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CHIO Aachen 2022: „Mr. CHIO“ verabschiedet sich nach 29 Jahren

CHIO Aachen 2022 : „Mr. CHIO“ verabschiedet sich nach 29 Jahren

Nach 29 Jahren verabschiedet sich Frank Kemperman in den Ruhestand und übergibt an Birgit Rosenberg und Philip Erbers. Der CHIO-Turnierchef wechselt in den Aufsichtsrat und soll Vizepräsident werden.

Der CHIO Aachen ist auch für Turnierdirektor Frank Kemperman nach knapp 29 Jahren immer noch etwas Besonderes. Doch das Aachener Reitturnier anno 2022 ist noch ein wenig spezieller, denn es ist das letzte unter seiner Führung. Ende September wird der 67-Jährige den Staffelstab endgültig übergeben – an Birgit Rosenberg und Philip Erbers, die sich dann als „Doppelspitze“ die Arbeit im Vorstand des Aachen-Laurensberger Rennvereins (ALRV) teilen werden. Bevor quasi der Staffelstab endgültig übergeben wird, unterhielt sich Helga Raue mit den drei CHIO-Verantwortlichen.

Ist es ein besonderer CHIO oder doch business as usual?

Frank Kemperman: Eigentlich sollte er business as usual sein, aber überall werde ich verabschiedet und erhalte viele Geschenke (lacht), also ist er schon ein besonderer. Über ein Geschenk habe ich mich sehr gefreut, da heißt es an „Mr. CHIO“, dass „wir die WM 2006 gewonnen“ haben. Das ist ein lieber Gruß von Jos Lansink, der 2006 hier Weltmeister wurde.

Birgit Rosenberg: Also ich finde das Turnier diesmal sehr intensiv, Frank ist ein große Teil davon. Zudem hatten wir lange Zeit kein Turnier bzw. 2021 unter Corona-Bedingungen. Das war eine schwierige Zeit, auch für das ganze Team. Dieses Jahr haben wir wieder die alte Atmosphäre zurück. Die war heute überragend auf dem Gelände. Ich versuche für mich, alles aufzusaugen. So habe ich in Situationen, wo es Probleme gab, noch mal genau hingeschaut, wie macht Frank das jetzt, wie löst er die Dinge. Und da war es vielleicht sogar ganz gut, dass so etwas passiert ist wie die Überschwemmung der Albert-Vahle-Halle am ersten Wochenende.

Philip Erbers: (lacht) Und vor allem war ich froh, dass das dieses Jahr passiert ist und nicht nächstes Jahr, somit konnte ich mir den ganzen Ablaufplan schon mal notieren und weiß genau, wen ich anrufen muss, wenn wir noch mal in so eine Situation geraten sollten.

Die Verletzung des Vielseitigkeitspferdes Allstar B, das später eingeschläfert werden musste, zählt ja sicher zu so besonderen Fällen?

Kemperman: Ja, ein besonderer und sehr trauriger Fall. Seit dem Test-Event 2005 richten wir in Aachen die Vielseitigkeit aus, und noch nie ist einem Pferd etwas Ernsthaftes passiert. Allstar B ist wohl gegen das Hindernis geprallt und hat sich vertreten, das war kein Sturz, sondern Pech, ein Unglück. Aber ich war sehr stolz auf unser gesamtes Team mit den Helfern und Ärzten, weil sein Abtransport zur Klinik schnell und professionell ablief. Das haben wir für den Ernstfall oft geprobt, traurig, dass es so kam.

Gab es denn sonst noch irgendwelche Probleme beim Turnier?

Rosenberg: Nein, ansonsten ist alles gut gelaufen. Aber es gibt immer so viele kleine Dinge, die zu regeln sind. Und da ist es ein Vorteil, Frank über die Schulter zu schauen.

Erbers: Für mich ist das besonders wichtig. Ich verfolge jeden Schritt und Tritt von Frank, weil ich weiß, dass ich das im nächsten Jahr selbst machen und entscheiden muss. Es sind die vielen kleinen Dinge, die immer geregelt werden müssen.

Kemperman: Probleme nicht, aber es war schon gut, dass Philip am Samstag erlebt hat, wie der Zuschauerwechsel zwischen Nachmittag und Abend abläuft. Das Wetter war so schön, und die Zuschauer wollten gar nicht gehen (lacht). Ich habe 29 Jahre Erfahrung, und ich weiß, dass man dann manchmal Klartext reden und Entscheidungen treffen muss.

Wie kam es zu der Entscheidung für die Doppelspitze?

