Hindernisse erkennen und umfahren“, sagt Gehrt. „Außerdem muss unsere Software flexibel sein. Dafür nutzen wir Künstliche Intelligenz. Immerhin sind wir in absolut unbekannter Umgebung. Es könnten zum Beispiel starke Strömungen auftreten, mit denen wir nicht rechnen.“
Eine konkrete Mission zu den Eismonden, gibt es noch nicht. Deshalb entwickeln die Forscher zunächst ein System für den irdischen Einsatz, immer mit dem Blick auf die extraterrestrische Anwendung. Ab 2022 geht es in einem Folgeprojekt um die Umsetzung des Explorationssystems unter realen Bedingungen. In der Umgebung der antarktischen Polarforschungsstation Neumayer III möchten die Forscher subglaziale Seen erforschen. Das sind Seen unter einem Gletscher, die seit hunderttausenden von Jahren oder noch länger isoliert sind. „Bei ihrer Erforschung achten wir penibel darauf, den See oder gegebenenfalls den Mond nicht mit fremden Partikeln zu verunreinigen“, verspricht Gehrt.
Jan-Jöran Gehrt, Maximilian Nitsch und Kollegen entwickeln das System für den Fall, dass irgendwann eine Weltraummission zu den Eismonden startet. Aber auch ohne sind ihre Erkenntnisse äußerst nützlich: „Autonome Navigation brauchen wir für selbstfahrende Fahrzeugverkehr oder automatisierte Schiffe. Beispielsweise für eine unabhängige, automatisierte Fähre, die 24 Stunden am Tag fährt“, erklärt Nitsch.