Champions League : Inter gegen Gladbach, Lukaku gegen Thuram
Mönchengladbach Die Paarung klingt nach großem Fußball: Am Mittwoch treffen Inter Mailand und Borussia Mönchengladbach in der Champions League aufeinander. Die beiden Starstürmer Marcus Thuram und Romelu Lukaku verbinden nicht nur körperliche Stärke und gute Technik.
Demut ist für Marco Rose kein Fremdwort. Der Trainer von Borussia Mönchengladbach ist stark verwurzelt in seinem religiösen Glauben. Doch der 44-Jährige weiß, wann es heißt, trotz einer Riesen-Herausforderung selbstbewusst zu sein. Etwa vor dem Auftakt zur Chamions League am Mittwoch (21 Uhr/DAZN live) bei Inter Mailand. „Wir spielen, um weiterzukommen. Dass uns echte Hochkaräter erwarten, wussten wir schon vor der Auslosung.“ Auch durch den enttäuschenden Start in die Bundesligasaison lässt sich Rose nicht kleinmachen. „Wir wollen mutig sein. Wir müssen frech, auch unangenehm sein und Konstanz auf den Platz bringen.“
„Er war ein Monster“
Speziell in der Offensive besitzt Borussia das Potenzial, Inter zu ärgern. Marcus Thuram verkörpert diese Qualität. Und auch Alassane Pléa, der wohl neben seinem französischen Landsmann im Sturm beginnen wird, nachdem er wegen einer Mini-Babypause gegen Wolfsburg gefehlt hat, besitzt erhöhtes europäisches Offensivformat. Thuram aber ist noch ein anderer Typ als Pléa. Die Begriffe Wucht und Bulle sind die beliebtesten Beschreibungen seiner fußballerischen Schaffenskraft. Interessanterweise besitzt Inter Mailand eine Entsprechung in der Abteilung Attacke: Romelu Lukaku, belgischer Nationalstürmer, der nicht nur wegen seines 93 Kilo Kampfgewichts und seiner 1,91 m bereits optisch auffällt. Eine imposante Körperlichkeit besaß der 27-Jährige bereits in jungen Jahren. Das beschrieb sein Jugendtrainer Erwin Wosky einst drastisch: „Die anderen Kinder fingen buchstäblich an zu weinen, als sie ihn kommen sahen. Er war ein Monster.“
Dabei greift die Reduzierung auf die Statur bei beiden Stürmern zu kurz. Lukaku ist ein sehr guter Fußballer mit ausgefeilter Balltechnik. Kein Wunder, wenn Rose sagt: „Lukaku wird im letzten Drittel gesucht, auf ihn ist das Spiel ein Stück weit zugeschnitten.“ Thuram aber ist nicht weniger wichtig für die Gladbacher Mannschaft. „Es gehört mit zu den schwierigsten Aufgaben, Thuram zu verteidigen“, erklärte Wolfsburgs Oliver Glasner nach dem 1:1 am Samstagabend.
„Tikus hat einen ganz feinen Fuß“, schwärmt auch Mannschaftskollege Patrick Herrmann von den technischen Qualitäten Thurams. Keiner seiner Freunde oder Kollegen nennt ihn Marcus. In seiner Kindheit gab er sich selbst den Spitznamen Tikus, zusammengesetzt aus kus als zweite Silbe seines Vornamens, und ti, was in der Heimat seines Vaters Lilian, Guadeloupe, klein heißt. Inzwischen ist Tikus groß geworden, größer als Papa Liliam (1,82 m). Noch aber kommt er nicht an dessen Ruhm als französischer Rekordnationalspieler heran.
Liliam Thuram war ein Weltklasseverteidiger bei Monaco, Parma, Juventus Turin und dem FC Barcelona. Auch sein Sohn wird in absehbarer Zeit bei einem europäischen Top-Club landen, der Gladbach noch nicht ist. Mit 1,92 m Körpergröße und 81 Kilo besitzt der 23-Jährige ein hohes Gewicht nicht nur in der sportlichen Entwicklung des Bundesligisten. Er ist mit seiner offen-fröhlichen Art und seinem Eckfahnenjubel zum Publikumsliebling avanciert. Auch innerhalb des Teams ist der Stürmer mit seiner positiven Ausstrahlung eine Führungspersönlichkeit.
„Mein größte Stärke ist, dass ich Fußball liebe. Nicht meine Technik oder was auch immer“, lautet Thurams Eigenanalyse. Diese Liebe, die im Spiel sichtbar ist, die positive Kindlichkeit auf und neben dem Platz, macht den Franzosen so besonders. Dabei ist Tikus Thuram keineswegs naiv. Als Sohn eines erfolgreichen Profifußballers hat er Armut nicht erlebt. Aber sein Vater, der auf der Karibikinsel Guadeloupe aufwuchs und sich in Frankreich erst einmal zu seinem wirtschaftlichen Status hochkämpfen musste. Lilian Thuram wurde für seinen Kampf gegen Rassismus mehrfach ausgezeichnet. Unvergessen bleibt seine Attacke auf Nicolas Sarkozy, der 2005 als französischer Innenminister nach Unruhen in den Pariser Vororten von „Gesindel“ gesprochen hatte. „Wenn Sie diese Menschen als Gesindel bezeichnen, fühle ich mich auch angesprochen, da ich auch aus so einer Banlieue komme.“
Natürlich wurde Klein-Marcus davon beeinflusst. Spätestens sichtbar beim Spiel der vergangenen Spielzeit gegen Union Berlin. Da ging der Gladbacher Stürmer demonstrativ auf die Knie, um gegen Polizeigewalt und Rassismus in den USA zu protestieren. Mit Rassismus war auch Lukaku, der in Belgien in bitterer Armut aufwuchs, konfrontiert. „Wenn es gut lief, war ich Romelu Lukaku, der belgische Stürmer. Wenn es nicht gut lief, war ich Romelu Lukaku, der belgische Stürmer kongolesicher Abstammung.“ Bei Inter Mailand allerdings besitzt er Heldenstatus. Vor dem Europa-League-Finale gegen den FC Sevilla druckte die „Gazzetta dello Sport“ auf ihrer Titelseite sein Foto in Superheldenkostüm. Da passt es, dass Thuram Gorillas liebt und gerne Gorilla-Emojis benutzt. „Sie symbolisieren Stärke und sind wie Menschen.“ Es wird nicht einfach werden dafür zu sorgen, dass nach dem Spiel im Giuseppe-Meazza-Stadion Eckfahnenjubel und Emojis zum Einsatz kommen.
Voraussichtliche Aufstellung: Sommer - Ginter, Elvedi, Bensebaini - Lainer, Kramer, Neuhaus, Hofmann - Stindl - Thuram, Pléa