Borussia Mönchengladbach : Das Duell der Defensiv-Hänflinge
Mönchengladbach Sowohl Borussia Mönchengladbach als auch Borussia Dortmund kassieren zu viele Tore. Ist das Zufall? Oder ein „Rose-Effekt“? Am Sonntag treffen die Fußball-Bundesligisten aufeinander.
Draußen baute sich der zweite Orkan auf, das neue Vereinsgebäude steht schief – was allerdings dem Architekten und nicht dem Wetter zuzuschreiben ist; deshalb heißt es auch 8 Grad. Borussia Mönchengladbach erlebt seit Wochen turbulente Zeiten. Und drinnen, drinnen im Pressseraum des Fußball-Bundesligisten, herrscht fast so etwas wie eine Sprachflaute. Viel zu übertragen hatte Borussia-TV jedenfalls nicht an diesem Freitagmittag.
Daran waren nicht nur die Protagonisten auf dem Podium, sondern auch die berufsmäßigen Fragesteller schuld. Es war die erste Pressekonferenz vor einem Spieltag für Roland Virkus – und Gladbachs neuer Sportdirektor wird nicht böse darüber sein, dass dieses mediale Treffen vor dem Spiel am Sonntagabend (17.30 Uhr) bei Borussia Dortmund wenn schon nicht sehr kurzweilig, dann zumindest außergewöhnlich kurz war. Womöglich war der Eberl-Nachfolger auch leicht ermattet.
„Ich habe viel beobachtet, viele Gespräche geführt und bin auch immer noch dabei.“ Dabei wird es weniger um Sachen gehen wie: „Kann mir jemand sagen, wo Max den Tresorschlüssel gelassen hat?“ Eher ums Kennenlernen oder das bessere Kennenlernen. Spieler gehörten natürlich auch dazu, denn immerhin werden sie wie kein anderer über die Karriere des Borussen-Aufsteigers bestimmen. „Eine sehr gute Stimmung“ habe er in der Mannschaft wahrgenommen. Dazu mag der so lang vermisste Sieg vom vergangenen Samstag gegen den FC Augsburg beigetragen haben. Jetzt also Dortmund als nächste Klippe oder Chance, mit einem weiteren Erfolg das neue Selbstvertrauen zu verstärken.
„Die vergangenen Tage waren sehr spannend“, berichtete Virkus. Die Pressekonferenz weniger. Auch bedingt durch Dauer-Themen und Dauer-Antworten. Und so zeigte dieses „Vorspiel“ im Borussia-Park streckenweise den Charakter einer Wiederholung. Bleibt Florian Neuhaus auf der Doppelsechs, wie in den vergangenen zwei Partien, als Christoph Kramer noch nicht wieder fit genug für die Startelf war? Die Argumente pro „Flo“ lieferte Adi Hütter bereits vor dem Spiel gegen den FCA und vor dem Spiel bei Arminia Bielefeld. Die Metamorphose des Florian N.: Der Mittelfelspieler habe sich sowohl im Zweikampf als auch in der läuferischen Intensität verbessert, wiederholte sein Trainer.
Nun könnte man trotz der blamablen Niederlage des BVB in der Europa League gegen die Glasgow Rangers auf dessen im Vergleich zu den letzten beiden Gegnern höhere Qualität in der Offensive hinweisen. Das zusammen mit der Erinnerung an die zwei Gegentore beim 3:2-Erfolg gegen Augsburg reicht, auch einen erfahrenen Fußballlehrer, der um die defensive Stabilität seiner Mannschaft kämpft, ins Grübeln zu bringen. Teilhaben darf die Öffentlichkeit daran allerdings nicht. Der 52-jährige Hütter verpackt das Thema erneut in sein Lieblingswort: Option! Mit diesem Krumen vom Trainer-Tisch ist wenig anzufangen. Denn: Neuhaus ist für Hütter eine „Option“, Kramer ist – Trommelwirbel! – auch eine „Option“. Was letztlich logisch ist: Optionen setzen mindestens zwei Objekte (pardon: Subjekte) voraus.
Nun gut, Trainer sind nicht fürs Entertainement – und häufig auch nicht für echte Informationen – da, ebenso wenig wie Sportdirektoren. Erst recht nicht, wenn sie so frisch dabei sind. Gladbach und die Fußballwelt drumherum hatten das Glück, auf beiden Positionen schon wahre Unterhalter erlebt zu haben. Max Eberl lieferte die ganz junge Geschichte, Hans Meyer die ältere. Kollektive Nüchternheit ist aber womöglich keine schlechte Grundhaltung in der sportlich immer noch angespannten Situation des Tabellen-13.. Denn ob die peinliche Heimniederlage gegen den schottischen Meister am Dortmunder Selbstvertrauen knabbert oder die Schwarz-Gelben wie schon häufiger nach einem Rückschlag eine Wiedergutmachungsleistung gelingt, ist schwierig zu prognostizieren.
Schwierigkeiten muss man als Gegner aktiv angehen. Das hieße für Gladbach nun, gegen Dortmund sein Heil in einer verstärkten Offensive zu suchen. Wollte man nachkarten, könnte man schlussfolgern, die Probleme des Tabellenzweiten in der Verteidigung sind nicht neu, sondern waren ebenfalls unter Marco Rose in der Vorsaison bei der Gladbacher Borussia zu beobachten. Dann wäre es für Gladbachs aktuellen Trainer eine Altlast, mit der er sich bereits seit Monaten herumschlagen muss. Das Treffen der Borussias würde damit zum Duell der Defensiv-Hänflinge.
„Spannend“ fand Roland Virkus seine ersten Tage auf dem Sportdirektor-Thron. Das könnte am Sonntagabend seine sportliche Fortsetzung finden. Besonders förderlich wäre, wenn beide Teams ihre Abwehr-Defizite durch verstärktes Offensivbemühen quasi überstürmen würden. Ein Idee, die akribisch arbeitende Fußballlehrer wie Hütter und Rose kaum gefallen wird.
Aber vielleicht wäre es an der Zeit für die österreichische Eiche im niederrheinischen Sturm, mal mit einer personellen Überraschung aufzuwarten. Marcus Thuram für Breel Embolo in der Sturmspitze wäre so eine. Der Schweizer blieb in den zurückliegenden Partien unter seinen Möglichkeiten. Und für den sensiblen Franzosen könnte eine Vertrauensspritze genau der Impuls sein, seine Fähigkeiten als Spielentscheider zu entstauben. Marco Rose würde sich in diesem Fall schmerzlich erinnern.
Voraussichtliche Aufstellung: Sommer - Ginter, Friedrich, Elvedi - Lainer, Neuhaus, Koné, Bensebaini - Hofmann, Pléa - Embolo (Thuram)