Rückblick : Chronologie der Gewalt im Amateur-Fußball
Aachen/Düren/Heinsberg Auch in unserer Region ist es in den vergangenen Jahren zu Gewaltausbrüchen auf Fußballplätzen gekommen. Der Fall Scherpenseel bildet keine Ausnahme.
Schlägereien, Beleidigungen und Angriffe auf Spieler und Schiedsrichter: Auch auf den Fußballplätzen der Region gab es in den vergangenen zehn Jahren ein paar Fälle, in denen Fairplay mit Füßen getreten wurde. Zuletzt war das bei einem Kreisliga-A-Spiel in Übach-Palenberg zu beobachten, als der SV Scherpenseel-Grotenrath und Germania Hilfarth aufeinandertrafen. Ein Überblick über Begegnungen, die den Sport in den Hintergrund haben treten lassen.
31. Oktober 2021: Nach einem Spiel in der Aachener Kreisliga B zwischen Eintracht Verlautenheide II und Rhenania Rothe Erde kommt es beim Gang in Richtung der Kabinen zu Handgreiflichkeiten. Später wird der Fall vor dem Sportgericht fast vier Stunden lang verhandelt. Das Urteil: Zwei Spieler von Rothe Erde werden lange gesperrt und der Sportmanager von Eintracht Verlautenheide wird schwer belastet. Das Spiel wird mit 2:0 und drei Punkten für Rothe Erde gewertet, da die Eintracht den Spielabbruch verlangt habe. „Die Spielsperre liegt im mittleren Bereich, wir hätten auch 72 Spiele verhängen können“, erklärte damals Heinrich-Josef Loritz, Vorsitzender des Kreissportgerichts.
Zuvor hatte ein offener Brief für großes Aufsehen in der Amateurfußballszene gesorgt. In dem Schriftstück hatten der oder die Verfasser vehement gefordert, dass Rothe Erde mit sofortiger Wirkung vom Spielbetrieb ausgeschlossen werde. Wenig später reagierte der Club mit einer Stellungnahme an den Kreisvorsitzenden, die von einer Anwaltskanzlei aus Aachen verschickt wurde. Darin versicherte der Verein, dass er sich mit den Vorwürfen sachgerecht auseinandersetzen werde. „Wir waren als Verein zum Handeln gezwungen“, betonte Tim Knipprath, Geschäftsführer und Sportlicher Leiter der Rhenania, damals. Und so startete der Traditionsclub aus dem Aachener Ostviertel mit einem runderneuerten Kader in die Rückrunde. Vor allem der Spaß soll wieder verstärkt im Vordergrund stehen.
2. Dezember 2018: Im Landesliga-Derby zwischen Eintracht Verlautenheide und dem FC Inde Hahn eskaliert die Situation kurz vor dem Abpfiff beim Stand von 3:3. In der Nachspielzeit rollt der Ball ins Seitenaus und ein Zuschauer, der dicht neben der Hahner Auswechselbank steht, blockiert den Ball und befördert ihn mit voller Wucht hinter die Balustrade. Ein Ordner eilt herbei und liefert sich wegen des unsportlichen Verhaltens ein Wortgefecht mit dem Mann. Wenige Sekunden später setzt der Unruhestifter zum Kopfstoß an und schlägt auf den Ordner ein.
Ein vollautomatisches Kamerasystem der Firma Soccerwatch hatte die Szene live ins Internet gestreamt. Anschließend verbreitete sich das Video rasend schnell, bundesweit wurde plötzlich über den Vorfall berichtet. Die beiden Vereine distanzierten sich hinterher ausdrücklich von jeglicher Gewaltanwendung. Der Geschädigte wollte sich gegenüber unserer Zeitung nicht zu den Vorfällen äußern. Die Aachener Polizei bestätigte jedoch auf Anfrage den Eingang einer Anzeige wegen Körperverletzung und die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.
25. März 2018: In der 40. Spielminute war dann endgültig Schluss mit Fußball. Nach einem Foul und anschließendem Handgemenge stürmten Spieler und Anhang vom SC Kellersberg II sowie von Blau-Weiß Alsdorf in der Aachener Kreisliga D den Platz und lieferten sich eine wilde Prügelei. Bei der Polizei ging ein Notruf ein, dass sich auf dem Sportplatz von Kellersberg rund 40 Männer einen Kampf unter Einsatz von Messern liefern würden. Als die Beamten mit sechs Streifenwagen eintrafen, hatte sich die Situation bereits ein wenig beruhigt.
