Mönchengladbach : Borussia verliert - auf höherem Niveau
Mönchengladbach Lächelnd trat Max Eberl auf die Journalisten-Schar zu. Und das nach einem 1:3 seiner Mönchengladbacher gegen Bayer Leverkusen und dem Rückfall auf den letzten Tabellenplatz? „Ist denn jemand gestorben?”, konterte Borussia Sportdirektor die kollektive Überraschung. Immerhin beinahe.
„Der erste hat mich gefragt, ob ich mir jetzt ein Strick nehme. Die beiden nächsten Fernseh-Interviewer haben gefragt, ob ich aufgebe.” Ball paradox: Erneut verlor seine Mannschaft ein Heimspiel, das sechste mittlerweile. Erneut mit 1:3 wie gegen Cottbus. Erneut spickte seine Profis ihr Spiel mit krassen Fehlern.
Und doch war alles ganz anders. „Das war mein achtes Spiel. Und zum ersten mal sehe ich ein Hoffnungszeichen. Zum ersten Mal haben wir etliche Chancen uns herausgespielt”, berichtete der Borussen-Trainer. „Ich sehe dem Frühjahr nicht hoffnungslos entgegen.”
Mit einem 1:3 haben seine Jungs also die Hoffnung auch bei ihrem Trainer reanimiert? Der hatte unter dem Eindruck der unbeschreiblich miesen ersten Halbzeit gegen Cottbus vor einer Woche zahlreichen Beobachtern den Eindruck vermittelt, er habe bereits seinen Rettungsauftrag aufgegeben.
Nun aber „Mission possible”: Die Kehrtwende entsprang nicht dem phantasiebegabten Gehirn eines Fußballtrainers, der mit dem Rücken zur Wand steht. Wer sehen wollte - sicherlich nicht die Fans, die sich in Rufe wie „Wir woll´n Euch kämpfen seh´n” und „Vorstand raus!” verirrten -, sah eine mittlere Sensation.
Zwei bis drei Verstärkungen für die Winterpause hatte Meyer nach dem Cottbus-Debakel angekündigt. Beinah sah es so aus, als hätten sie schon in der Woche zugeschlagen: 11 auf einem Streich. Zwar vergab erneut ein Borusse, diesmal Roberto Colautti (gegen Cottbus Michael Bradley) in der 1. Minute per Kopf eine so genannte Hundertprozentige.
Doch abgesehen von diesem Deja-Vu boten die Gladbacher ein Kontrast-Programm: Sie spielten Fußball. Frühes Draufgehen, mehr Aggressivität, Kombinationen, größere Distanz zum eigenen Tor, Torchancen: Das beeindruckte nicht nur die Leverkusener, sondern auch deren Trainer. „Sie haben uns alles abverlangt. Unser Sieg war verdient, aber wir mussten viel investieren”, analysierte Bruno Labbadia.
Fataler Weise ist das Investitionsvermögen der Bayer-Mannschaft weitaus größer als das der Gladbacher. Und so blieb die große Sensation aus. Gut spielen - im Verhältnis zum bisher Dargebotenen - und zusätzlich gewinnen, hätte nach dem Cottbus-Desaster auch wohl viele an ihrem Fußballverstand zweifeln lassen. Wenn es denn eine Heilung des scheinbar siechenden Patienten geben sollte, erfolgt sie scheibchenweise.
Eine Auferstehung kurz vor Weihnachten haben die höheren Fußballmächte für Borussia nicht im Angebot. Das wäre zuviel des Guten: Immerhin sorgten sie schon für eine besondere Konstellation, die auch Hans Meyer goutiert: „Trotz des Ergebnisses sind wir drangeblieben, weil auch Andere nicht mehr gemacht haben. Ansonsten hätten wir schon den Aufbau für die Zweite Liga planen können.”
Nur elf Punkte nach dem 14. Spieltag, und dennoch ist Borussia nicht abgeschlagen, sondern schwimmt im Abstiegspool mit vier weiteren Abstiegskandidaten. Doch das Verlieren auf höherem Niveau reicht auch allenfalls noch kurzfristig. Spätestens zur Weihnachtszeit soll der Kader getunt werden. „Mit mindestens zwei Verstärkungen. Ergänzungsspieler haben wir bereits genug.”
Einer davon könnte Oguchi Onyewu (26) sein, US-amerikanischer Nationalspieler im Dienste von Standard Lüttich. Der Vertrag des 1,94m großen Innenverteidigers läuft im Sommer aus.
Potential besitzt Steve Gohouri auch. Aber Probleme mit der Konzentration und Eigen-Erkenntnis. „Wir haben hinten und vorne noch zu viele Fehler gemacht”, urteilte Meyer abseits allen Lobs. In der Offensive die Chancen fahrlässig vergeben (Friend, Bradley).
In der Defensive erneut Aussetzer. Während man dem 0:1 durch Kießling noch den Stempel Pech aufdrücken konnte, leitete Gohouri dessen zweiten Treffer per Fehlpass ein und blieb auch noch kurz vor der Rettung einfach stehen (37.). „Wenn man keine Tore schießt, kann man nicht gewinnen”, mäkelte der Ivorer einseitig am Sturm, statt verschämt sich seiner Patzer zu besinnen.
Dem 0:3 durch Patrick Helmes (54.) ging eine Abseitsstellung voraus und war überwiegend Gladbachs Risiko-Spiel und Bayers Konterstärke geschuldet. Das 1:3 durch den erneut überzeugenden Benjamin Tony Jantschke (61.) ließ die Heimelf an einer Sensation schnuppern. Die große Sensation, die Auferstehung, gibt es wohl traditionsgemäß erst im Frühjahr.