Kemperman: Wir haben das gemeinsam entschieden. Birgit ist ja 2019 mit Vorausblick in den Vorstand aufgenommen worden. Sie kennt den Sport von A bis Z, hat viele internationale Kontakte. Und es ist ideal, dass Philip aus dem Haus kommt und alles hier kennt. Das müsste gut klappen mit den beiden (zwinkert).

Wie sieht die Aufgabenteilung aus?

Rosenberg: Das Turnier ist unser Kerngeschäft, wir wollen uns bestmöglich präsentieren. Ich zeichne seit längerem für den Sport verantwortlich, dazu gehört auch, dass für die Pferde und Reiter alles bestmöglich vorbereitet ist, die Ställe, die Plätze, die gesamte Infrastruktur. Damit bin ich das ganze Jahr über beschäftigt. Unser Credo ist immer: „Wenn das Turnier beginnt, muss der Schreibtisch leer sein.“ Zum Sport kommen die Shows mit zwei Mal „Pferd und Sinfonie“, der Kindertag, der Soerser Sonntag oder auch die eineinhalbstündige Eröffnungsfeier, die minutiös fürs Fernsehen geplant sein muss. Da kostet viel Zeit und Mühe.

Und beim Turnier?

Rosenberg: Da ist die Zeit ebenfalls ausgefüllt, u. a. mit Meetings der Equipechefs, Reiter-Briefings, der gesamten Organisation. Also langweilig wird es nie.

Übernehmen die Aufgaben von Frank Kemperman, der sich Ende September endgültig verabschiedet: Birgit Rosenberg, die schon seit 2019 dem Vorstand angehört, und Philip Erbers.
Übernehmen die Aufgaben von Frank Kemperman, der sich Ende September endgültig verabschiedet: Birgit Rosenberg, die schon seit 2019 dem Vorstand angehört, und Philip Erbers. Foto: Wolfgang Birkenstock

Apropos Eröffnungsfeier, da waren Sie in diesem Jahr ja gleich gefragt?

Rosenberg: Ja, es war schon ein Schock, als Wincent Weiß uns am Morgen mitteilte, dass er Corona habe und nicht kommen könne. Da fehlten uns auf einmal 15 Minuten im Programm. Es war toll, dass Max Giesinger auch dank Hilfe der Sponsoren so kurzfristig von Berlin nach Aachen gereist und eingesprungen ist. Und dann noch so einen tollen Auftritt hingelegt hat.

Und welche sind Ihre Aufgabenbereiche, Herr Erbers?

Erbers: Bei der ART war ich für das Ticketing, die Bewerbung, die Vermarktung zuständig. Diese Bereiche bringe ich quasi mit, aber mein Aufgabenfeld wird erweitert. Dazu gehören neben der Turnierorganisation vor allem Sachen wie Infrastruktur, Sicherheitskonzept oder auch die Digitalisierung, die immer wichtiger wird. Zudem werde ich die Arbeitsbereiche Finanzen und Personal übernehmen.

Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Soziale Medien sind Themen, die sich der ALRV vorgenommen hat.

Kemperman: Genau, da ist es gut, dass die jüngere Generation langsam übernimmt. Ich gebe zu, mit Social Media habe ich es nicht so, bin darin nicht der Fitteste. Aber Nachhaltigkeit, damit setzen wir uns seit vielen Jahren auseinander, haben mit Mülltrennung begonnen, Plastiktüten, sollte man hier nicht mehr finden. Das ist ein großes Thema, das sich weiter entwickelt.

Der letzte CHIO für Turnierchef Frank Kemperman.
Der letzte CHIO für Turnierchef Frank Kemperman. Foto: Andreas Steindl

Erbers: Ja, stimmt, die Nachhaltigkeit ist ein großes Thema für uns, wir wollen ein „green event“ werden, weil wir denken, dass wir auch unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden müssen. Und auch die Sozialen Medien werden immer wichtiger, das ist ein Kanal, über den wir eine große Community nicht nur während der zehn Turniertage, sondern jeden Tag im ganzen Jahr erreichen können. Wir müssen uns überlegen, wie wir auch die nächste Generation erreichen können.

Und wie klappt das mit der Doppelspitze?

Rosenberg: Es wird nicht wie mit Frank einen Vorsitzenden geben, sondern wir teilen uns die Aufgaben.

Erbers: Wir wollen auf Augenhöhe zusammenarbeiten und das Turnier so weiterentwickeln.

In diesem Jahr stand die Jugend im Fokus, unterstrichen auch durch die FEI Youth Equestrian Games.