Messer waren glücklicherweise nicht zum Einsatz gekommen. Doch was übrig blieb, waren fünf Verletzte – mindestens einer musste im Krankenhaus behandelt werden – und frustrierte Vereinsverantwortliche auf beiden Seiten, weil sie um den Ruf ihrer Clubs fürchten. Bereits vor Anpfiff hatten sich die Verantwortlichen ihre Gedanken gemacht. Auf Kellersberger Seite spielten hauptsächlich türkischstämmige Spieler, bei Blau-Weiß Alsdorf ausschließlich syrische Flüchtlinge. Und das zum Höhepunkt des Syrien-Krieges. Zwar bestritten Spieler nachher, dass ihre Nationalität eine Rolle gespielt habe. Augenzeugen berichten allerdings, dass das Spiel von Beginn an hart geführt wurde – bis zum Abbruch.
Das Sportgericht urteilte drakonisch. Sperre für beide Teams bis Saisonschluss und jeweils 1000 Euro Strafe.
6. November 2016: Mit Fußball hatte der Vorfall Anfang November 2016 eigentlich nicht viel zu tun, der sich auf dem Sportplatz in Welldorf/Güsten, einem Stadtteil von Jülich, ereignet hat. Damals hatten 20 teils maskierte und mit Schlagwerkzeugen bewaffnete Männer ein Fußballspiel in der Bezirksliga zwischen Grün-Weiß Welldorf/Güsten und den Sportfreunden Düren überfallen. Mehrere Menschen wurden verletzt. Später wurde ein Teil der Täter vor dem Landgericht Aachen zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.
Der Tatort des Überfalls war eher zufällig der Sportplatz. Der Angriff galt mehreren Männern libanesischer Herkunft, die in beiden Mannschaften spielten. Die Angreifer waren kurdischer Abstammung. Sie hatten auch schon am Vorabend versucht, die späteren Opfer in einer Bar in Jülich aufzusuchen, waren dabei aber nicht fündig geworden. Auslöser des Streits war eine Schlägerei im Straßenverkehr, bei der Männer beider Ethnien aneinandergeraten waren.
Der Überfall auf das Fußballspiel war eine Racheaktion der kurdisch-stämmigen Männer aus dem Raum Düren. Der unbekannte Angreifer, dem die schwersten Attacken vorgeworfen werden, wird bis heute gesucht. Unter anderem hatten die Männer mit den Füßen noch gegen die Köpfe der am Boden liegenden Opfer getreten.
7. Dezember 2014: In der Aachener Kreisliga D5 wurde Anfang Dezember 2014 ein Schiedsrichter Opfer von Gewalt. Die Begegnung zwischen dem VfB 08 Aachen und dem BSC Schevenhütte hatte der Unparteiische nach 67 Minuten abgebrochen; 3:1 führten die Gäste zu diesem Zeitpunkt. Ein Aachener Spieler, der zuvor die Rote Karte gesehen hatte, sei auf den Schiedsrichter „zugestürzt“, habe ihn „mit beiden Händen gegen den Oberkörper“ gestoßen und dann „zweimal ins Gesicht und auf den Mund“ geschlagen. „Ich war benommen und sah schwarze Punkte vor den Augen“, gab der Unparteiische damals zu Protokoll.
Nach dem Abbruch der Begegnung brachten Schevenhütter den Schiedsrichter und dessen Fahrzeug zunächst nach Hause, ehe er sich am Abend ins Krankenhaus begab. Aachens Geschäftsführer Hans Stockem fand damals deutliche Worte: „Der Spieler wird bei uns nicht mehr spielen. So etwas habe ich noch nie erlebt. Es tut uns furchtbar leid, was da passiert ist.“
Die Vorkommnisse hatten ein Nachspiel vor der Kreisspruchkammer. Der Spieler erhielt eine zweijährige Sperre und „ein Platzbetretungsverbot auf allen Plätzen des Fußball-Verbandes Mittelrhein“.