München : Schlaudraffs Flucht aus dem Paradies
München Die Wiedervereinigung ist besiegelt. Jan Schlaudraff wird in der nächsten Spielzeit erneut mit Dieter Hecking arbeiten. Münchens Stürmer unterschreibt bei Hannover 96 einen Vertrag bis 2012. Vor der Saison wechselte er für eine Million Euro von Aachen zum FC Bayern, inzwischen hat sich sein Marktwert mehr als verdoppelt.
Und selbstverständlich gibt es auch in diesem Fall ein üppiges „Begrüßungsgeld”. Auf die branchenübliche „Abfindung” für die Vertragsauflösung bei den Bayern verzichtet Schlaudraff allerdings. Unser Redakteur Christoph Pauli unterhielt sich mit dem 24-Jährigen.
Herr Schlaudraff, was können Sie über die schöne Stadt erzählen, die Sie bald wieder verlassen?
Schlaudraff: München ist super, fast immer schönes Wetter, überragende Freizeitmöglichkeiten. Und in einer Stunde ist man in Österreich oder der Schweiz. Neulich war ich dort zum Skifahren.
Was können Sie über den großen FC Bayern berichten?
Schlaudraff: Top-Adresse in Europa. Hier ist alles eine Nummer größer als zum Beispiel in Aachen oder Mönchengladbach. Bei jedem Training sind drei, vier Kameras vor Ort, wenn etwas vorgefallen ist, doppelt so viele.
Ich habe noch nie einen besser organisierten Verein kennengelernt. Um die Mannschaft schwirren unglaublich viele Menschen herum. Aber es bleibt familiär, weil man es immer mit denselben Leuten zu tun hat.
Sie haben nie in der Anfangsformation gestanden, sind zwölfmal eingewechselt worden, haben das einzige Tor in der Regionalliga-Elf geschossen. Ist das nicht nun ein Karriereknick, wenn man beim Deutschen Meister und Pokalsieger landet, aber nur selten gefragt ist?
Schlaudraff: Insgesamt hat mich das Jahr weitergebracht. Es ist aus verschiedenen Gründen unglücklich gelaufen, auch wegen der Bandscheiben-Operation, aber die Erfahrungen waren hilfreich. Alle Erfahrungen, die man bei Bayern macht, helfen. Ob das im Training, im Spiel, beim Ablauf ist - man lernt ständig.
Wie entwickelt man sich, wenn man kaum eingesetzt wird?
Schlaudraff: In der Tat wäre es am besten, wenn man Spielpraxis bekommen hätte. Aber trotzdem ist es nicht das schlechteste, mit so vielen Nationalspielern zu arbeiten.
Sie sind ein besserer Spieler geworden, obwohl Sie Reservist sind?
Schlaudraff: Das ist schwer zu sagen. Besser glaube ich nicht, aber ich habe eine Menge gelernt. Und prinzipiell ist man sicherlich kein Opfer, wenn man beim FC Bayern war.
Ist es nicht schmerzlich, wenn Sie das Wunder von Getafe nur vor dem Fernseher verfolgen oder beim Pokalfinale nicht zum Kader gehören
Schlaudraff: Doch, auch wenn ich die Erfahrung, nicht dabei sein zu dürfen, in den letzten Wochen häufiger machen musste. Ich habe wenig zu dem Erfolg beigetragen, weil ich im Pokalwettbewerb zum Beispiel nicht eine Sekunde gespielt habe. Deswegen habe ich das Festbankett in Berlin auch früh verlassen.
In der Winterpause hat Manager Uli Hoeneß gesagt, er sei vor allem auf die Entwicklung von Jan Schlaudraff in der Rückrunde gespannt. Dann fand die Entwicklung wieder auf der Ersatzbank statt.
Schlaudraff: Stimmt. Die Gelegenheit, mich rauszuspielen, habe ich nicht erhalten.
Woran liegt es?
Schlaudraff: Luca Toni und Miro Klose sind gesetzt, dann folgt Lukas Podolski. Wir sind erfolgreich in allen Wettbewerben, also gibt es wenig Grund, etwas zu verändern. Lukas sollte erst verkauft werden, dann doch wieder nicht, somit war klar, dass ich wieder ins vierte Glied zurück rücke.
Sie haben beim FC Bayern frühzeitig zugesagt, als noch nicht absehbar war, dass der Klub seine Schatzkammer öffnet. Haben Sie schon einmal überlegt, wie die Karriere weitergegangen wäre, wenn Sie eines der vielen anderen Angebote angenommen hätten?
Schlaudraff: Nein.
Sie haben Aachen verlassen mit dem Hinweis, Sie seien jetzt reif für diesen Schritt. Würden Sie das Urteil heute noch einmal fällen?
Schlaudraff: Von der Persönlichkeit wäre ich in der Lage, auch beim FC Bayern zu spielen. Aber sportlich hat es eben nicht gepasst. Ich habe es nicht gepackt.
Und jetzt kehren Sie heim in Heckings Reich.
Schlaudraff: Hannover hat sich bemüht, Dieter Hecking und ich hatten immer Kontakt. Der Wechsel ist keine schlechte Sache. Deswegen haben wir auch ausschließlich mit Hannover gesprochen und mit keinem anderen Verein verhandelt. Ich bin überzeugt, dass Hannover gute Perspektiven hat.
Es jährt sich der Tag der Suspendierung (1. Mai 2007; d. Red.) in Aachen. Wie denken Sie mit entsprechendem Abstand über die letzten Tage bei Alemannia?
Schlaudraff: Es ist sehr unglücklich gelaufen, was sicherlich an beiden Seiten lag. Wir haben uns alle keinen Gefallen mit dieser blöden Nummer getan.
Es war dumm, weil wir die Klasse nicht nur hätten halten können, sondern auch müssen. Und dann wäre es für Aachen in dieser Saison leichter gewesen, in der Bundesliga zu bleiben.
Sie haben beim Abschied in Aachen gesagt, irgendwann werden Sie die wahre Geschichte erzählen. Ist die Zeit reif für die wahre Geschichte?
Schlaudraff: Das hatte ich mir damals überlegt, aber nachkarten bringt jetzt auch nichts mehr. Die Leute am und um den Verein wissen ja doch, warum wir es nicht geschafft haben.