Fußball-Regionalligist FC Wegberg-Beeck : Aram Abeldkarim: „Ich hatte meine Chance“
Beeck Im August wechselte Aram Abeldkarim vom Ligakonkurrenten SV Straelen zum Fußball-Regionalligisten FC Wegberg-Beeck. Der 27-jährige Deutsch-Iraker hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich.
Auf das Spiel hatte sich Aram Abdelkarim besonders gefreut, schließlich stellt doch die Zeit am Flinger Broich auch so etwas wie einen Wendepunkt in seinem Leben dar. Natürlich wird er am Samstag die ihm gut bekannte Strecke zum Paul-Janes-Stadion in Flingern fahren, doch wenn sein aktuelles Team FC Wegberg-Beeck im letzten Fußball-Regionalliga-Spiel 2021 bei seinem früheren Club Fortuna Düsseldorf II aufläuft, muss der 27-Jährige angeschlagen zusehen.
„Ich habe mich im Pokalspiel in Hürth verletzt, gefühlt gleich nach zwei Minuten“, bedauert Abdelkarim, der bereits nach elf Minute ausgewechselt werden und von außen mitansehen musste, wie sein Team in der 122. Minute doch noch den K.o. im Achtelfinale des FVM-Pokals (1:2) kassierte. Zum Glück bewahrheitete sich die erste Befürchtung nicht, der Mittelfeld-Akteur zog sich nur eine Zerrung und keinen Muskelfaserriss zu. Trotzdem kommt das Spiel bei seinem ehemaligen Club zu früh für Abdelkarim, dem auf der Tribüne sicher auch frühere Zeiten durch den Kopf gehen werden.
In Düsseldorf, wo er von Sommer 2014 bis 2016 unter Vertrag stand, hatte seine Fußball-Karriere bedingt durch eine Verletzung eine Wende genommen. Doch von vorne: Aram Abdelkarim stammt aus der nordirakischen Stadt Dohuk, die zur autonomen Republik Kurdistan gehört. 1996, zwei Jahre nach seiner Geburt, floh die Familie über die Türkei und Griechenland nach Göttingen und fand kurz darauf in Mönchengladbach, wo schon Verwandte lebten, eine neue Heimat.
„Ich habe schon immer gerne gekickt, aber mehr mit meinen Freunden auf der Straße“, erzählt Abdelkarim, der mit zehn Jahren in die Jugend des 1. FC Mönchengladbach eintrat. Zuerst noch nicht vom ganz großen Ehrgeiz getrieben, „es war nur ein Hobby“, so dass der „große Nachbar“ Borussia kein Thema war. Erst als ihn mit dem Wechsel ins Seniorenlager Fortuna Düsseldorf II verpflichten wollte, keimte der Wunsch auf, Fußball-Profi zu werden. „Da hatte ich gerade mein Fach-Abi in der Tasche und wollte ein Jahr lang nur Fußball spielen.“
Der Umstieg gelang, sein damaliger Trainer Taskin Aksoy hielt große Stücke auf den Mittelfeldspieler, sagte, dass er Chancen habe, in die erste Mannschaft aufzusteigen. „Das hat mich angespornt, und ich habe vor der nächsten Saison die beste Vorbereitung meines Lebens absolviert. Doch beim letzten Testspiel in Südkorea habe ich mir das Innenband im Knie gerissen“, so Abdelkarim.
