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Herzogenrath/Aachen: Chinesische Investoren wollen Aixtron kaufen

Herzogenrath/Aachen : Chinesische Investoren wollen Aixtron kaufen

Als sich die Aktionäre der Herzogenrather Aixtron AG (die kurz darauf auf die europäische Gesellschaftsrechtsform SE umstellte) im Mai 2010 zur Hauptversammlung trafen, war die Stimmung prächtig.

„Die Party ist in vollem Gange“, titelte unsere Zeitung damals; Umsatz, Erlöse und Jahresüberschuss waren hervorragend, es gab eine Dividende von 15 Cent pro Aktie.

Die Zeiten haben sich seitdem geändert. Aixtron ist spätestens 2012 in schwerstes Fahrwasser geraten, die Geschäfte brachen dramatisch und vor allem nachhaltig ein, der Aktienkurs ebenfalls. Umstrukturierungen und Personalabbau waren die Folge. Das regionale Vorzeigeunternehmen, das 1984 als Spin-off aus der RWTH gegründet worden war und später zu einer veritablen Neue-Markt-Ikone emporstieg, kam eigentlich nicht mehr zur Ruhe.

2015 schnitt das Unternehmen zuletzt immerhin besser ab als befürchtet: Der Umsatz stieg um zwei Prozent auf 197,8 Millionen Euro. 2016 soll der Erlös 170 bis 200 Millionen Euro erreichen. Der Verlust ging um gut die Hälfte auf 29,2 Millionen Euro zurück. Vor Zinsen und Steuern (Ebit) betrug das Minus 26,7 Millionen Euro. Ein Jahr zuvor waren es noch 58,3 Millionen Euro. Der Aktienwert des im TecDax notierten Unternehmens „schaffte“ es zuletzt auf der von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) alljährlich veröffentlichten Watchlist der größten Wertvernichter auf den fünften Platz. Auf Sicht von fünf Jahren hatte die Aktie 85 Prozent an Wert verloren, lautet die Analyse der DSW.

Jetzt also der Befreiungsschlag? Ein Fonds aus China will den Halbleiter-Ausrüster kaufen. Das Übernahmeangebot von Fujian Grand Chip Investment (FGC) soll einen Wert von rund 670 Millionen Euro haben, wie Aixtron am Montag mitteilte.

FGC bietet den Aktionären sechs Euro je Anteilsschein. Der Aufschlag auf den durchschnittlichen Aktienkurs der vergangenen drei Monate liege damit bei 50,7 Prozent, hieß es bei Aixtron. Die Angebotsfrist könne voraussichtlich im Juli beginnen, damit das Geschäft im laufenden Jahr abgeschlossen werden kann. Voraussetzung ist allerdings, dass die Aufsichtsbehörden zustimmen und mindestens 60 Prozent der Aktien den Besitzer wechseln. Rechts- und Firmensitz sollen in Herzogenrath bleiben.

Hört man sich in der Region um, dann sind die Stimmen zu dieser geplanten Übernahme durchweg positiv. Herzogenraths Bürgermeister Christoph von den Driesch freut selbstverständlich vor allem, dass der Aixtron-Standort Herzogenrath sowohl als Sitz als auch mit dem firmeneigenen Technologiezentrum erhalten bleiben soll. Denn genau das hat der chinesische Fonds zugesichert. „Ich verbinde mit dieser Nachricht die Hoffnung, dass die innovativen Produkte von Aixtron auf dem wachsenden chinesischen Markt eine Stärkung erfahren und dies auch zur Arbeitsplatzsicherung bei uns beiträgt“, sagt von den Driesch gegenüber unserer Zeitung. Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Aachen, schlägt den Bogen zur starken Zunahme chinesischer Direktinvestitionen in unserer Region, die er beobachtet hat.

