Leserbriefe zur Lütticher Straße : Streit um Verkehrsplanung und Radweg
Meinung Aachen Die Verkehrspolitik in Aachen sorgt seit Jahren für hitzige Diskussionen. Verkehrsdichte, Lütticher Straße und Radwege sind nur drei von vielen Themen, die unsere Leser beschäftigen.
Dirk Tentler nimmt die Verkehrspolitik in Aachen zum Anlass für diesen Leserbrief:
Die vergangenen Jahrzehnte waren verkehrspolitisch in Aachen für Aachener, die sich nicht ausschließlich mit dem Auto bewegen, nur unter Schmerzen zu ertragen. Rückbau der Straßenbahn, Verlegung von Fußgängerwegen in uringetränkte Strecken unter die Straßen und – wenn überhaupt, oft „Planung“ von Fahrradwegen im Schwenkbereich von Autotüren – tatsächlich schmerzhaft für alle, die umweltfreundlich unterwegs sein woll(t)en.
Ein zaghaftes Umdenken in Richtung klimatechnisch notwendiger Verkehrswende wandelt die Infrastruktur, welche in den vergangenen Jahrzehnten mit Fokus auf das Auto zementiert wurde, nicht in eine Struktur für alle Verkehrsteilnehmer. Klimatechnisch muss nun der Fokus auf die umweltfreundlichen Verkehrsteilnehmer gelegt werden. „Luftreinhalteplan“, „Lärmschutz“, „Sicherheit“, es ist nicht nur der Klimawandel, der zeigt, dass es mit der automobilzentrierten Sicht nicht weitergeht.
Der Aufschrei der Autolobby ist erwartungsgemäß groß und hat Tradition – im Nachhinein ist auch die Geschäftswelt oft mehr als zufrieden mit den Umgestaltungen. Gegen Fußgängerzonen wurde sich auch mit „Händen und Füßen“ gewehrt.
Gerechter muss der begrenzte öffentliche Platz neu aufgeteilt werden.
Alle Aachener müssen lernen, Kompromisse zu machen – das ist als Autofahrer natürlich schwer, das kann man aber lernen. Auch wenn es für die ausschließlich mit dem Auto fahrenden Aachener vielleicht auch hier und da mal schmerzhaft sein wird.
Zum Thema „Suche nach dem Königsweg dauert an“ schreibt Udo Herforth:
Ich möchte ein Thema aus dem Artikel aufgreifen, welches von den Grünen und ihrer Expertin Frau Wenzel in die Diskussion eingeführt wurde, nämlich die Einführung einer Anwohnerparkzone. Dieses Ansinnen sollte man so schnell wie möglich vom Tisch kehren, denn ein solch kleinkariertes Ansinnen löst die Probleme des gesamten Bereiches nicht.
Vor nicht allzu langer Zeit wurde beschlossen, in der Schillerstraße eine Anwohnerparkzone einzurichten, ohne darüber nachzudenken, welche Konsequenzen dies für den Bereich Körnerstraße, Hohenstaufenallee usw. hat. Jetzt denkt man darüber nach, wie oben beschrieben, auch für diesen kleinteiligen Bereich eine Anwohnerparkzone einzurichten.
Es ist nicht zu glauben. Ist denn keiner in der Lage, mal großräumiger zu denken und den gesamten angesprochenen Bereich zu überprüfen.
Ich habe schon vor sechs oder sieben Jahren den Antrag auf Anwohnerparkzone gestellt, bisher ist niemand darauf eingegangen. Jetzt auf einmal sprudelt es aus allen Ecken, ohne dass mein Antrag in irgendeiner Form berücksichtigt wird.
Also, Frau Wenzel, keine kleinkarierten Entscheidungen, sondern eine Lösung die Nachhaltigkeit verspricht.
Eberhard Burlet schreibt zu den Plänen der Grünen:
Endlich: Der Cruiserverkehr rund um den Büchel kommt weg! Endlich: Das Parken zulasten von Fußgängern und dem (noch) fließenden Verkehr durch überlange Fahrzeuge in zu kurzen Parkbuchten kommt weg! Endlich: Die Innenstadt bekommt mehr Aufenthaltsqualität!
