Gladbachs Duell mit Freiburg : Zwischen Wunschtrainer und Saisonrettung
Mönchengladbach Borussia Mönchengladbach muss gegen den SC Freiburg den Sieg auf Schalke bestätigen. Sportdirektor Max Eberl schwärmt vom gegnerischen Trainer Christian Streich.
Die Tage nach dem vergangenen Bundesliga-Spieltag waren für Marco Rose auf jeden Fall eine Zäsur: Die Haare sind geschnitten. Dahinter steckt nicht das Motto: Bis zu einem Sieg lasse ich sie wachsen. Das 3:0 auf Schalke wäre so eine vorösterliche Erlösung gewesen. In Wirklichkeit hat es ganz schlicht etwas mit den Corona-Bedingungen und der Öffnung der Friseur-Geschäfte zu tun.
Womöglich wollte Borussia Mönchengladbachs Trainer aber auch seinem Freiburger Kollegen, dem er an diesem Samstagabend (20.30 Uhr) im Borussia-Park begegnen wird, einen Gefallen tun. Christian Streich hatte zuvor bereits zum ungehemmten Haarwuchs Stellung genommen: „Es gibt eine Phase, wo man denkt, um Gottes Willen, wenn ich in den nächsten Tagen nicht zum Friseur komme, wird‘s unerträglich für denjenigen, der mich anschauen muss.“
Seinen Blick muss der SC-Coach also nicht abwenden. „Ich habe die Chance wahrgenommen“, sagt Gladbachs Trainer über seinen Friseur-Besuch in der Länderspielpause. Damit ist Rose das gelungen, womit seine Spieler wochenlang Probleme hatten: eine optimale Chancenverwertung. Der Schnitt ist vollzogen, aber noch viel mehr wird dem 44-Jährigen daran liegen, dass auch der Sieg in Gelsenkirchen eine Zäsur war, eine neue Phase einläutet, mit verbesserter Tor- und Siegausbeute. Es geht um nichts weniger als die Rettung der Saison.
„Auf Schalke hat man uns zum ersten Mal angesehen, dass wir wenig Erfolgserlebnisse hatten. Nicht, dass wir schlecht gespielt haben, aber die Spieler waren nicht so frei“, sagte Rose. Ob sich das mit dem Sieg nachhaltig geändert hat, wird gerade auch das Spiel mit den so unangenehmen Freiburgern zeigen.
Die Gladbacher müssten bis in die Haarspitzen motiviert sein. „Wenn man auf die Tabelle schaut, sieht man sofort, dass es aufgrund der Konstellation ein sehr wichtiges Spiel für uns ist. Freiburg steht momentan in der Tabelle knapp vor uns, und wir würden gerne wieder vorbeiziehen“, sagte Rose auf der virtuellen Pressekonferenz.
„Wir müssen eine Schippe drauflegen“
Der Gast liegt derzeit auf Platz acht, Borussia auf Rang zehn mit einem Punkt Rückstand. „Wir müssen eine Schippe drauflegen, um die Europa League zu erreichen“, verkündet Streich. „Das muss keine Bagger-Schippe sein, eine Schaufel reicht schon.“
Ein Sandkasten-Schippchen für die Gladbacher reicht nicht, zumal mit Jonas Hofmann (Corona-Quarantäne) und Ramy Bensebaini (gelbgesperrt) zwei Leistungsträger fehlen. In den letzten acht Spielen wiegt jede weitere Niederlage doppelt schwer. Das Schrumpf-Ziel Europa Conference League, für das sogar Platz sieben reichen würde, wenn sich der DFB-Pokalsieger bereits über seine Ligaplatzierung für die Champions oder Europa League qualifiziert hat, wäre ein kleines, aber immerhin noch ein Trostpflaster für eine abgesehen von der Gruppenphase in der Königsklasse verkorkste Saison.
Rose, der künftige BVB-Coach, steht unter Druck, zumindest diese neue und niedrigste aller europäischen Wettbewerbs-Plattformen seinem Nachfolger zu bieten. Die Frage, wer das sein wird, führt nicht nur zu zum Teil irrwitzigen Spekulationen, sondern auch zu gelungenen Scherzen.
Hütters Scherz
Adi Hütter etwa fällt dies als Österreicher und gerade mal wieder besonders gehyptes Spekulationsobjekt nicht schwer. „Was ich weiß, ist der Xabi Alonso Trainer“, konterte Frankfurts Trainer auf der aktuellen Eintracht-Pressekonferenz, nachdem er seine Treugelöbnis zu seinem hessischen Arbeitgeber bekräftigt hatte. Hütter soll angeblich eine Ausstiegsklausel in Höhe von 7,5 Millionen Euro besitzen.
Christian Streich gilt als Ausnahmeerscheinung in der Fußball-Bundesliga. Nicht nur, weil er seit Dezember 2011 Cheftrainer der Breisgauer ist. Keiner seiner Kollegen ist so treu, so authentisch, so temperamentvoll und zugleich so intelligent in seinen Aussagen wie der 55-Jährige. Der SC-Coach gilt als Kulttrainer, wurde zuletzt sogar als Nationaltrainer gehandelt.
Viele aber halten den Mann aus dem Freiburger Fußball-Biotop nicht für verpflanzbar, sie glauben, er könnte nur beim Schwarzwald-Club funktionieren. Dem widerspricht Max Eberl: „Ich glaube, dass er auch woanders klarkommen würde.“
Etwa in Mönchengladbach – im Gegensatz zu vielen anderen Bundesliga-Clubs. Am Niederrhein herrschen klare Strukturen, in einer Ergebniskrise wird dem Trainer weiter vertraut – frag nach bei Rose oder zuvor Lucien Favre – und der Rücken gestärkt.
Wenn Gladbachs Sportdirektor dann noch schwärmt: „Christian Streich ist ein Unikat im deutschen Fußball, ein großartiger Trainer und Mensch“, weiß man, dass der Freiburger nicht nur zu Gladbach, sondern auch Eberl passen würde. Zum Wunsch-Kandidaten konnte der 55-Jährige dennoch nicht werden, das Timing stimmte nicht: Vor einem Dreivierteljahr hat Streich bei Freiburg verlängert, und die Saison verläuft – wieder mal – optimal. Streich und eine Ausstiegsklausel – undenkbar! Was Eberl bleibt, ist nur eine neue Vertragsform mit dem zukünftigen Trainer zu kreieren. Keine Ausstiegs-, sondern eine Rauswurfklausel: Wenn Streich frei ist, muss der Neue gehen...
Voraussichtliche Aufstellung: Sommer - Lainer, Ginter, Elvedi, Wendt - Kramer, Neuhaus - Lazaro, Stindl, Thuram - Pléa