Kommentar zur Impfpflicht-Debatte : Kimmich und Anfang treffen den Fußball an wunden Stellen
Meinung Düsseldorf Deutschlands wohl prominentester Ungeimpfter, dem der FC Bayern offenbar ans Gehalt geht, und der Ex-Bremer Trainer mit seiner mutmaßlichen Impfpass-Fälschung legen den Finger in die einzigen beiden Wunden, an denen sich der Fußball zum Handeln bewegen lässt: Image und Geld.
Der Fußball ist ein Elefant. Wenn er erst mal beschlossen hat, dass es keinen Grund gibt sich zu bewegen, bewegt ihn auch niemand. Die Branche hat, um im Bild zu bleiben, nur zwei Stellen, an denen man sie so treffen kann, dass sie aufsteht und sich verändert: Image und Geld. Um nichts anderes geht es dem Fußball. Er selbst würde vermutlich noch Emotionen nennen, aber am Ende sind es Image und Geld. Markus Anfang und Joshua Kimmich haben den Fußball genau an seinen verwundbaren Stellen getroffen.
Deswegen sind die beiden Fälle zwar zu verurteilen, aber von ihrer Wirkung her gesellschaftlich dankbar anzunehmen. Der Fall von vermutlicher Fälschung eines Impfzertifikats durch den inzwischen ehemaligen Bremer Trainer genauso wie das Beispiel des Münchner Nationalspielers, der sich als prominentester Ungeimpfter Deutschlands von Quarantäne zu Quarantäne hangelt. Denn beide bewegen den Elefanten Fußball in eine notwendige Richtung.
Imagemäßig ist Anfangs Geschichte ein Gau. Für Bremen. Für den ganzen deutschen Profifußball. Bundesweit sei das Thema Impfpassfälschung dadurch in den Vordergrund gestellt worden, klagte Werder-Geschäftsführer Klaus Filbry. Es ist verheerend auf zweierlei Ebenen: einmal natürlich ob der offenbar kriminellen Energie, zum zweiten auch mit Blick auf die gesamte Branche. Weil das Beispiel Anfang den eh schon kursierenden Verdacht nährt, dass der Fußball an vielen Stellen die Hybris besitzt, zu meinen, mit Unmöglichkeiten durchzukommen. Die Dreistigkeit, es trotz selbsternannter Vorbildrolle überhaupt zu versuchen. Und die Dummheit, sich dabei so blöd anzustellen, dass er auffliegt und ein Land über den Fußball schimpft und lacht.
Im Fall Kimmich und weiterer Bayern-Profis geht es dem Fußball inzwischen mehr ans Geld denn ans Image. Und so verwundert es nicht, dass die Münchner nach einem Medienbericht ihrem Starspieler für die Zeit der Quarantäne das Gehalt streichen. Kimmich ist einer der Topstars – im Verein, in der Liga, in der Nationalmannschaft. Alle drei können es sich nicht leisten, dass er regelmäßig nicht zur Verfügung steht, weil er sich nicht impfen lassen will. Doch es dauerte eben, bis sich die Bayern zu drastischen Mitteln durchringen konnten. Vorher war viel Verständnis, vergebliche Überzeugungsarbeit und Scheindiplomatie.
Inmitten einer beängstigenden vierten Welle der Coronavirus-Pandemie wird der Ruf nach einer generellen Impfpflicht zurecht lauter. Der Weg dahin führt nur über Druck. Auch und gerade im Profisport, der seit vielen Monaten von Ausnahmen profitiert, die andere Branchen vergeblich einforderten. Und Druck verspürt gerade der Profußball nur da, wo es ihm ans Image und an die Einnahmen geht. Insofern muss man Markus Anfang und Joshua Kimmich fast schon dankbar sein, dass sie den Elefanten unfreiwillig gepikst haben.
Die Öffentlichkeit muss nun schauen, dass sie den Finger in den beiden Wunden lässt. Um zu helfen, die Wunde Corona zu schließen.