1. Wirtschaft

Aachen: Baustelle Europa: „Die Politik muss endlich liefern“

Aachen : Baustelle Europa: „Die Politik muss endlich liefern“

Die Probleme hören ja nie auf: Da hatte Europa schon geglaubt, die Euro-, oder besser: Schuldenkrise im Großen und Ganzen bewältigt zu haben (die abstrakten ökonomischen Daten deuten jedenfalls zart darauf hin), da hauen Brexit und gerade noch abgewendeter Frexit kräftig ins Kontor.

Die europäische Währungsunion bleibt eine Baustelle, und Frankreichs neuer Staatspräsident Emmanuel Macron hat die Debatte mit seinen Vorschlägen (Berufung eines Finanzministers der Euro-Zone, Aufstellung eines gemeinsamen Haushalts) gerade noch mal weiter befeuert.

Der Euro als Anker für Europa — kann die Gemeinschaftswährung das weiter leisten? Die Fliehkräfte bleiben jedenfalls groß, bestätigte Joachim Wuermeling, seit November 2016 Mitglied im Vorstand der Deutschen Bundesbank, bei seinem Vortrag in der Zentrale der Aachener Bank im Rahmenprogramm der Karlspreisverleihung. Und er zitierte auch gleich den Preisträger, den britischen Historiker Timothy Garton Ash: „Der Euro überlebt, aber wo sind die Europäer?“

Wuermelings zentrales Argument im Geiste Garton Ashs: Wenn die Politik eine Währungsunion will, dann reiche es nicht, die Bedingungen und Regeln dafür zu definieren, sie müsse auch dafür sorgen, dass sie eingehalten werden. Die Notenbanken mit der EZB an der Spitze seien lange genug — eigentlich: zu lange — in die genuin politische Funktion eines Stabilisators für die europäische Union gedrängt worden.

Wuermelings Bilanz: Die geldpolitischen Maßnahmen der EZB zeitigten Erfolge — wobei er die Kritik seines Hauses vor allem an der Tatsache, dass die Notenbanken durch die massiven Anleihenkäufe zum größten Gläubiger der Staaten des Eurosystems geworden seien, nicht unerwähnt ließ. Doch die Politik habe die dadurch gewonnene Zeit nicht genutzt, um grundlegende Reformen und Maßnahmen zum Abbau der riesigen Schuldenberge in die Wege zu leiten und umzusetzen.

Dies müsse nun endlich geschehen, forderte Wuermeling. „Die Politik muss endlich liefern.“ Notwendig seien Reformen auf nationaler und europäischer Ebene. Er betonte den Primat der Politik, der aber zugleich auch Verpflichtung sei. Konkreter Vorschlag: eine politisch unabhängige Institution zur Überwachung der Schuldenpolitik der Mitgliedsstaaten.