Er verpasste die Hinrunde und beging den Fehler, aus Ehrgeiz zu früh wieder einzusteigen. „Ich hatte ständig Schmerzen, aber im Verein wurde das anders interpretiert, da hat man gedacht, ich hätte keine Lust zu spielen.“ Und so trennten sich die Wege von Club und Spieler, bedauerlicherweise, „denn die anderen Jungs aus der zweiten Mannschaft, die Aksoy als Interimscoach der ersten hochgezogen hatte, gaben ihr Debüt in der Zweiten Liga. Wäre ich gesund geblieben, wäre ich wohl einer von ihnen gewesen.“
Somit war die Zukunft offen. „Mir war klar, dass ich den Fußball als Beruf danach mehr oder weniger begraben konnte, ich hatte meine Chance, war so nah dran gewesen, zu sehen, ob ich es schaffen kann oder nicht.“ Einfacher wurde die Situation für den damals 24-Jährigen auch zu Hause nicht, denn seine Eltern drängten ihn, ein Studium oder eine Ausbildung zu beginnen. Und während er noch zögerte, schickte sein Vater ihn gegen seinen Willen mit einem One-Way-Ticket nach Schweden. „Ich wollte nicht, musste mich aber fügen“, versucht Abdelkarim diese in der westlichen Kultur überraschende Entscheidung zu erklären. Ich konnte nicht anders, es ist eine Frage des Respekts.“
Der Bruder seines Vaters hatte drei Betriebe in der südschwedischen Provinz Kalmar, in denen Abdelkarim nun arbeiten musste. Fußball spielte er auch, beim Zweitligisten IFK Berga, vom „Niveau so etwa zwischen Oberliga Niederrhein und Regionalliga anzusiedeln“. Die Zeit in Schweden war hart, den ganzen Tag arbeiten und abends trainieren. Und so sann Abdelkarim über seine „Flucht“ zurück nach Deutschland nach. „Ich habe das raffiniert gemacht“, sagt er und lacht. „Ich habe meinem Onkel gesagt, dass ich meine Eltern besuchen und das Champions-League-Spiel von Borussia Mönchengladbach gegen den FC Barcelona sehen möchte, da ich Messi-Fan bin.“ Er bekam ein Flugticket, doch sein Onkel behielt vorsichtshalber den Reisepass ein – was ihm aber nichts nützte. Einmal in Deutschland unterschrieb Abdelkarim einen Vertrag bei der SG Wattenscheid und ging nicht mehr zurück nach Schweden. „Meine Familie musste es akzeptieren, hat es auch getan, am Ende wollen meine Eltern ja nur das Beste für mich.“
Doch noch einmal griff sein Vater in seinen Karriere ein, sprach mit Stephan Houben, früherer Jugend-Coach beim 1. FC Mönchengladbach und zu der Zeit Trainer beim Niederrhein-Oberligisten SV Straelen. „Eigentlich wollte ich nicht in diese Liga gehen“, fügte sich Abdelkarim aber erneut und fing in Straelen zugleich eine Ausbildung zum Immobilienkaufmann an.
Im Sommer 2020 stieg er mit Straelen in die Regionalliga auf – und wechselte Ende August innerhalb der Liga ins Beecker Waldstadion. Kevin Weggen war den Weg einige Wochen vor ihm gegangen, Abdelkarim folgte aus den gleichen Gründen. „Es wurde einfach zu stressig, ich musste wegen des Jobs im Fußball kürzertreten. Hier trainieren wir drei, vier Mal in der Woche, in Straelen sechs, sieben Mal. Und ich bin im dritten Ausbildungsjahr, mache Ende des Frühjahrs meine Prüfung“, liegt sein Fokus nun schwerpunktmäßig auf dem Job.
Was nichts an seinem Ehrgeiz ändert. „Ich fühle mich in Beeck sehr wohl, aber sportlich sind wir natürlich alle unzufrieden. Aber ich glaube, dass die Rück- besser als die Hinrunde wird“, so Abdelkarim, der am dritten Spieltag beim 1:1 beim VfB Homberg erstmals für seinen neuen Club auflief. „Am Anfang war die Mannschaft noch nicht so eingespielt, mal haben wir mit Fünfer- oder Dreier-Kette gespielt, zuletzt meist im 4-4-2-System, das passt besser. Und die Mannschaft hat gezeigt, dass sie in der Liga konkurrenzfähig ist, viele Spiele haben wir mit nur einem Tor Unterschied verloren, oft fehlte nur ein Quäntchen Glück.“ Das Manko in seinen Augen: „Bei Wechseln sind wir nicht gleich stark auf allen Positionen besetzt.“ Trotzdem sieht er den Tabellen-17. am Samstag beim Tabellenneunten nicht chancenlos. „Wir haben ja schon oft genug gezeigt, dass wir gegen alle Teams mithalten können. Nur leider muss ich zuschauen, dabei hätte ich sehr gerne gegen meinen alten Verein gespielt.“