Genau! Grabenring gesperrt für den Durchgangsverkehr und Alleenring mit mehr Fahrradwegen (auf dem Platz des Kfz-Verkehrs). Erinnert mich an die Weissagung von Frau Nacken: Die Ringe schaffen das! Hoffen wir mal, dass auch hier der Glaube helfen wird. Blöd auch, dass am Grabenring Parkhäuser liegen ...
Genau! Unser aller Ausbildung „erst blinken, dann bremsen!“ war falsch. Richtig ist: Zuerst Parkraum vernichten und dann eventuell Quartiersparkhäuser schaffen. Die natürlich nicht nötig werden, weil ja dann alle mit dem Radel fahren … die aber auch irgendwo parken und laden müssen. Die Schlussfolgerung: Demnächst werden sich nur extrem Reiche Parkraum leisten können … Ach ja, die Normalos können doch mit dem ÖPNV und dem Radel alles erledigen. Das drängende Problem bei der Erschließung der Büchel-Region „Was wird mit dem Puff?“ wird nicht erwähnt.
Zum geplanten „Fahrhaus“ im ehemaligen Lust for Life schreibt Stefan Schulz:
Es hat schon etwas von Schilda. Da gibt es Projekte, die ein seit nun mehr fünf Jahren zum großen Teil leer stehendes Gebäude temporär wieder beleben wollen und eine Idee, die nicht nur die Bürger erfreuen sollte, sondern ganz bestimmt auch die Stadtoberen. Was wird damit gemacht? Wir legen es in die Schublade und warten, bis sich keiner mehr daran erinnert.
Das „Fahrhaus“ soll die Pakete und andere Liefergüter, die bislang mit Transportern oder Pkw in die Innenstadt geliefert werden, aus dem Lust-for-Life-Gebäude mittels E-Bike oder auch E-Mobilen an die Kunden ausliefern. Dies, so die Idee, soll nicht nur den Verkehr entlasten, sondern auch der Umwelt durch weniger CO2-Ausstoß zugute kommen. Die Idee ist gut, das Konzept steht, die Unternehmen, die dies gemeinsam durchführen, gibt es auch – und nun?
Da fehlt doch was. Ja genau, es fehlt ein Gutachten zur Lärmemission. Klar fehlt das, denn wo Fahrräder mit E-Motor fahren, entsteht jede Menge Lärm. Die E-Bikes machen so wenig Lärm, dass die Fußgänger sie gar nicht hören und die Biker durch Klingeln auf sich aufmerksam machen müssen. Ich bin nicht nur enttäuscht von so viel Ignoranz und Uneinsichtigkeit. Aber es geht noch schlimmer, einer, der mit in diesem Boot „Fahrhaus“ ist, ist das Logistikunternehmen Hammer. Und wer glaubt, dass ein solches Unternehmen sich an solch’ einer Unternehmung beteiligt, wo nur Skizzen von existieren, der glaubt auch noch an den Weihnachtsmann.
Zur Innenstadtentwicklung schreibt Hans Günther Zitz:
Ohne Autos und ihre Insassen wird die Stadt nicht nur sauberer, sondern auch zur Geisterstadt, in der sich die Natur, sprich Grünzeugs aller Art, ungehindert ausbreiten kann. Vielleicht gibt es dann Expeditionen in die verlassene Ruinenstadt Karls des Großen.
Kurt Thome schreibt zu den E-Rollern:
Positiv ist, dass Aachen uns nicht so mit E-Rollern überflutet, wie in Köln zu beobachten ist. Dort liegen sie gefährdend herum, vor allem genutzt im Abend- und Wochenendbereich, gerne betrunken oder zu zweit. Auch hier stehen und liegen sie auf Rad-/Gehwegen, zum Beispiel zwischen Westfriedhof und Kullen. Man darf gespannt sein, wer die Regressansprüche befrieden muss, wenn der erste Senior darüber mit Oberschenkelhalsbruch stürzt oder Radfahrer des Abends mit Schädelfraktur: Stadt, User, Anbieter, alle gesamtschuldnerisch?
Auch generell muss man beim Thema E-Roller skeptisch sein: In der Kombi von kleinen Rädern, tiefem Brettschwerpunkt und hohem Körperschwerpunkt instabil, führen sie in Gefahrensituationen früher zu Abflügen und schwereren Verletzungen als bei Rädern. Sie nehmen am fließenden Verkehr teil, ohne blinken zu müssen – ein Anachronismus. Sie sind der Elektroschrott von morgen und ersetzen auch nicht Pkw – die Legende der letzten Meile ist reines Greenwashing.
