1. Sport
  2. Fußball
  3. Bundesliga

Kommentiert: Stilvolles Partyende?

Kommentiert: Stilvolles Partyende?

Es wurde viel getanzt, die Stimmung war ausgelassen. Eine ganze Region swingte mit. Und niemand - kein Spieler, Trainer, Fan, und auch kein Journalist - fand sich, der vor schlechteren Zeiten warnte.

Wer wollte auch als Spaßbremse gelten, wenn die gute Laune um ihn herum überschwappte? Das war Alemannia 2004.

2005 hat sich Katerstimmung breit gemacht. Der Kopf dröhnt, der Körper ist lahm. So recht weiß keiner der Partygäste, was den Kater verursacht hat. Warum ist die angekündigte letzte Pointe ausgeblieben? Es wird wohl auch an der Überdosis, am Überschwang liegen.

Das grelle Licht der Tabelle schmerzt in den Augen, keiner will mehr tanzen. Und schon fordern Einzelne einen neuen Choreographen, einen, der die Stimmung repariert. Ein langes Jahr haben sie gefeiert, eine Dauerfete. Das ist nicht selbstverständlich, auch wenn es im Laufe der Zeit sich so schön normal angefühlt hat.

Der Zeitpunkt mag irritieren, aber ein Wort des Dankes für Emotionen, für Leidenschaft, für viele unvergessene Momente, für heute noch wiederkehrende Gänsehaut ist angebracht. Und wäre es nicht ein stilvolles Partyende, wenn am Sonntag Tausende noch einmal zum Tivoli pilgern würden, um sich gegen Trier für eine geile Zeit zu bedanken?

Nur damit kein Missverständnis aufkommt: Es gibt an der aktuellen sportlichen Situation kein Promille zu beschönigen. Die Mannschaft hat so rasant Ansehen und Perspektive verspielt, dass man schon beim Zusehen Schwindelanfälle erleidet. Mit der Leidenschaft von Dresden geht die Mannschaft nicht nur gegen den Tabellenletzten unter, mit diesem Elan holt sie nicht einen Punkt mehr im Ligaalltag. Das Spiel lag dicht an der Betäubungsgrenze.

Es dürfte ein nahe liegender Gedanke sein, der Gruppe der 88 Fans, die sich die (Tor-)Tour angetan haben, die Reisekosten aus der Mannschaftskasse zu erstatten. Wohl selten hat ein Team innerhalb von sechs Wochen seine Zukunft so eindrucksvoll verspielt.

Der einzige - wenn auch schwache - Trost in dieser Kater-Phase: Der Verein bekommt unerwartet früh Planungssicherheit. Spieler, die gerade noch als ausgewiesene Leistungsträger als unersetzbar galten, haben in 2005 eindrucksvoll dokumentiert, dass sie der Mannschaft eben doch nicht dauerhaft weiterhelfen. Die Qualität der Spieler zeigt sich eher in schwächeren Phasen.

Und noch ein Trost: Dornröschen Alemannia ist nach jahrzehntelangem Schlaf endlich wachgeküsst worden. Und es gibt die Hoffnung, dass das Fabelwesen so schnell nicht wieder wegdämmert. Das ist auch in trüben Zeiten eine gute Nachricht.