Mit den richtigen Partnern würden dabei die Vorteile überwiegen, sagt er. „Hier bei uns entsteht die Technologie. In der Folge investieren die Chinesen in die deutschen Betriebe, etwa durch den Ausbau von Forschungs- und Entwicklungszentren, aber auch in Logistik. Wir verzeichnen außerdem ein großes Interesse chinesischer Unternehmen an der Zusammenarbeit mit unseren Hochschulinstituten und Betrieben. Das alles schlägt sich auch in sicheren und zusätzlichen Arbeitsplätzen in unserer Region nieder.“

Die Jobs stehen naturgemäß auch bei Achim Schyns, dem 1. Bevollmächtigten der IG Metall in Aachen, im Fokus. Die Gewerkschaft hat die Verwerfungen bei Aixtron in den letzten Jahren intensiv beobachtet. „Positiv“ wertet Schyns das Angebot aus China, denn man habe es ja mit einem strategischen Partner und nicht mit einem nur auf Profit orientierten Hedgefonds zu tun. Die Zusage des potenziellen Investors, kein Personal abbauen zu wollen, verbindet der Gewerkschafter mit einem Versprechen: „Wir werden ihn da beim Wort nehmen.“ Zhendong Liu lässt sich am Mittwoch sogar so zitieren: „Nachhaltiges Wachstum wird zu einem Ausbau der Belegschaft bei Aixtron führen.“

Was sich Aixtron von dem Investor erhofft, liegt auf der Hand: Das Unternehmen erwirtschaftet rund 60 Prozent seines Umsatzes in Asien und leidet seit Jahren unter dem Preisdruck der asiatischen Konkurrenz. Zuletzt hatte der chinesische Großkunde San‘nan für eine Hiobsbotschaft gesorgt, als er einen Auftrag kräftig zusammenstrich. „Mit Fujian Grand Chip Investment haben wir einen Partner gefunden, der uns einen lokalen Marktzugang bietet und damit unsere Geschäftsziele in Asien unterstützt“, sagt Aixtron-Aufsichtsratschef Kim Schindelhauer. FGC also als Türöffner? „Die Transaktion gibt uns eine langfristige Perspektive, unsere Ziele auf allen unseren Technologiefeldern zu erreichen“, sagt Vorstandschef Martin Goetzeler, der wie der operative Geschäftsführer Bernd Schulte im Amt bleiben soll.

Bedeutet: Das frische Geld soll die weiteren Investitionen in Forschung und Entwicklung sichern, um neue Produkte und Technologien in den Markt bringen zu können. Das Angebot komme „zur richtigen Zeit“.

Ob es Alternativen gegeben hätte? Schindelhauer beantwortet diese Frage gegenüber unserer Zeitung so: „Aixtron schreibt nach wie vor Verluste, das ist auf Dauer nicht durchzuhalten. Das Unternehmen muss wieder profitabel werden, ein ,Weiter so‘ kann es nicht geben. Die Alternative wäre gewesen, die Kosten weiter zu senken.

Für Aixtron ist es da besser, sich einen finanzstarken Investor ins Haus zu holen, der einen langen Atem hat.“ Deshalb also FGC. Ein Kauf durch den größten Konkurrenten Veeco aus den USA, über den Analysten immer wieder spekuliert hatten, war da wohl keine Option — ganz abgesehen davon, dass die Kartellwächter den wohl nicht akzeptieren würden.

Nun müssen sich also die Aixtron-Aktionäre positionieren. „Ich würde es sehr begrüßen, wenn sie die große Chance erkennen, die dieses sehr gute Angebot bietet — auch für die Mitarbeiter“, sagt Schindelhauer. Einen ersten Eindruck von der Stimmung wird er schon am Mittwoch bekommen; der Herzogenrather Maschinenbauer hat für diesen Tag zur Hauptversammlung nach Aachen geladen. An der Börse hat das Angebot aus China bereits Wirkung gezeigt: Die Aixtron-Aktien sprangen um 16,21 Prozent auf 5,563 Euro hoch.