Kathrin Hendrich im Interview : „Die Vergleiche mit den Männern nerven“
Aachen Fußball-Nationalspielerin Kathrin Hendrich aus Eupen freut sich aufs Länderspiel am Samstag gegen die Ukraine in ihrer Region. Im Interview mit Lukas Weinberger spricht sie über ihre Karriere und die Vergleiche“ mit dem Männerfußball.
Im Moment hat Kathrin Hendrich (27) einen Zweitjob: Die Fußball-Nationalspielerin vermittelt Karten für das Länderspiel des deutschen Teams gegen die Ukraine am Samstag auf dem Aachener Tivoli. „Mehr als 30 Anfragen“ habe es schon gegeben, sagt sie, und täglich kämen ein paar dazu. Für Hendrich ist die Qualifikationspartie für die Europameisterschaft 2021 ja so etwas wie ein Heimspiel: Die Tochter eines Deutschen und einer Belgierin kommt aus Eupen – und hat einst beim Würselener Klub Teutonia Weiden gespielt. Im Interview mit Lukas Weinberger spricht sie über ihre Karriere und die Vergleiche“ mit dem Männerfußball.
Schön, mal ein echtes Heimspiel zu haben, oder, Frau Hendrich?
Kathrin Hendrich: Total. Als ich in Aachen angekommen bin, war es toll, all das zu sehen, was ich kenne: die Straßen, die Häuser, die Umgebung. Es sind ja nur 20 Minuten bis in meine Heimatstadt Eupen. Dort lebt meine Familie, viele Freunde, diese Region ist mein Zuhause. Und da ist es schön, ein Länderspiel in Aachen zu bestreiten – und dass viele kommen werden, die ich kenne.
Ihr letztes Spiel in der Region war ein paar Nummern kleiner.
Hendrich: (lacht) Stimmt, das war in der Saison 2008/2009, da habe ich noch für Teutonia Weiden in der Regionalliga gespielt. Das war meine erste Station im Frauenfußball, weil ich vorher beim FC Eupen mit Jungs gespielt habe. Ich hatte eine tolle Zeit in Weiden – nur mein letztes Spiel, das war ein bisschen blöd: Da hab‘ ich mich verletzt.
Aber danach lief’s ziemlich gut.
Hendrich: Das kann man so sehen.
2009 sind Sie zu Bayer Leverkusen gewechselt, 2014 zum 1. FFC Frankfurt, 2018 zu Bayern München – eine Bilderbuchkarriere.
Hendrich: Wenn ich zurückblicke, war das auf jeden Fall der richtige Weg – weil ich jedes Mal den nächsten Schritt gegangen bin. Mit Leverkusen bin ich in die Bundesliga aufgestiegen und habe mich etabliert, mit Frankfurt habe ich um Titel gespielt und 2015 die Champions League gewonnen. Und Bayern München ist eben Bayern München, eine coole Adresse. Es wäre toll, Meister mit München zu werden. Das ist ein ehrlicher Titel, weil er eine ganze Saison widerspiegelt.
War Ihre Karriere durchgeplant?
Hendrich: Es ist schwierig, so etwas zu planen, es entwickelt sich. Aber: Ich erinnere mich, dass ich als Mädchen in die Freundebücher geschrieben habe, dass ich mal beim 1. FFC Frankfurt spielen möchte. Ein kleiner Plan war da also schon in meinem Kopf. Ich bin jedenfalls glücklich mit meinen Entscheidungen.
Weil Sie Ihnen auch den Weg ins Nationalteam bereitet haben.
Hendrich: Als ich 2014 das erste Mal in die Nationalelf berufen wurde, habe ich das gar nicht realisiert. Es war mein Traum, aber er schien zum damaligen Zeitpunkt noch weit entfernt. Auch wenn ich ja alle U-Nationalteams durchlaufen habe: Nationalspielerin zu werden, war für mich nie selbstverständlich.
Und jetzt haben Sie ein olympisches Turnier, eine Europameisterschaft und eine Weltmeisterschaft gespielt.
Hendrich: Verrückt, oder? Bei Olympia habe ich zwar keine Sekunde gespielt, aber diese Erfahrung und der Gewinn der Goldmedaille waren unglaublich. Das hat mich angespornt, ich habe mir gedacht: Bei den nächsten Turnieren will ich unbedingt auf dem Platz stehen.
Bei der WM in diesem Jahr haben Sie in den ersten beiden Vorrundenspielen von Beginn an gespielt – gut gelaufen ist es für die deutschen Frauen am Ende nicht.