Denkbar wäre dagegen, für diese Strecken – klingt verrückt – das normale Fahrrad oder gar die eigenen Füße zu benutzen.
Ralph Panstruga schreibt zur autofreien Innenstadt:
Falsche Behauptungen werden bekanntermaßen nicht dadurch wahrer, dass sie mantrahaft wiederholt werden. Regelmäßig wird in Leserbriefen dieser Zeitung vorgebracht, eine schlechte Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Pkw würde zu einer Verödung der Innenstadt führen.
De facto fand der Niedergang der Aachener City mit zahlreichen Geschäftsschließungen in den letzten 10 bis 20 Jahren trotz uneingeschränkter Erreichbarkeit mit dem Auto und umfangreicher Parkmöglichkeiten statt. Die wahren Gründe für diesen Wandel sind doch vielmehr eine veränderte Einkaufskultur (weitflächiger Trend zum Online-Shopping), ein verändertes Konsumverhalten (hin zu mehr Nachhaltigkeit – „weniger ist mehr“), und nicht zuletzt eine eher dürftige Entwicklung der Innenstadt während der letzten beiden Dekaden.
Dass die Gleichung „eingeschränkte Pkw-Erreichbarkeit = weniger Umsatz = Geschäftesterben“ eine Milchmädchenrechnung ist, sieht man schon beim Blick auf unsere niederländische Nachbarstadt Maastricht, um nur ein Beispiel zu nennen. Würde die zuvor genannte Rechnung stimmen, müsste Maastricht mit seiner autofreien Innenstadt längst einem verlassenen Dorf gleichen. Das Gegenteil ist bekanntermaßen der Fall, denn Angebot und Ambiente zählen wohl doch mehr als die unbedingte Erreichbarkeit der Ladentheke mit der Blechkarosse. Möglich könnte dies auch in Aachen mit seiner historischen Altstadt sein, wenn die City autofrei wäre, einen richtig attraktiven Mix aus Shopping, Unterhaltung und Gastronomie bieten würde und über ein wirklich gut ausgebautes P&R-System mit dem öffentlichen Nahverkehr aus allen Richtungen bequem erreichbar wäre.
Gerd Scholz schreibt zum Umbau Lütticher Straße:
Vom Grundhaus bis zur Kreuzung Limburger Straße gibt es keine ausgezeichneten Radwege. Vom Grundhaus Richtung Stadt darf man den Fußweg benutzen und kurz vor der Kreuzung Limburger Straße gibt ca. 50 Meter Radweg, der mit dem Zeichen 240 ausgezeichnet ist und benutzt werden muss.
Auch wenn es den Anschein macht (rotes Pflaster, Markierungen an Kreuzungen): Wer auf der Lütticher Straße nicht auf der Straße fährt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Wer die 50 Meter vor der Ampel Limburger Straße auf der Lütticher Straße fährt, ist in der gleichen Falle.
Fährt man allerdings vorschriftsmäßig auf der Straße, darf man sich nicht von hupenden Autofahrern irritieren lassen. Manche überholenden Zeitgenossen weisen einen sehr engagiert durch das geöffnete Seitenfenster auf den vermeintlichen Radweg hin.
Auch der in Artikeln und Leserbriefen als Radweg bezeichnete (und zeitweise auch ausgezeichnete) Trampelpfad ist aus Radfahrersicht nicht als solcher benutzbar. Vielleicht sollte er zukünftig als Protected-Gassi-Lane ausgewiesen werden.
Jahrzehntelanges konsequentes und dauerhaftes Parken unter Alleebäumen kann nur zu Schäden an den Pflanzen führen. Insofern ist das Fällen nur Ausdruck dessen, was wir in der Vergangenheit kaputtgeparkt haben.
Allerding trifft man mit dem Wegfall von Parkplätzen an dieser Stelle eventuell auch die Falschen: Es soll Menschen geben, die sich vorbildlich ihr eigenes Park&Ride-Systeme eingerichtet haben: von Belgien mit dem Pkw nach Aachen und an der Lütticher Straße in den ÖPNV umsteigen. Eine Entlastung bei Verkehrsaufkommen und Parkdruck auf der Lütticher Straße könnte daher auch in der Bereitstellung von passenden Park&Ride-Flächen mit Anschluss an den ÖPNV sein.