Alemannia Aachen : Wenn Leidenschaft nicht belohnt wird
Aachen Die Mannschaft zeigt einen furchtlosen Auftritt im Pokal-Viertelfinale gegen Viktoria Köln und verliert erst in der Verlängerung. Torwart Marcel Johnen verlängert seinen Vertrag.
Der Tag ging bereits in seine letzte Stunde, aber im Tivoli herrschte noch Aufregung. Dieses FVM-Pokalspiel hatte für viel Gesprächsstoff gesorgt. Alemannia Aachen hatte im Viertelfinale 0:1 gegen Viktoria Köln verloren. Die beiden Teams standen sich in den letzten Jahren mehrfach im Finale gegenüber. So knapp wie am Aschermittwoch war es selten, der Fußball-Drittligist schaffte den Sieg erst nach Verlängerung. „Einfach ärgerlich, dass wir für unsere Leistung nicht belohnt wurden“, klagte der starke Mittelfeldspieler Dino Bajric kurz vor Mitternacht.
Seine Mannschaft hatte tatsächlich die Krallen ausgefahren und den erklärten Favoriten in Nöte gebracht. Helge Hohl hatte eine Mannschaft mit großer Zweikampffreude aufgestellt. Der Anpfiff war dann auch gleich ein Jagdsignal, die Aachener stürzten sich auf ihre Gegenspieler. Und genauso hellwach am Abend war auch das Publikum. „Mit dieser Art und Weise können wir uns, können sich die Zuschauer identifizieren“, urteilte der Trainer später.
7300 Zuschauer erlebten die größte Chance des zweistündigen Spektakels Sekunden vor der ersten Pause. Sebastian Schmitt profitierte von einem zu kurzen Rückpass von Kölns Luca Marseiller. An gleicher Stelle war Schmitt vor ein paar Tagen selbst ein solcher Lapsus unterlaufen, aber nun lief der Verteidiger allein aufs Kölner Tor zu. Vielleicht schwirrten ein paar Optionen zu viel in seinem Kopf herum: Abspielen auf den mitgewieselten Elsamed Ramaj, am Torwart vorbeigehen, den Ball lupfen? Abrupt beendete Kölns Keeper Ben Voll all diese Gedanken. Er fischte Schmitt den Ball vom Fuß.
Referee sieht kein Vergehen
Schiedsrichter Nico Fuchs stand unmittelbar am Tatort und sah kein Vergehen. Der Spielleiter hat bislang in dieser Saison weder Gelb-Rote noch Rote Karten gezückt, sieht man davon ab, dass er Lukas Podolski bei dessen eigenem Hallenturnier im Januar vom Platz gestellt hatte. Am Tivoli war er durchaus zeigefreudig unterwegs, insgesamt acht Gelbe Karten verteilte er.
Aachens Ex-Trainer Fuat Kilic war im Stadion, er beobachtete einen leidenschaftlichen Auftritt seiner ehemaligen Mannschaft, die eine Stunde lang die Partie komplett offenhielt. „Niemand wird heute das Kommen bereut haben, das ist primär Aachens Verdienst“, urteilte Kölns Trainer Olaf Janßen später. „In den ersten 60 Minuten hätte die Partie in jede Richtung kippen können.“ Danach bekamen die Gäste die Begegnung besser unter ihre Kontrolle, Alemannia befreite sich zu selten, allmählich ging die Puste aus, aber großartige Chancen ergaben sich aus solcher Überlegenheit nur selten.
Die Trainer wechselten munter aus. Für Köln betrat zum Beispiel Mike Wunderlich das Spielfeld (613 Spiele, 267 Tore), bei Aachen fast zeitgleich Vleron Statovci (neun Spiele in der Regionalliga West). Solche biografischen Unterschiede wurden mit viel Leidenschaft kompensiert. „Wir haben heute alles rausgehauen“, stellte Lukas Wilton später fest. Die letzte Gelegenheit, den regulären Feierabend sicherzustellen, hatte Kölns Robin Meißner. Nachdem er in der Nachspielzeit freistehend vorbeigeköpft hatte, gab es weitere 30 Minuten „Nachspielzeit“.
Der muntere Pokalabend ging in die Verlängerung und dann schnell in die Entscheidung. Ein Wunderlich-Freistoß wurde in den Fünfmeterraum verlängert, wo sich Jamil Siebert robust gegen Marcel Johnen durchsetzte: 0:1 nach 105 Minuten.
Johnen verlängert Vertrag
Etwa vier Stunden vorher hatte Johnen seinen Torwart-Vertrag am Tivoli für mindestens eine weitere Saison verlängert – als erster Stammspieler. Jetzt lag der Keeper am Boden und reklamierte vergebens ein Foulspiel. Seine Mannschaft mobilisierte die letzten Kräfte, der Favorit wankte ein bisschen, aber er fiel nicht.
Die Pokalschlacht hatte einige Opfer gebracht. Freddy Baum schied mit einem ordentlichen Brummschädel aus, Wilton ignorierte eine Stunde lang die Schmerzen nach einem frühen Pressschlag. Dann musste er doch passen. Ein Bänderriss ist diagnostiziert, der harte Verteidiger will dennoch am Samstag wieder auf dem Platz stehen. Fehlen wird weiterhin Marcel Damaschek, der sich kurzfristig mit einem positiven Corona-Bescheid abmelden musste.
Bis zum nächsten Spiel steht primär Regeneration auf dem Stundenplan. Die Laufwerte waren herausragend: Jannis Held zum Beispiel legte 16 Kilometer – darunter 70 Sprints – zurück, selbst Innenverteidiger Franko Uzelac lief noch mehr als 15 Kilometer.
Gegen Wattenscheid wird vermutlich auch Tim Korzuschek wieder im Kader stehen. Die Trainer hatten ihn im Pokal aus disziplinarischen Gründen gestrichen, ihnen passte dessen Reaktion beim Abschlusstraining nicht, als sich abzeichnete, dass der 24-Jährige nicht in der Startelf stehen wird. Hohl hat dem Spieler am Donnerstag noch einmal seine Erwartungen skizziert. „Ich bin nicht nachtragend“, sagt er.
Am Samstag steht nach der Kür wieder die Pflicht an. Dieses andere Gesicht, das die Mannschaft am Pokalabend gezeigt hatte, soll aber bleiben. „Wir wollen keine Highlight-Mannschaft sein, sondern ein Team, dass die Intensität und Bereitschaft regelmäßig abruft“, kündigt Hohl die Herausforderung für die Restsaison an.