Kemperman: Wir sind wie ein Koch, der ein Produkt herstellt – wir nehmen als Zutaten die Wünsche der Reiter, Sponsoren, Zuschauer und Medien und versuchen daraus, das beste Produkt zu machen, wobei wir uns fragen, was passt zu Aachen und zum Turnier. Es ist klar, dass die Jugend in den Blickpunkt rücken muss. Mir hat das riesen Spaß gemacht, die Begeisterung zu sehen. Das war ein Erlebnis, das ist unsere Zukunft – wie man am Schweizer Martin Fuchs sieht: 2010 gewann er die Youth Games, heute ist er Weltranglisten-Erster.

Rosenberg: Das war wirklich toll. Es hat Spaß gemacht, wie die sich im Stadion präsentiert haben. Und beim Empfang auf dem Marktplatz, 30 Jugendliche aus 30 Nationen. Nach der Pandemie sind wir mit dem Turnier wieder in die Stadt gegangen, es ist uns wichtig, dass die Aachener das Turnier erleben.

Und gab es etwas Spezielles 2022?

Erbers: Speziell nicht, aber besonders. Ich fand es besonders, dass wir in diesem Jahr endlich wieder einen CHIO wie früher hatten. Das war für das gesamte Team toll. Und es hat uns gefreut, dass das Turnier wie früher angenommen wird. Das war für mich besonders.

Kemperman: Ja, schon, es passiert alles zum letzten Mal in dieser Funktion. Aber es hat schon viele Turniere vor Kempi gegeben, und es wird auch viele nach ihm geben (lacht). Jeder geht mal in Rente, und ich bin ja nicht weg, ich wechsele nur die Rolle.

Hatten Sie denn überhaupt Zeit, den Sport zu verfolgen?

Rosenberg: Leider nicht so viel, aber den zweiten Umlauf im Nationenpreis unter Flutlicht habe ich mir mit meiner Familie angesehen. Es war toll, die Atmosphäre aufzusaugen. Und für Bella Rose habe ich mir auch die Zeit genommen. Ansonsten bekomme ich den Sport nur in Ausschnitten mit, da ich jeden Tag in allen Stadien vorbeischaue.

Kemperman: Ich habe ein wenig bei der Jugend zugeschaut und war bei der Ehrung von Bella Rose.

Erbers: In Ruhe geschaut eher nicht, aber ich habe mir Zeit für die FEI Youth Equestrian Games genommen. Ich fand es toll, wie sich die Jugendlichen so schnell zu richtigen Teams zusammengefunden haben und begeistert geritten sind.

Sind Sie nun gut vorbereitet auf den CHIO 2023 ohne „Kempi“?

Erbers: Seit dem 1. Januar sitze ich ja schon mit Frank zusammen und schaue ihm über die Schulter. Wir hatten schon ein gutes Verhältnis, als ich noch bei der ART gearbeitet habe. Ich kann nur sagen, Frank ist komplett offen und hat mir alles gezeigt, wir hatten einen sehr engen Austausch.

Rosenberg: Frank hat mich, hat uns beide, sehr gut in die Aufgabe eingearbeitet und versucht, es uns so leicht wie möglich zu machen. Aber es ist schon spürbar, dass dies sein letztes Turnier in verantwortlicher Position ist. Er will alles so gut wie möglich übergeben und es uns so leicht wie möglich machen.

Herr Kemperman, Sie sind ja nicht weg, sondern wechseln in den Aufsichtsrat und sollen Vizepräsident des ALRV werden. Und haben „angedroht“, dass Sie künftig in der Rolle den Mund aufmachen.

Kemperman: Als Aufsichtsrat werde ich mich nicht ins operative Geschäft einmischen. Aber sollte etwas schief laufen, würde ich natürlich den Mund aufmachen (lacht).

Rosenberg: Das wird Frank ganz sicher. Sein Herz hängt an Aachen und am Sport. Ich hoffe, dass er es uns weiterhin sagt, wenn er etwas sieht. Alles im besten Sinne für den CHIO. Wir gehen offen und ehrlich miteinander um.

Erbers: Ich würde mich sehr wundern, wenn Frank keine Anmerkungen hätte, aber es wäre auch für uns bedauerlich, wenn er ganz raus wäre. Wir können von seiner Erfahrung nur profitieren.

Herr Kemperman, gibt es schon CHIO-Pläne für 2023?

Kemperman: 2023 werde ich mit meiner Frau, die ich aktuell während des Turnier manchmal nur für ein paar Minuten sehe, gemütlich auf der Tribüne sitzen und endlich mal in aller Ruhe den Sport verfolgen. Und auch mal gemütlich essen gehen beim Turnier und nicht nur abends auf die Schnelle ein Sandwich zu mir nehmen. Und ich werde ganz sicher nicht mehr so früh aufstehen und so spät ins Bett fallen (lacht).