Hendrich: Das ist eine Frage der Erwartungshaltung. Natürlich haben wir uns mehr vorgenommen, als nur bis ins Viertelfinale zu kommen, und die Öffentlichkeit hat sich mehr erhofft. Aber: Bei einer WM im Viertelfinale mit 1:2 gegen Schweden auszuscheiden, ist keine totale Katastrophe. Die Ansprüche an das Frauenteam sind natürlich vor jedem Turnier sehr hoch, weil es in der Vergangenheit immer um Titel mitgespielt hat. Deutschland ist da verwöhnt. Ich will nicht sagen, dass diese Ansprüche heruntergeschraubt werden müssen, und natürlich werden wir weiter hart arbeiten, um wieder dorthin zu kommen – aber andere Nationen haben eben mit großen Schritten aufgeholt. Das hat ja auch etwas Gutes: Wenn die Leistungsdichte höher ist, ist das gut für den Frauenfußball. Es ist spannender.
Wir könnten jetzt über das Spannungsfeld zwischen Männer- und Frauenfußball sprechen – aber das mögen Sie nicht so gerne, oder?
Hendrich: (lacht) Ja, ich finde, dass dieses Thema durchaus nervt. Die Vergleiche zwischen den Männern und Frauen sind im Fußball einfach unangebracht. Es ist nicht miteinander zu vergleichen, was in anderen Sportarten ja auch nicht gemacht wird. Beim Frauenfußball wird dieser Vergleich aber immer wieder gezogen. Wir können doch nur verlieren, wenn ein Zuschauer einen Tag vor einem Frauenspiel noch eine Champions-League-Partie der Männer gesehen hat. Natürlich spielen wir langsamer. Diese Diskussion können wir uns also sparen, sie führt zu nichts.
Haben Sie noch ein Beispiel?
Hendrich: Schauen Sie auf die Zuschauerzahlen: Die Männer werden in dieser Konstanz immer mehr Fans in die Stadien locken als wir, das wird sich kaum ändern. Oder nehmen Sie die Gehälter. Natürlich verdienen die Männer viel mehr Geld als wir, aber sie bringen den Vereinen und Verbänden auch mehr ein.
Das ist eine sehr rationale Sicht.
Hendrich: Wir Fußballerinnen müssen auf uns schauen, wir spielen unser Spiel, wir betreiben Hochleistungssport. Und wem das gefällt, der kann gerne kommen und unsere Spiele schauen. Wir freuen uns über jede Wertschätzung unserer Leistung. Aber wer unseren Fußball nicht schauen will, der soll es lassen und dann auch nicht seinen Senf dazugeben. Wir wollen einfach Fußball spielen.
Gutes Stichwort. Die EM-Qualifikation hat gut begonnen: 10:0 gegen Montenegro, 8:0 in der Ukraine – und am Samstag wird das deutsche Team die Ukraine in Aachen wieder klar schlagen, oder?
Hendrich: Der hohe Sieg im ersten Spiel ist jetzt unwichtig. Partien gegen Deutschland vor größerer Kulisse, als sie sie in der Heimat gewohnt sind, sind für solche Nationen immer ein Höhepunkt. Und die Ukraine hat Anfang des Jahres mal 1:0 gegen Schweden gewonnen. Ein Selbstläufer wird das nicht.
Der Anspruch kann aber doch nicht sein, das Spiel in der letzten Minute mit 2:1 zu gewinnen.
Hendrich: Natürlich nicht. Wir wollen guten Fußball spielen, wir wollen offensiv sein – und klar, am liebsten wollen wir wieder viele Tore schießen. Wäre ja auch für die Zuschauer ganz schön.
Wie wichtig sind solche Spiele auf dem Weg, wieder ein Nationalteam zu werden, das Titel gewinnen kann?
Hendrich: Es geht darum, Automatismen zu verfeinern, zu einer echten Mannschaft zusammenzuwachsen, die Freude am Fußball auf den Platz zu bringen. Da hilft jedes Spiel.
Wie sehen Sie Ihre eigene Rolle?
Hendrich: Ich bin seit knapp sechs Jahren Teil des Teams, ich habe schon viele Erfahrungen sammeln dürfen. Ich versuche natürlich, jungen Spielerinnen etwas mit auf den Weg zu geben – neben und auf dem Platz. Auch wenn ich in den vergangenen beiden Spielen nicht zum Einsatz gekommen bin, will ich natürlich immer spielen.
Irgendwann auch wieder bei Teutonia Weiden?
Hendrich: (lacht) Ich habe noch keine konkreten Pläne für die Zeit nach der Profikarriere. Ich studiere nebenbei ja auch Bildungswissenschaften, da baue ich mir ein zweites Standbein auf. Aber vielleicht bleibe ich auch dem Fußball erhalten. Ich hoffe, dass es sich so toll ergibt, wie sich meine bisherige Laufbahn entwickelt hat. Das ist Zukunftsmusik. Aber irgendwann in die Region zurückzukommen, nicht nur im Rahmen eines Länderspiels, das kann ich mir schon vorstellen.