„Pacific Garbage Screening“ : Aachener Müllsammelschiff auf Flussfahrt
Aachen Der Aachener Verein „Pacific Garbage Screening“ (PGS) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Ozeane von Plastikmüll zu befreien. Mit neuer Technik und künstlicher Intelligenz will das Team nun verhindern, dass der Müll überhaupt so weit kommt.
Als Marcella Hansch 2013 eine Idee hatte, wie man eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit lösen könnte, war das Medieninteresse riesig. Sie entwickelte ein Konzept für eine 400 mal 400 Meter-große schwimmende Plattform, die Plastik auf den Ozeanen einsammelt. Seitdem ist viel passiert: Die Idee hat sich weiterentwickelt und Marcella hat 2016 den Verein „Pacific Garbage Screening“ (PGS) gegründet, der mittlerweile 800 Fördermitglieder hat. Sie hat Unterstützer, Wissenschaftler und Unternehmen aus unterschiedlichen Bereichen als Mitstreiter gewonnen. PGS hat heute mehr als 20 feste und ehrenamtliche Mitarbeiter. Hansch ist noch immer Vorstandsvorsitzende des Vereins.
Das Problem ist aber dasselbe geblieben: Schätzungsweise elf Millionen Tonnen Plastik gelangen Jahr für Jahr in unsere Ozeane – das entspricht einem ganzen Mülltransporter voll Plastik pro Minute. „Wenn sich nichts ändert, könnte die Menge an Plastikmüll, die jährlich in unsere Meere gelangt, bis 2040 auf fast 30 Millionen Tonnen ansteigen“, erklärt PGS-Forschungsleiter Tilman Flöhr.
Während ihrer Arbeit ist das Team außerdem auf ein weiteres Problem gestoßen. Es stelle sich heraus, dass es vielen Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen schaden kann, wenn man den Plastikmüll aus dem Meer holt. Sie siedeln sich an dem lange im Wasser schwimmenden Plastik an. PGS hat den Fokus daher seit Ende 2018 auf die Flüsse gelegt. „Unser Plan, die Ozeane vor Plastikmüll zu schützen, ist nach wie vor da“, erklärt der promovierte Biologe. „Jetzt wollen wir das Plastik aber bereits in den Flüssen abfangen, bevor es in die Meere gelangt.“
Da Flüsse aber andere Strömungsbedingungen aufweisen als das offene Meer, können sie das Ursprungskonzept nicht einfach übertragen. „Die neue Plattform wird kleiner“, so Flöhr. „Dadurch können wir auf die Gegebenheiten verschiedener Flüsse flexibel reagieren.“ PGS möchte einen Prototyp der neuen Plattform noch in diesem Jahr testen.
Parallel dazu hat „Pacific Garbage Screening“ ein hochtechnisiertes Müllsammelboot mit dem Namen CollectiX in Zusammenarbeit mit einem Industriepartner und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz entwickelt. Der schmale und intelligente Müllsammler soll vor allem in kleineren Flüssen und Kanälen eingesetzt werden. Mit fast drei Tonnen Ladevolumen ist das Boot auf das Sammeln von größeren Müllteppichen ausgelegt. Sensoren, Drohnen und künstliche Intelligenz ermitteln Ansammlungen von Müll und deren genaue Zusammensetzung hinsichtlich Menge und Art. Dies liefert nicht nur wertvolle Daten über die Verunreinigung der Gewässer. Das Forschungsteam verspricht sich davon auch, die Verursacher identifizieren zu können.
„Vor einigen Wochen erhielten wir einen Hilferuf aus der Slowakei“, erzählt Tilman Flöhr. „Man suchte nach Lösungen, um gegen die hohen Mengen an Plastikmüll in verschiedenen Flüssen vorzugehen – unter anderem im Hron, einem Nebenfluss der Donau.“ Im August machten sie sich auf den Weg und räumten mit CollectiX auf. Zusätzlich lieferte der Einsatz wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Bootes. „Wir haben vor Ort etwa 15 bis 20 Tonnen Abfall, Holz, Autoreifen und Kühlschränke gesammelt“, so Flöhr. „Circa ein Drittel des Mülls war Plastik. Unser Ziel ist es, bald zurückzukehren und das Boot langfristig im Einsatz zu haben.“
Der Müll wurde lokal verwertet, denn Recycling ist ein weiteres wichtiges Thema für die Aachener Umweltschützer. „Da es sehr viele verschiedene Arten von Kunststoffen gibt, kann es nicht die eine richtige Lösung für den abgeschöpften Plastikmüll geben“, erklärt der Biologe. „Zusammen mit Partnern forschen wir aber an Recycling- und Verwertungsverfahren für den gesammelten Müll.“
Vor wenigen Monaten startete das EU-Forschungsprojekt „Mix-up“, das von der RWTH Aachen koordiniert wird und an dem sich PGS beteiligt. Wissenschaftler aus Europa und China suchen hier nach Möglichkeiten, Kunststoffabfälle mittels Enzyme und Bakterien abzubauen und in neue umweltschonendere Wertstoffe umzuwandeln. Für neues Plastik müsste so kein weiteres, umweltschädliches Erdöl gefördert werden.Der neue Rohstoff entsteht dann aus altem Plastik.
„Wir müssen nicht nur verhindern, dass Plastik zunehmend in unsere Umwelt gelangt“, resümiert Tilman Flöhr. „Ebenso wichtig ist es, Kunststoffe grundlegend sparsamer und nachhaltiger zu verwenden, Müll zu vermeiden und wiederzuverwerten. Wir müssen alle Teil der Lösung sein!“