Bochum : Der VfL Bochum holt Peter Neururer zurück ins Profigeschäft
Bochum Ein munteres „Weiter so!“ hatte sich spätestens am Samstagnachmittag erledigt, als Dynamo Dresden in der Tabelle vorbeizog und den VfL Bochum auf Relegationsrang 16 stürzte. An der Castroper Straße läuteten die Alarmglocken schriller denn je, mit dem 0:3 am Abend zuvor gegen Erzgebirge Aue war Schicht für den Cheftrainer.
Der zu Bundesliga-Zeiten lange als „unabsteigbar“ geltende VfL erscheint nun auch in der Zweiten Liga als absteigbar. Karsten Neitzel — der erst am 6. November das Amt von Andreas Bergmann übernommen hatte — wurde nach vier Niederlagen und sechs sieglosen Spielen in Folge nicht mehr zugetraut, das Ruder noch herumzureißen. In einem Aufwasch stellte der Klub auch gleich Sportvorstand Jens Todt frei und sucht sein Glück nun in einem Spiel mit der Nostalgie. Peter Neururer ist wieder im Geschäft, er führte den VfL einst zurück in die Bundesliga und in den Uefa-Cup und bezeichnet Bochum, wo sein dreieinhalbjähriges Wirken im Sommer 2005 mit dem Abstieg endete, als „die emotionalste Station meiner Karriere“.
„Wie alles im Leben habe ich auch das spontan entschieden“, sagt Neururer über sein Comeback, das kaum einer mehr erwartet hatte. Am Sonntag traf er sich mit Aufsichtsratschef Hans-Peter Villis im Gelsenkirchener Golfclub, dort, wo Neururer am 9. Juni letzten Jahres mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen war. Nun folgt der Mann, völlig genesen, dem Ruf seiner Herzensangelegenheit Bochum. „Dass die ganze Situation beim VfL punktemäßig so eskaliert, das war auch für mich überraschend“, sagt der bald 58-Jährige, auch wenn er schon vor der Saison prophezeit hätte: „Bochum braucht jeden Punkt gegen den Abstieg.“
Wieder ganz der Alte...
Peter Neururer ist wieder — oder immer noch — der Alte, das weiß man spätestens mit diesem Satz: „Das wird der härteste Job, den ich je gemacht habe.“ Aus drei Gründen: „Erstens die Erwartungshaltung, zweitens der Zustand der Mannschaft, punktemäßig, und drittens das Restprogramm.“ Cottbus, St. Pauli, Sandhausen, Köln, FSV Frankfurt, Union Berlin — alles Gegner, die selber noch Ambitionen haben. Aber waren nicht die 65 Tage bei Hertha BSC im Jahr 1991 eine Erfahrung, an die nichts mehr heranreichen kann? „Hertha war chancenlos. Das ist Bochum nicht.“
Zu den Dingen, die Neururer im Rückblick auf seine Karriere bedauert, gehört das Ende seiner ersten Amtszeit beim VfL. Auch wenn er es heute genau so tun würde. Sie wollten ihn damals halten, doch der Trainer blieb bei seinem Wort: „Wenn wir absteigen, gehe ich.“ Es folgten noch zwei Engagements von jeweils einem knappen Jahr bei Hannover 96 und beim MSV Duisburg, seit dem 29. Oktober 2009 war Neururer ohne Verein. Anfragen gab es wohl, doch weder wollte er ins Ausland noch in eine untere deutsche Liga.
Aber Quatschen konnte er schon immer, Sport1 holte ihn 2010 als Experten. So saß Neururer noch vor einer Woche wieder in der Kneipe in Essen-Rüttenscheid, wo Fernsehkameras auf den Stammtisch von Thomas Helmer und die Gäste im Hintergrund gerichtet sind, die Champions League schauen — und dem TV-Konsumenten daheim berichtet wird, dass Franck Ribéry soeben Arturo Vidal auf die Wade getreten ist.
Neururer verteidigt diese merkwürdige Darreichungsform des Fußballs („grandiose Kneipe, tolle Einschaltquoten, Fußball pur“), vielleicht auch deshalb, weil sie seinen Namen in der Szene präsent gehalten hat. Nun war es „keine Frage, dass ich dem VfL helfe, wenn er mich braucht. Ich freue mich, wieder zurück zu sein. Ich bin wieder zu Hause.“ Rettet er Bochum, „dann werde ich auch länger beim VfL bleiben“.
Das kürzlich erschienene Buch über Peter Neururer endet mit der Ankündigung, nur noch in Fernsehen zu machen, wenn das in dieser Saison nichts mehr werden sollte als Cheftrainer oder Sportdirektor. Ein letztes Bewerbungsschreiben also? „Ich habe 560 Pflichtspiele im Profifußball, 233 in der Bundesliga. Da brauche ich mich nicht zu bewerben.“ Und für Bochum galt — neben Schalke und dem 1. FC Köln — außerdem keine Deadline. „Für einen dieser Klubs würde ich immer eine Ausnahme machen.“ Derzeit ist die Not beim VfL am größten.