Sevilla : Gladbachs Rückreise mit Übergepäck
Sevilla Rückflug mit Übergepäck: Um 11 Uhr startete am Freitag in Spanien der Flieger, der Borussia Mönchengladbach zurück in die niederrheinische Tiefebene brachte. Mit an Bord nicht nur Mannschaft, Trainer und Betreuerteam, sondern auch zwei schwergewichtige Mitbringsel vom 0:1 in der Europa League beim FC Sevilla.
Einmal das Gefühl, das bisher beste Spiel im Jahre 2015 abgeliefert zu haben, zum anderen aber auch die Gewissheit, fürs Rückspiel am kommenden Donnerstag im Borussia-Park eine heikle Ausgangsposition zu haben. „Bei einem Tor für uns gäbe es Verlängerung und Elfmeterschießen. Das ist immer Glückssache“, überlegte Martin Stranzl. „Also müssen wir eigentlich auf zwei Tore spielen.“
Puh — welche Aufgabe! Denn mit dem Toreschießen hat es die Elf von Lucien Favre nicht so sehr. Unter Ergebnis-Druck nach vorne zu spielen, entspricht nicht unbedingt der Philosophie des Schweizer Trainers. Der 57-Jährige mag es lieber behutsam, kontrolliert und diszipliniert.
Die Spiele von Borussia Mönchengladbach entwickeln sich. Selbst bei Rückständen in einem Match pflegt Favre Geduld und Besonnenheit zu predigen, um nicht mit wilden Aktionen endgültig dem Ergebnistod auf die Schüppe zu springen. Jetzt also in fünf Tagen der Spagat zwischen Ruhe und Druck — spielerisch gesehen. Eine emotionale Belastung sieht Borussias Mannschaftskapitän nicht. „Im Fußball geht es nun mal um Tore. Wenn wir kein Tor erzielen, haben wir es auch nicht verdient weiterzukommen“, so sein lakonischer Kommentar.
Die Verdienstaussichten hätten aber auch ohne erzieltes Tor ungleich höher ausfallen können. Bei einem 0:0 etwa. „Das Gegentor war unnötig, in dieser Situation waren wir nach einem eigenen Angriff in der Rückwärtsbewegung zu unkonzentriert“, ärgerte sich Lucien Favre über den Treffer von Vicente Iborra (70.). Der Schweizer benutzte den „Pluralis Anonymus“. Im sportlichen Sinne Schuldige mag der höfliche Fußballlehrer nicht nennen. Das taten andere für ihn.
Der Boulevard etwa prügelte gleich auf Oscar Wendt ein. Der Schwede hatte dem auf seiner linken Abwehrseite grandios steil geschickten Diogo Figueiras nicht folgen und damit dessen Reingabe auf Iborra nicht verhindern können. So weit so schlecht. Doch Wendt, der mit ähnlichen Defensiv-Malheuren in dieser Spielzeit ein vortrefflichen Sündenbock abgibt, war nicht alleine. Der Torschütze traf aus einer Position, in der sich auch gerne mal die Sechser tummeln dürfen. Und welcher Linksverteidiger kann von sich behaupten, niemals überlaufen worden zu sein?
„Fußball ist manchmal ungerecht“, philosophierte Christoph Kramer, einer der Sechser und an jenem Sevilla-Abend ein eher bedröppelt wirkendes Geburtstagskind (24). Dieses Unrecht und auch die Niederlagen-Last für Oscar Wendt hatten aber die Borussen auch in der Offensive begünstigt. Besonders bitter dabei, dass ausgerechnet Wendt kurz nach der Pause die Riesen-Möglichkeit besaß, seinem Malheur vorzubauen. Doch der Blondschopf jagte aus spitzem Winkel den Ball risikofreudig am langen Pfosten vorbei.
„Es war ein hohes Niveau. Wir haben Sevilla die Stirn geboten“, freute sich trotzdem Sportdirektor Max Eberl. Zum Tränentrocknen bleibt nicht viel Zeit. am Sonntag wartet die nächste Herausforderung, wenn auch wahrscheinlich auf niedrigerem Niveau, aber auch nicht ungefährlich. Beim Hamburger SV muss sich die Favre-Elf dem Wiedergutmachungsgier der Hanseaten stellen. Und am besten einfach mal ins Tor treffen.
Voraussichtliche Aufstellung: Sommer - Korb, Jantschke, Stranzl, Dominguez - Kramer, Nordtveit - Herrmann, Traoré - Raffael, Kruse