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Funkel vor 500. Spiel: „Viele Dinge, die ich nicht gut finde“

Funkel vor 500. Spiel : „Viele Dinge, die ich nicht gut finde“

Urgestein Friedhelm Funkel bestreitet sein 500. Bundesligaspiel als Trainer. Der Coach von Fortuna Düsseldorf ist der Trainer mit den sechstmeisten Partien in der Eliteliga. Bis zum Saisonende könnte er auch Udo Lattek (523) und Thomas Schaaf (524) einholen.

Urgestein Friedhelm Funkel bestreitet sein 500. Bundesligaspiel als Trainer. Der Coach von Fortuna Düsseldorf ist der Trainer mit den sechsmeisten Partien in der Eliteliga. Bis zum Saisonende könnte er auch Udo Lattek (523) und Thomas Schaaf (524) einholen.

Düsseldorf (dpa/lnw) - In den vergangenen 30 Jahren kamen viele Trainer in die Bundesliga, etliche davon sind längst nicht mehr da. Einer steht seit 1991 an der Seitenlinie. Friedhelm Funkel betreitet am Freitagabend sein 500. Bundesligaspiel als Trainer, wenn seine Fortuna Düsseldorf bei Hertha BSC antritt.

Frage: Welche Erinnerung haben Sie an Ihr erstes Spiel als Trainer?

Antwort: Keine Ahnung. Das war mit Uerdingen, klar. Aber ich weiß nicht mehr gegen wen das war. Moment mal - Hertha BSC? Das zweite Spiel war auf jeden Fall gegen die Bayern. Da haben wir 2:2 gespielt.

Frage: Genau. Schon damals ging es gegen Hertha, Sie verloren 1:2.

Antwort: In dem Spiel haben wir sogar zwei Elfmeter verschossen. Mein Bruder Wolfgang verschoss einen und auch Holger Fach. Ansonsten ist diese Partie bei mir sehr wenig präsent.

Frage: Stephane Chapuisat schoss damals das einzige Uerdinger Tor...

Antwort: Ich glaube, wir wären damals nicht abgestiegen, wenn Chappi von Anfang gespielt hätte. Er ist im Winter gekommen und hat sich dann aber hier in Düsseldorf beim Hallenturnier einen Innenbandriss zugezogen. So hat er nur acht oder neun Spiele für uns gemacht. Aber die richtig gut und daraufhin ist er dann ja nach Dortmund gegangen.

Frage: Haben Sie es jemals bereut, Trainer geworden zu sein?

Antwort: Nein, nie. Zu keiner Sekunde.

Frage: Welche Erinnerung haben Sie an den Fußball von damals?

Antwort: Ich habe ja seitdem wirklich alle gewaltigen Veränderungen im Fußball miterlebt. Damals hatte ich nur meinen treuen Co-Trainer Armin Reutershahn. Sonst gab es niemanden an meiner Seite. Keinen Torwarttrainer, keinen Reha-Trainer. All das, was heute selbstverständlich ist, gab es damals noch nicht. Es gab auch kleinere Kader. Es war alles anders, auch ein Stück weit familiärer. Auch der Umgang mit den Medien war einfacher. Die Rahmenbedingungen für uns Trainer haben sich dann nach und nach verbessert.

Frage: In welcher Zeit haben Sie sich wohler gefühlt?

Antwort: Schwer zu beantworten. Früher war es nicht so hektisch. Heute kann es dir nach zwei, drei Niederlagen passieren, dass du infrage gestellt wirst. Das fragt man sich schon: Wie kann das sein? Das war früher anders. Aber ich habe mich damit arrangiert.

Frage: Gehen Sie heute insbesondere mit jüngeren Spielern anders um?

Antwort: Ich gehe vor allem gelassener mit ihnen um. Die Spieler heute sind selbstbewusster. Die hinterfragen auch schonmal Dinge, die man dann erklären muss. Ich gehe völlig neutral mit ihnen um, nehme sie genau wie früher mal in den Arm und gebe ihnen manchmal aber auch mal einen Tritt in den Hintern. Dinge, die heute normal sind, akzeptiere ich auch, ohne sie gut zu finden. Es gibt viele Dinge, die ich nicht gut finde, aber das gehört dazu.

Frage: Was genau missfällt Ihnen?

