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La Pierre-Saint-Michel: Rippenprellung: Der Kapitän, der vor Schmerzen kaum schläft

La Pierre-Saint-Michel : Rippenprellung: Der Kapitän, der vor Schmerzen kaum schläft

Die Tour de France kann ja so leicht und heiter daher kommen — zumindest manchmal. Vor ein paar Tagen schwebte Dominik Nerz in einer von einem riesigen Kran nach oben gehievten Gondel in 30 Meter Höhe über dem Parkplatz seines Hotels, brutzelte in der fliegenden Küche von Teamsponsor Bora ein Stückchen Rinderfilet und sagte selbstbewusst in einige Mikros: „Ein Platz unter den ersten Zehn in Paris ist mein Traumziel.“

Dann strahlte der zierliche Allgäuer und gönnte sich noch ein Schlückchen Weißwein. Das war am Tag vor dem Start der Tour in Utrecht. Danach zeigte das härteste Rennen dem derzeit besten deutschen Kletterer die Zähne. Lenkerbruch beim Prolog, der 25-Jährige eierte mehr ins Ziel, als er fuhr. Auf der zweiten Etappe blies ihn der Wind in den zweiten Teil des Hauptfeldes, einen Tag später erwischte es das Leichtgewicht bei einem fürchterlichen Massensturz mit Tempo 80.

Seither ähnelt seine geschundene linke Seite tatsächlich Grillfleisch, die Rippenprellung lässt ihn kaum schlafen. „Wenn ich mich umdrehe, kann ich danach vor Schmerz kaum wieder einschlafen“, klagt er. Dafür war es fast ein Wunder, dass der blonde Bergspezialist immerhin noch als 26. mit lediglich 6:28 Minuten Rückstand auf das Gelbe Trikot Mittwoch in die Pyrenäen fuhr.

Für Nerz ist es eine ganz neue Erfahrung — Kapitän, und das mit 25 Jahren. Aber der Blondschopf ist ja schon lange dabei. Von 2008 bis 2010 fuhr er in den Jugendteams von Gerolsteiner und Milram, seit 2010 dann als Vollprofi. 2012 bestritt er als Helfer von Vincenzo Nibali im Trikot des italienischen Team Liquigas seine erste Tour de France, seinen größten Erfolg bei einer großen Rundfahrt feierte er 2013 als 14. der Vuelta in Spanien. Damals startete er für das US-Team BMC.

Jetzt also Bora-Argon 18, das deutsche Zweitliga-Team, das zum zweiten Mal mit einer Wild-Card am Start ist. Der neue deutsche Radsport hat keine Angst davor, von einer Dopingdiskussion geschluckt zu werden. „Der Radsport ist definitiv sauberer geworden und hat seinen Markt in Deutschland“ — davon ist Firmenchef Willi Bruckbauer überzeugt, der früher selbst Rennen fuhr. Zur Sicherheit gibt es eine Ausstiegsklausel ...

Bis jetzt läuft es gut für das junge Team. Von den vier Mannschaften, die mit einer Wild-Card am Start stehen, sind die Bayern die Beste. Und sie präsentierten sich frech, wenn Ausreißergruppen gehen, ist meist ein Bora-Profi dabei. Der Tscheche Jan Barta und Bartosz Huzarski (Polen) trugen für die Mannschaft zwei Tage die rote Startnummer des aktivsten Fahrers. Zudem fährt der erst 22-jährige Emmanuel Buchmann das Trikot des deutschen Profimeisters für Bora über Frankreichs Straßen. Auch für den Ravensburger beginnt die Tour jetzt erst richtig in den Bergen.

Vor allem aber für Dominik Nerz, den mit Abstand am besten positionierten Fahrer aus einem Wild-Card Team bei der Tour. Die Berge sind zwar sein Revier, die klassischen Pässe der Pyrenäen und Alpen aber als Kapitän einer Equipe unter die Pedale zu nehmen, ist doch etwas Neues für ihn. „Ich werde auch noch viel lernen müssen“, vermutet er und korrigierte sein Ziel nach der ersten Woche auf einen Platz unter den ersten 20.

Um den zu erreichen, hat er die Rückendeckung seines Teams und vom Chef gibt es Lob: „Es ist bemerkenswert, dass Dominik trotz der Verletzungen so gut platziert ist“, sagt Team-Manager Ralph Denk, der am Ende hofft, dass sich sein Team wieder so präsentiert, dass es auch 2016 eine Wild-Card für die Tour bekommt. Denn um zu den ganz Großen mit automatischem Startrecht aufzusteigen, fehlt das Geld.

König und sein Aufstieg

Klein kann aber auch ganz schön sexy sein. Vor einem Jahr fuhr der Tscheche Leopold König in Denks Zweitliga-Team, das damals noch Net App Endura hieß, als Siebter der Tour in Paris ein. König war dann natürlich nicht mehr zu halten, wechselte zum Team Sky. Dort darf er jetzt Chris Froome helfen und liegt auf einem Platz jenseits der 100 im Gesamtklassement. Da hat es Dominik Nerz besser — mal schauen, was er daraus macht.