FVM-Präsident Bernd Neuendorf : „Dafür gibt es keine Blaupause“
Aachen/Düren/Heinsberg Im Gespräch mit unserer Zeitung spricht FVM-Präsident Bernd Neuendorf über die Rolle des Verbandes in der Corona-Krise und die anstehende Saison.
Sein erstes Jahr als Präsident des Fußball-Verbandes Mittelrhein (FVM) hatte sich Bernd Neuendorf (59) ganz anders vorgestellt. Die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass seine Pläne, Vorhaben und Ideen ordentlich durcheinandergewirbelt wurden. Im Interview blickt der gebürtige Dürener zurück, richtet gleichzeitig aber auch seinen Fokus auf die anstehende Saison der Amateurfußballer.
Herr Neuendorf sind jetzt seit gut einem Jahr FVM-Präsident. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?
Bernd Neuendorf: Es war ein äußerst ereignisreiches Jahr mit Höhen und Tiefen, Lust und Frust. Frust vor allem deshalb, weil Corona auch den FVM mit voller Wucht getroffen hat. Wir mussten Kurzarbeit organisieren, Verbands- und Kreisgeschäftsstellen schließen. Wir hatten einen enormen Wegfall bei den Lehrgängen, die wir aufgrund von Corona nicht mehr wie geplant durchführen konnten. Wir haben die Sportschule Hennef über zwei Monate geschlossen. Das alles führt zum Verlust von Einnahmen. In so einem Verband hat das enorme Auswirkungen. Das hat unsere Pläne, Vorhaben und Ideen, die wir nach dem Verbandstag 2019 mit großer Motivation angegangen sind, ordentlich durcheinandergewirbelt. Trotz Corona und Kurzarbeit haben wir dennoch einige Dinge wie die Digitalisierung massiv vorangetrieben. Unterm Strich ist es nach wie vor eine faszinierende Aufgabe.
Wie würden Sie die Rolle des FVM in dieser Corona-Krise bewerten?
Neuendorf: Für so eine Situation gibt es keine Blaupause. Das war von Anfang an klar. Ich wollte aber nicht, dass wir uns ins stille Kämmerlein zurückziehen, sondern Verantwortung übernehmen und die Vereine einbinden. Wir hatten viele Videokonferenzen mit den Vereinsvertretern. Wir haben juristische Gutachten eingeholt zu verschiedenen Szenarien. Wir haben mit der Politik und den Behörden gesprochen. Wir haben natürlich verfolgt, was die Mediziner sagen und dann – beruhend auf diesen Erkenntnissen – einen Vorschlag zum weiteren Umgang mit der Saison 19/20 formuliert.
Dennoch wurde der Verband dafür kritisiert.
Neuendorf: Uns war klar, dass es Kontroversen geben würde. Es gab eine sehr angeregte Debatte im Netz und in den Medien. Es war keine hundertprozentige Zustimmung zu erwarten. Fortsetzung oder Abbruch der Saison, Auf- und Abstiegsregelungen: Das sind komplizierte Fragen. Es ist deutlich geworden, dass die einzelnen Interessen der Vereine sehr unterschiedlich sind. Und das ist auch in Ordnung und nicht zu kritisieren. Wir mussten als Verband aber eine Lösung für die größtmögliche Mehrheit unserer Vereine finden. Ja, es gab Kritik am Verband. Aber ich sage das durchaus selbstbewusst: Es gab auch Zustimmung. Ich hatte wirklich extrem viele aufmunternde Gespräche.
Im weiteren Verlauf sind Sie von einer Fortsetzung der Saison dennoch abgerückt. Warum?
Neuendorf: Das haben wir von Beginn an erklärt: Wir haben nicht aufgrund von Druck oder aus einer Laune heraus entschieden. Es gab immer und ausschließlich eine nüchterne Betrachtung der Sachlage. Im März ging man davon aus, dass erst wieder Fußball gespielt werden könne, wenn es eine Impfung oder ein Medikament geben würde. Deshalb hatten wir uns für eine Fortsetzung der Saison 2019/20 über den Sommer hinaus entschieden. Wir wollten maximale Flexibilität. Die Landesregierung hatte dann im Mai und für viele überraschend die Rückkehr auf die Plätze erlaubt. Ein regulärer Start der Saison 2020/21 wurde dadurch möglich. In einer solchen Lage muss man einfach pragmatisch handeln und die Lage neu bewerten. Das haben wir getan. Ich glaube, es wurde von vielen auch anerkannt, dass wir in der Lage sind, auf geänderte Rahmenbedingungen neu und anders zu reagieren. Den Königsweg gab es leider nicht.