Antwort: Die ganzen Tätowierungen - das ist ja Wahnsinn. Das finde ich absolut nicht gut. Aber da müssen die Spieler mit umgehen, nicht ich. Oder in der Kabine vor den Spielen diese laute Hip-Hop-Musik. Ich weiß gar nicht, was das ist. Da bekomme ich Ohrenschmerzen. Da gehe ich in der Zeit auch nicht mehr in die Kabine. Aber die Jungs brauchen das. Oder wenn die Spieler aufs Spielfeld gehen, als gingen sie auf die Modelbühne. Das war uns früher völlig egal. Aber soll ich das verbieten? Der Umgang mit dem Handy, mit dem Smartphone, wird auch völlig übertrieben. Früher haben Spieler in der Kabine geraucht. Die Zigaretten von damals sind die Smartphones von heute. Finde ich nicht gut, aber ich akzeptiere das.

Frage: In welchen Bereichen arbeiten Sie noch genau so wie 1991?

Antwort: Was Ordnung und Disziplin angeht. Ich akzeptiere nicht, wenn die Kabine schmutzig ist oder dass Badelatschen und Fußballschuhe rumfliegen. Ich bin aber kein Disziplinfanatiker.

Frage: Was ist Ihre Formel dafür, sich über fast drei Jahrzehnte als Trainer im Spitzenfußball gehalten zu haben?

Antwort: Das Wichtigste ist, dass man authentisch bleibt. Man darf sich weder im Erfolg, noch im Misserfolg verstellen.

Frage: Gibt es etwas, was Sie bereut haben?

Antwort: Als ich Trainer in Duisburg war, habe ich mich im Training von unserem Torhüter Holger Gehrke provozieren lassen. Der hat lustlos im Tor gestanden. Ich habe ihn dann mal nicht spielen lassen. Das Auswärtsspiel haben wir gewonnen. Das ist für einen Trainer immer gut, wenn er einen Spieler suspendiert hat. Danach kam er dann zu mir und sagte, er sei sich keiner Schuld bewusst. Da habe ich ihm gesagt, dass ich nicht mehr mit ihm zusammen arbeiten könne. Das würde ich heute so nicht mehr machen. Ich würde versuchen, das in einem Gespräch zu klären. Der Holger ist ja eigentlich auch ein Super-Typ.

Frage: Sie sind Rheinländer und haben in dieser Region im Prinzip alle höherklassigen Vereine trainiert, nur einen nicht...

Antwort: Auch mit Borussia Mönchengladbach hätte es beinahe mal geklappt. Ich habe mit dem damaligen Präsidenten Jacobs und Manager Hochstätter verhandelt. Da ging es um die Nachfolge von Rainer Bonhof. Wir waren uns auch einig, ich habe nur keine Freigabe vom MSV Duisburg bekommen. Da war das Thema erledigt, ich habe Jacobs abgesagt und dann kam Hans Meyer zur Borussia. Die Chance hätte ich gerne genutzt. Gladbach war früher immer ein ein besonderer Verein für mich, ich bin immer gerne zum Bökelberg gefahren. Das wäre schon toll gewesen. Aber ich habe das akzeptiert, es hat nicht sollen sein. Ein paar Monate später wurde ich dann entlassen in Duisburg.

Frage: Wer war Ihr verrücktestes Spieler?

Antwort: Ioannis Amanatidis. Damals hatte er immer seine lange Matte und war wirklich nicht einfach. Heute ist er top seriös. Jermaine Jones mussten wir mehrfach einfangen. Toller Typ, aber schwierig, wirklich schwierig. Der zog schonmal um die Häuser zu einem Zeitpunkt, zu der man das als Profi eigentlich nicht machen sollte. Ich habe beide sogar mal zu gewissen Situationen zum Kapitän gemacht. Da haben einige gesagt: Der Funkel ist bekloppt. Aber beide haben schließlich nur noch für die Mannschaft gelebt.

Frage: Gibt es eine Begegnung, an die Sie sich immer erinnern werden?

Antwort: Das war 2006 nach dem verlorenen Pokalfinale mit Frankfurt gegen die Bayern. Bundeskanzlerin Angela Merkel die Hand zu schütteln und tröstende Worte von ihr zu hören, das war schon besonders. Was sie gesagt hat, weiß ich aber nicht mehr.

Frage: Vor welchen Weggefährten haben Sie besonders Respekt?

Antwort: Wahrscheinlich sagen jetzt viele: Ist der bekloppt? Aber ich bewundere Uli Hoeneß und habe ihn immer bewundert. Für sein Lebenswerk. Die Bayern haben auch nichts geschenkt bekommen, die haben einfach gut gearbeitet. Dafür steht in erster Linie der Uli. Das habe ich bewundert. Auch den Werdegang von Jürgen Klopp in den letzten 15, 16 Jahren bewundere ich sehr. Wie erfolgreich er arbeitet, wie der mit Menschen umgeht - das finde ich phänomenal.

Frage: Zucken sie bei einigen Hoeneß-Wortmeldungen nicht zusammen?

