Aachen: Wenn Das Studium zur Belastung wird

Aachen : Wenn Das Studium zur Belastung wird

Das Studium ist die aufregendste Zeit im Leben, heißt es: Morgens ausschlafen, bis spät in die Nacht mit Kommilitonen auf Unipartys tanzen und auch wirklich nur das Lernen, worauf man Lust hat — schließlich hat man sein Studienfach selbst ausgewählt und den Stundenplan, zumindest in einigen Fächern, eigenhändig gebastelt.

Dass die Zeit im jungen Erwachsenenalter zwischen Partys und Abgabefristen aber nicht nur von Freiheit und Euphorie geprägt ist, hat der diesjährige Barmer-Arztreport eindrücklich gezeigt: Demnach ist jeder vierte Student von einer psychischen Erkrankung betroffen. Selbstzweifel, Überforderung und Leistungsdruck bis hin zu Depressionen und Angststörungen gehören bei immer mehr Studenten genauso zum Alltag wie Lernen, Hausarbeiten schreiben und Klausurenphasen. Die RWTH und die FH Aachen bieten deshalb Beratungsangebote an, die den Studenten helfen sollen, sich im Lernalltag zu organisieren und sich bei schwerwiegenden psychischen Problemen rechtzeitig professionelle Hilfe zu holen.

Hemmschwelle niedrig, Druck groß

Die Nachfrage nach solchen Angeboten ist groß, weiß Diplom-Psychologin Kerstin Platt von der Studienberatung der RWTH. Aktuell beträgt die Wartezeit für ein Erstgespräch vier bis fünf Wochen. „Es ist schwer, der Nachfrage gerecht zu werden“, sagt Platt. „Der Bedarf an Beratungsgesprächen steigt.“ Das hat mehrere Gründe: Zum einen sei die Hemmschwelle, Hilfe zu suchen, nicht mehr so groß wie noch vor einigen Jahren, zum anderen seien auch die Erwartungen an die Studenten gestiegen: „Der Druck, im Studium und im Leben erfolgreich sein zu müssen, wächst. Dabei ist das nicht ausschließlich der Druck von außen — viele Studenten haben zu hohe Anforderungen an sich selbst.“

Mit welchen Problemen die Studenten dann in die Beratung kommen, sei aber unterschiedlich: „Es geht um studienbezogene Themen, aber auch um persönliche Sorgen und Ängste“, sagt Platt. Das bestätigt auch Cornelia Balasz, Diplom-Psychologin der Psychosozialen Beratung an der FH. Studenten stellen sich Fragen wie: „Ist das Studium überhaupt das richtige für mich?“, „Soll ich doch lieber etwas anderes machen?“ und „Schaffe ich das alles überhaupt?“. Hinzu kommen Prüfungsangst und das Aufschieben von Hausarbeiten oder Lerneinheiten.

Auf persönlicher Ebene beklagen Studenten oft ihre Kontaktschwierigkeiten, Ärger mit der Familie und Freunden oder die allgemeine Unzufriedenheit mit der Lebenssituation in der neuen Stadt. Sich dann an die Einrichtungen der Hochschulen zu wenden, kann helfen, weiß Balasz: „Wir sind, nach Freunden und Famile, niederschwellige Ansprechpartner. Anders als sie gehen wir aber uneingeschränkt auf die Probleme der Studenten ein.“

In den Gesprächen würden zunächst allgemeine Daten erfasst: Was studieren die jungen Menschen, in welchem Semester und wie alt sind sie. „Daraus geht hervor, dass die meisten zwischen dem dritten und vierten Semester zu uns kommen“, sagt Balasz. „Im ersten Semester ist alles noch ganz neu, im zweiten findet langsam die Eingewöhnung statt.

Wenn es im dritten Semester dann immer noch nicht läuft, suchen die Studenten unsere Hilfe“. In der FH sind das besonders die Studenten der Luft- und Raumfahrtechnik. „Mit 18 Prozent aus diesem Fachbereich ist das die höchste Zulaufquote“, sagt Balasz. Auch nehmen mehr Männer als Frauen die Beratung wahr — das kann aber auch daran liegen, dass proportional mehr Männer als Frauen an der FH studieren.

Nach dem ersten Beratungsgespräch wird gemeinsam überlegt, ob weitere Termine notwendig sind. „Manchmal hilft es den Studenten, dass man ihnen zugehört hat, dann reicht ein Gespräch. Oft sind aber auch vier oder fünf Termine notwendig“, sagt Kerstin Platt von der RWTH. Etwa der Hälfte der Studenten, die zur Beratung kommen, wird eine Therapie empfohlen. Tendenz steigend: „ Der Grad der Belastung nimmt zu“, sagt Platt. Und damit auch die psychischen Krankheiten.

Sucht, Angst und Zwänge

Für ernstere Lebenskrisen und langanhaltende depressive Episoden ist daher das Zentrum für Psychische Gesundheit (ZPG) eine weitere Anlaufstelle. Das Kooperationsprojekt der RWTH und der FH an der Uniklinik nimmt sich der Studenten an, die unter Stimmungsschwankungen, Suchtproblemen, Angstzuständen und Zwängen leiden. Auch stationäre Aufenthalte sind in der Klinik möglich.

Ambulante Therapien werden aber weder vom ZPG noch von den Beratungsstellen der Hochschulen angeboten: „Wir leisten lediglich Hilfestellung und unterstützen die Studenten bei der Suche nach niedergelassenen Therapeuten“, erklärt Balasz. Damit es gar nicht erst soweit kommt, bieten die Hochschulen verschiedene Workshops zu den Themen Stressbewältigung, Prüfungsangst, Motivation und Aufschieben an. Denn eigentlich könnte das Studium die Zeit im Leben sein, in der man ausgelassen ist. Und feiern und ausschlafen kann.