Welche Sorgen der Vereine wurden in der Krise an Sie herangetragen?
Neuendorf: In den ersten Videokonferenzen gab es schon die Sorge, dass man Vereinsheime oder Geschäftsstellen möglicherweise schließen muss. Und viele Vereine haben auch befürchtet, dass sie Mitglieder verlieren könnten. Gleichzeitig gab und gibt es die entsprechenden Hilfsprogramme und -fonds, auf die man nach wie vor zugreifen kann. Da leisten wir Hilfestellung, darüber informieren wir. Mein Eindruck ist, dass die Vereine bislang einigermaßen gut durch die Krise gekommen sind. Sollten wir jedoch weitere regionale und lokale Lockdowns haben, könnte dies zu einer Verschärfung der Situation führen.
Es wurde befürchtet, dass viele Vereine durch die Krise in finanzielle Nöte geraten könnten. Hat sich das bewahrheitet? Wie viele Clubs haben sich aufgrund der Krise vom Spielbetrieb zurückgezogen?
Neuendorf: Das haben wir bisher nicht registriert. Aber was die finanzielle Lage konkret betrifft, kann man nur spekulieren, da uns die Abschlüsse der Vereine nicht vorgelegt werden. Ich bin mir aber sicher, dass viele den Gürtel enger schnallen müssen. Bei einigen Vereinen hat die Corona-Krise sicher noch einmal neue Überlegungen ausgelöst, wofür man sein Geld eigentlich ausgibt. Mir wird oft die Frage gestellt, ob der Amateurfußball in Teilen nicht zu teuer geworden ist. Das ist eine Grundsatzfrage, über die wir alle einmal eine unaufgeregte und sachliche Diskussion führen sollten.
Einige Clubs, auch aus unserer Region, hatten angekündigt, dass Sie juristisch gegen die nun vollzogene Aufstiegsregelung vorgehen wollten. Haben die Clubs ihre Ankündigung in die Tat umgesetzt?
Neuendorf: Nach dem außerordentlichen Verbandstag gab es eine offizielle Beschwerde zur Auf- und Abstiegsregelung. Das Urteil des Verbandsgerichts steht noch aus. Ich bin da aber ehrlich gesagt relativ entspannt. Unsere Mitgliederversammlung gibt uns das Recht, solche Dinge zu entscheiden, wie wir es jetzt getan haben. Dass die Auf- und Abstiegsregelung nicht nur auf Zustimmung treffen würde, war uns im Voraus klar.
Nun geht es wieder los. Halten Sie es für richtig, dass der Amateurfußball jetzt wieder startet?
Neuendorf: Grundsätzlich ja. Die politischen Vorgaben erlauben das Fußballspielen – wenn auch unter Auflagen. Risikobehaftet ist weniger das Spielen an sich, sondern alles rund um das Spiel, also die Anreise oder das Verhalten in der Kabine. Ich möchte wirklich an alle appellieren, dass wir als Fußballer auch Vorbilder sind, und an der Stelle dokumentieren, dass wir verstanden haben, wie hoch das Risiko ist und dass wir keine Menschen in Gefahr bringen wollen.
Wie optimistisch sind Sie, dass die Saison 20/21 ohne Unterbrechung zu Ende gespielt werden kann?
Neuendorf: Das ist ganz schwer vorherzusagen. Wir freuen uns zunächst mal, dass wir wieder unserem Sport nachgehen können. Derzeit steigen die Infektionszahlen wieder. Das ist sicher besorgniserregend. Aber ich hoffe sehr, dass wir die Saison vollständig spielen können.
Welche Lehren hat der FVM aus der vergangenen Spielzeit gezogen? Ist der Verband für den Fall der Fälle gut vorbereitet?
Neuendorf: Natürlich können wir uns nicht jede Situation ausmalen. Aber grundsätzlich ist es so, dass es in der für uns maßgeblichen Spielordnung des Westdeutschen Fußballverbandes klare Regelungen für den Fall einer Unterbrechung oder eines Abbruchs der Saison geben wird. Die spielleitenden Stellen arbeiten mit Hochdruck daran, Konzepte zu entwickeln. Sie werden vor Saisonbeginn kommuniziert.