Antwort: Absolut. Da denke ich dann auch: Mensch Uli, was machst du da? Das hast du doch eigentlich gar nicht mehr nötig. Die Pressekonferenz mit Kalle Rummenigge war unterirdisch. Da gibt es überhaupt keine zwei Meinungen. Auch jetzt gab es aus meiner Sicht keinen Grund, Manuel Neuer zu verteidigen. Jogi Löw und Oliver Bierhoff hatten sich ja schon klar vorher positioniert. Das finde ich natürlich alles nicht gut. Er hat oft polarisiert und gestritten und hatte dabei auch oft Recht. Man darf auch nicht vergessen, wem er alles geholfen hat. Darum bewundere ich ihn. Aber die letzten Dinge waren einfach schlecht.

Frage: Mit dem Klassenerhalt von Fortuna hat kaum jemand gerechnet. Macht Sie diese Wertschätzung zum Ende Ihrer Karriere stolz?

Antwort: Unangenehm ist mir das natürlich nicht. Die letzten dreieinhalb Jahre bei Fortuna sind wirklich so positiv verlaufen, wie ich mir das niemals hätte vorstellen können. Ich habe eine Mannschaft damals übernommen, die stand kurz vor dem Abstieg in die Drittklassigkeit und war aus meiner Sicht nicht gut zusammen gestellt. Wir sind dann nicht abgestiegen und haben wirklich Riesen-Erfolg gehabt mit dem Aufstieg. Und das letzte Jahr ist ja wirklich traumhaft an uns vorbei geflogen. Natürlich gab es auch schwierige Momente. Wir haben in der vergangenen Hinserie lange nicht gewonnen. In der Winterpause gab es das Theater um meine Vertragsverlängerung. Das war nicht gut. Dass sich da tausende Fans für mich eingesetzt haben, das war Wahnsinn. Ich glaube schon, dass ich auch früher immer Anerkennung für meine Arbeit erhalten habe. Aber mit Fortuna, bei diesem Traditionsverein, der lange nicht mehr in der Bundesliga war, hat das noch einmal eine ganz andere Dimension erreicht. Das erfüllt mich schon mit Stolz. Nur bin ich das ja nicht alleine. Das ist auch mein Trainerteam, mein Funktionsteam und das ist vor allem die Mannschaft. Das passt wie die Faust aufs Auge.

Frage: Nerven Sie externe Störfeuer? Ist die Situation jetzt mit der Diskussion um Vorstandschef Röttgermann mit der im vergangenen Winter und dem Streit um ihre Vetragsverlängerung vergleichbar?

Antwort: In keinster Weise. Bei Thomas Röttgermann gibt es bei den Vorwürfen doch überhaupt keine Substanz bei den Vorwürfen. Ihm wird jetzt unter anderem vorgeworfen, dass er einen Vertrauten holen will. Das verstehe ich nicht. Ich hoffe wirklich, dass der jetzige Vorstand in der aktuellen Konstellation weiter arbeiten kann. Das passt.

Frage: Gibt es was, was Sie unbedingt noch erreichen wollen?

Antwort: Ich würde unglaublich gerne noch einmal nach Berlin fahren. Ich war als Spieler einmal Pokalsieger und als Trainer zweimal im Finale in Berlin. Das wäre schon ein Traum, ein weiteres Mal dorthin zu kommen. In dieser Saison ist es noch möglich.

Frage: Sie sind am Freitag schon in Berlin. Mit welchen Gefühlen gehen Sie in ihr 500. Bundesligaspiel als Trainer?

Antwort: Die Mannschaft muss im Mittelpunkt stehen, nicht ich. Wir müssen versuchen, dort zu punkten. Klar, 500 Spiele - das ist schon Wahnsinn. Das hätte ich mir nie vorstellen können. Das ist schon toll, es bis hierhin geschafft zu haben.

Frage: Die Marke von 600 Spielen wäre auch noch denkbar...

Antwort: Das schließe ich aus. Ganz ehrlich. Ich werde ja auch nicht jünger.

Frage: Wäre bei einem Abstieg für Sie als Trainer sofort Schluss?

Antwort: Das kommt auf die Konstellation an. Ich will nicht ganz ausschließen, auch dann noch weitermachen. Aber jetzt schauen wir erstmal, dass wir drin bleiben. Das wird schwieriger als letztes Jahr. Aber wir haben alle Möglichkeiten, drin zu bleiben.

Frage: Was kommt, wenn es irgendwann vorbei ist?

Antwort: Dann werde ich wieder das Tennisspielen intensivieren, ganz klar. Meine Leistungen haben nachgelassen, weil ich kaum Zeit hatte. Trainer werde ich dann nicht mehr sein. Vielleicht arbeite ich dann noch als TV-Experte oder als Berater für einen Verein.

(dpa)