Aachen : 30 Jahre RWTH-Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
Aachen Wer ein 30-jähriges Jubiläum feiert, darf sich auch mal einen Abend lang zurücklehnen, den Anlass genießen, ein Blick auf die Vergangenheit werfen und einen Moment lang stolz sein. Prof. Thomas Kittsteiner hat genau das am Mittwochabend mit Kolleginnen, Kollegen und Gästen getan.
Doch der Dekan der RWTH-Fakultät für Wirtschaftswissenschaften nahm das Jubiläum des Fachbereichs auch zum Anlass für eine kritische Reflexion. „So ein feierlicher Rahmen ist ein guter Punkt um festzuhalten, was wir eigentlich bislang erreicht haben, wo wir stehen und wohin wir wollen“, sagte er.
So alt wie die RWTH selbst
Wer die Bedeutung der RWTH-Fakultät für Wirtschaftswissenschaften verstehen möchte, der muss zwangsläufig zunächst einmal in den Rückspiegel schauen. Und dabei wird eines ziemlich schnell deutlich: 30 Jahre sind eine maßlose Untertreibung. Denn die Geschichte der Wirtschaftswissenschaften in Aachen ist genau so alt wie die RWTH selbst. „Bereits 1870 wurden erste volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Lehrangebote geschaffen“, sagt Prof. Paul Thomes. „Schon bei der Gründung der RWTH wusste man, dass sich technische und wirtschaftswissenschaftliche Inhalte ergänzen müssen.“ Thomes war von 2011 bis 2015 Studiendekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, seit 21 Jahren ist der Wirtschaftshistoriker der RWTH bereits treu. Kein zweiter kennt die Geschichte der Fakultät so gut wie er. In den vergangenen Wochen hat er auf 90 Seiten die Historie der Fakultät aufgearbeitet. Sein Ergebnis heute: „Die Wirtschaftswissenschaften sind in den vergangenen 30 Jahren endgültig in der RWTH angekommen.“
Das war zumindest von Beginn an nicht direkt der Fall. Denn wie andere Fakultäten auch, liefen die Wirtschaftswissenschaften Jahre lang unter dem Dach der Philosophischen Fakultät. Erst 1986 wurde die Möglichkeit geschaffen, sich eigenständig als Fakultät zu positionieren. „Seit diesem Tag hat sich die Fakultät eindrucksvoll entwickelt“, sagt Thomes.
Ein Blick auf die Zahlen unterstreicht das durchaus: Gab es 1986 zum Start nur fünf Professuren, so sind es heute mehr als 30. Rund 490 Personen sind inzwischen an der Fakultät beschäftigt, die im Verbund mit dem Wirtschaftsingenieurwesen insgesamt 7000 Studenten zählt. „In den vergangenen 30 Jahren ist viel passiert, aber das gilt auch für die vergangenen fünf, sechs Jahre“, sagt Kittsteiner, der seit sieben Jahren an der Fakultät beschäftigt ist. Das, was der Dekan meint, sind die strukturellen Veränderungen im Zuge der Exzellenzinitiative. „Auch auf Druck der Hochschule haben wir uns neu aufgestellt“, sagt Kittsteiner.
„Manchmal braucht es diesen externen Anstoß.“ So wurde im Rahmen der Exzellenzstrategie eine stärkere Profilierung interdisziplinärer Kooperationen als Ziel gesetzt. Das Ergebnis: das Projekthaus Interdisciplinary Management Factory (IMF), aus dem vier sogenannte fachübergreifende Research Areas entstanden sind. Auch die Andockung an die Wirtschaftsregion mit ihren Unternehmen und ihrer bunten Start-up-Szene wurde zuletzt gefestigt. „Es gehört zu unserem Leitbild, unser Wissen an die Wirtschaftsregion weiterzugeben“, sagt Kittsteiner. „Dazu gehört auch, dass wir die Veränderungen im Zuge der Industrie 4.0 in der Region aktiv mitgestalten wollen.“
Ambitioniertes Ziel
Die Rolle inmitten einer wachsenden Wirtschaftsregion ist das eine, die internationale Positionierung das andere: Bei einer Hochschule, die das Etikett „Elite-Uni“ nach außen trägt, verwundert es nicht, wenn auch die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften ambitionierte Ziele formuliert. „Wir wollen auch international Standards setzen und uns daran messen lassen“, sagt Kittsteiner.
Bei der Realisierung dieses Ziels ist man auf einem guten Weg: Als einer der wenigen deutschen Fakultäten wurde die Aachener Fakultät zuletzt zum zweiten Mal in Folge in die Association to Advance Collegiate Schools of Business (AACSB) akkreditiert, sozusagen das wichtigste Gütesiegel für Business Schools. Gut möglich also, dass man im Rahmen der nächsten Jubiläumsfeier erneut eine kritische Reflexion vornimmt und zu dem Ergebnis gelangt, auch international endgültig angekommen zu sein.
Post-Chef Appel gratuliert und unterstreicht die Bedeutung der Digitalisierung
Vor zehn Jahren hat die Deutsche Post AG der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften den „Deutsche Post Lehrstuhl für Optimierung von Distributionsnetzwerken“ gestiftet. Den 30-jährigen Geburtstag nutzte Post-Chef Frank Appel, um persönlich zum Jubiläum zu gratulieren. In seiner Festrede unterstrich er, dass Wachstum nur durch Digitalisierung möglich sei: „Jahrzehnte lang hat die Globalisierung für Wachstum gesorgt, doch das ist jetzt vorbei. Wir sollten uns nun auf die Digitalisierung konzentrieren“, sagte Appel.
Der Post-Chef appellierte, die Digitalisierung „als historische Chance“ zu begreifen. „Statt über Vorteile zu sprechen, behaupten Kritiker, dass durch Digitalisierung Arbeitsplätze verloren gingen. Dass aber zum Beispiel der Kraftfahrer, der um seine Rente fürchtet, durch teilautomatisierte Fahrzeuge länger und vor allem ohne größere Anstrengungen arbeiten kann, um seine Rente so zu sichern, wird gerne übersehen. Fakt ist: Die Digitalisierung wird uns allen das Leben erleichtern“, sagte Appel.