Mönchengladbach : Ter Stegen hält alles und schimpft viel
Mönchengladbach Es ist ein Klassiker. Der abgeschlagene Tabellenletzte spielt bei einer Mannschaft, die einen guten einstelligen Tabellenplatz im Visier hat — und der Torwart wird zum überragenden Mann. Er taucht nach unten rechts ab, fliegt nach oben links und pflückt auch noch alle Bälle, die hoch in den Strafraum fliegen. Am Ende stehen dann sieben zum Teil brillante Paraden.
Fürths Schlussmann Wolfgang Hesl übernahm diesen Part am Samstag im Borussia-Park in Mönchengladbach — nicht. Einmal klärte er problemlos gegen Luuk de Jongs mutlosen Kullerball, einmal mit dem Fuß gegen Mike Hanke, das war‘s. Marc-André ter Stegen musste auf der Gegenseite dagegen die Rolle von Borussias Retter übernehmen, am Ende standen sieben Paraden des 20-Jährigen zu Buche.
Verkehrte Fußball-Welt in Mönchengladbach — und das in mehrerlei Hinsicht. Was es zum Spiel zu verkünden gab, erledigte ter Stegen kurz und knapp. „Drei Punkte, mehr ist nicht zu sagen.“ Denn trotz des schwachen Auftritts blieben die Zähler in Mönchengladbach, weil de Jong nach Amin Younes‘ Seitenwechsel und Oscar Wendts Hereingabe seinen rechten Fuß einmal auch perfekt nutzte und zum 1:0-Siegtor traf (74.).
Verkehrte Fußball-Welt: Schon nach fünf Minuten murrten erstmals einige der 50.000 Borussen-Fans ob der planlosen Kickerei. Und als erst ter Stegen und dann auch Wendt mit Gesten ihren Unmut zeigten, musste sich der schwedische Linksverteidiger bei jedem Ballkontakt die Pfiffe einiger Zuschauer anhören. Während Wendt sich in der Pause und nach dem Schlusspfiff mit Gesten und Worten entschuldigte („Ich habe einen Fehler gemacht“), kam der Nationaltorwart gar nicht mehr runter von der Palme: „Ich finde es unverschämt, wenn man einen eigenen Spieler auspfeift, dafür habe ich kein Verständnis. Und das macht mich ein Stück weit traurig.“
Ter Stegen wollte auch keinen Unterschied machen zwischen den Fans in der Nordkurve und den Pfeifern auf der Ostgeraden. Dabei hatten die Stehplatz-Besucher noch die beste Leistung (neben ter Stegen) gezeigt. Sie skandierten immer wieder den Namen von Oscar Wendt und feuerten die Elf trotz der nicht gerade begeisternden Spielweise unentwegt an.
Na klar! Natürlich nicht!
Verkehrte Fußball-Welt. Oder: Die Ansprüche sind gestiegen, zumindest bei einem Teil der Kundschaft. Den Kritikern stellt Trainer Lucien Favre nur eine Frage: „41 Punkte nach 28 Spieltagen. War das geplant in diesem Jahr?“ Der noch vom Vorjahr berauschte Fan sagt: Na klar! Der eher zurückhaltende, realistische Anhänger erwidert: Natürlich nicht!
Es ist ein Jammern auf einem ordentlichen Niveau, wobei das spielerische derzeit niemanden zufriedenstellen kann. Allein Patrick Hermann sorgt mit seiner Schnelligkeit für Gefahr, seine gefühlt siebzehn Schussversuche landeten jedoch am Samstag samt und sonders in der zweiten Etage.
Dass der Auf- und ziemlich sichere auch Wieder-Absteiger kompakt, gut organisiert und frech auftrat, ist richtig. Doch eine Mannschaft, die im kommenden Jahr wieder in der Europa League Erfahrung sammeln möchte, muss einen solchen Gegner nicht nur mit Glück besiegen. Und der Druck, dieses Spiel wg. Europa gewinnen zu müssen, hätte die zwar junge, aber durchaus nicht unerfahrene Mannschaft nicht so in die Knie zwingen dürfen.
Unsichtbarer Juan Arango
Die Partie war der beste Beweis, dass für die Kreativzentrale dringend ein neuer Spieler geholt werden muss. Thorben Marx und Havard Nordtveit sind Mitspieler, aber keine Gestalter. Amin Younes ist (noch) nur ein Talent, Juan Arango derzeit oft unsichtbar. „Es war nicht sein bester Tag“, urteilte Favre. Übersetzt bedeutet die Aussage des Trainers, der nie Spieler explizit kritisiert: „Er war gar nicht auf dem Platz.“ Und als die Fürther Matthias Zimmermann durch eine berechtigte Gelb-Rote Karte verloren hatten (66.), profitierte die Borussia nur beim Treffer von der nun numerischen Überlegenheit.
Dass ausgerechnet der von einigen Fans geschmähte Oscar Wendt die feine Vorlage lieferte, passte zu diesem Tag. Der Schwede, der mit seiner besonnenen Reaktion nach dem Spiel vielen möglichen Schlagzeilen das Potenzial nahm, gab die Losung für die kommenden sechs „Endspiele“ in Stuttgart, gegen Augsburg, in Wolfsburg, gegen Schalke, in Mainz und gegen Meister Bayern aus: „Wenn du alles gibst, erreichst du was!“ Ein bisschen mehr als gegen Fürth darf es dann aber schon sein...