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Ein Jahr DFB-Präsident Bernd Neuendorf: Trainer eines Abstiegskandidaten

Ein Jahr DFB-Präsident Bernd Neuendorf : Trainer eines Abstiegskandidaten

Seit einem Jahr leitet Bernd Neuendorf den weltgrößten Sportverband. Der Sound hat sich geändert, aber mit der Vergangenheit bricht der Dürener nicht.

Besser hätte die Ausgangslage nicht sein können. Als Bernd Neuendorf vor einem Jahr Präsident des DFB wurde, war der Ruf des Ladens restlos ramponiert, Steuerfahnder und Staatsanwälte begegneten sich regelmäßig in der Drehtür der Zentrale, die zu einem ziemlichen Intrigenstadl verkommen war. Das Publikum hatte sich längst abgewendet. Nach dem Skandal war beim weltgrößten Verband gleich immer auch vor dem Skandal.

Neuendorf war wie der neue Trainer eines abgeschlagenen Tabellenletzten, der bei seiner ersten Pressekonferenz zuversichtlich verkündete: „Es kann nur besser werden.“

Tatsächlich ist mit dem Dürener ein neuer Sound beim DFB eingezogen. Neuendorf hat ein anderes Naturell als seine selbstgewissen Vorgänger Theo Zwanziger, Reinhard Grindel, Fritz Keller oder Rainer Koch, die immer den Eindruck vermittelten, was für ein unfassbares Glück der Verband habe, von solchen Koryphäen gelenkt zu werden. Mit prallem Selbstbewusstsein ging es dann primär um den eigenen Machterhalt. Insofern ist der eher bedächtig auftretende Neuendorf ein überfälliger Gegenentwurf. Teamarbeit statt Testosteron. Der Mann, der stets die Lesebrille auf seiner Glatze trägt, als wären da noch zwei zusätzliche Augen, stand für ein neue Transparenz.

Der frühere Journalist, einst als Staatssekretär auch für den Sport in der NRW-Landesregierung zuständig, neigt zur Selbstkritik, was ihn von den letzten Amtsinhabern angenehm unterscheidet. Die schlecht gemanagte unruhestiftende Debatte, mit welcher Armbinde der deutsche Kapitän bei der WM aufläuft, geht auch auf sein Konto. Solche Themen können nicht auf dem Spielfeld gelöst, sondern müssen vorab geklärt werden. Es wäre Aufgabe des Präsidenten und seines inzwischen geschassten Sportdirektors gewesen, das geschickter zu moderieren.

Neuendorf ist vor einem Jahr mit großer Mehrheit gewählt worden. Er hat in den vergangenen Monaten häufig klargestellt, dass der neue DFB nichts mehr zu tun habe mit dem alten DFB, den Razzien und Intrigen geprägt hatten. Eine Hauptrolle hat in all den Jahren der ewige Strippenzieher Rainer Koch gespielt. Der langjährige Vizepräsident hat auch entscheidend zu Neuendorfs Inthronisation beigetragen. Aufgearbeitet hat Neuendorf die Skandal-Ära nicht, obwohl die Folgen bis heute spürbar sind: Der Etat ist mit 30 Millionen Euro im Minus, es drohen weitere Rückzahlungen, wenn die Gemeinnützigkeit für weitere Jahre aberkannt wird, die Staatsanwaltschaft schaut gerade nach, ob Vorstandsmitglieder jahrelang Sozialversicherungsbeiträge der Rentenversicherung vorenthalten haben. Die abstrusen Berater- und Finanzaffären hallen weiter nach. Das alles gehört zum vergifteten Erbe, das Neuendorf übernommen hat. Aber eine entschiedene Aufarbeitung ist auch nach einem Jahr im Amt nicht erkennbar. Der Mut fehlt.

Und das gilt auch für die Besetzung des Beratergremiums, das Neuendorf nach dem WM-Debakel zusammengespannt hat. Im Männerbund tauchen wieder die alten Platzhirsche auf, die den deutschen Fußball seit Jahrzehnten prägen. Inhaltlich sind da keine neuen Akzente zu erwarten, für Neuendorf hat die Bestellung des neuen Sportdirektors Rudi Völler allerdings den schönen Nebeneffekt, das der Glanz des Volkshelden auch auf ihn abstrahlt. Dem 61-Jährigen hat das Selbstbewusstsein gefehlt, die ausgelatschten Pfade zu verlassen. In der Sprache der Sportler: In Abstiegsgefahr hat er sich wieder an die Routiniers erinnert.

Der fehlende Mut ist auch beim Umgang mit Fifa-Präsident Gianni Infantino zu beobachten. Neuendorf hatte schon nach der merkwürdigen WM angekündigt, die nächste Amtszeit des hoch umstrittenen Schweizers nicht mehr unterstützen zu wollen. In den letzten Tagen klang das dann wieder sehr viel zurückhaltender. Aber Haltung zeigen und bewahren könnte auch Neuendorf helfen, mehr Profil in seinem neuen Amt zu entwickeln, denn bislang steht er weder für Aufräumen noch für Aufbruch.