Alemannia Aachen hält die Klasse : Jetzt wird endgültig in den Feiermodus umgeschaltet
Aachen Eine lange Leidenszeit lag noch vor Fuat Kilic, bis er um 15.55 Uhr jubeln konnte. Nach dem Unentschieden des größten Konkurrenten stand fest: Alemannia Aachen schafft den Klassenerhalt.
Am Samstagmittag schaute sich Fuat Kilic ein Fußballspiel an. Im Kölner Franz-Kremer-Stadion verschaffte sich Alemannia Aachens Trainer frische Eindrücke vom letzten Saisongegner. Da der Anpfiff der Begegnung des VfB Homberg bei der Zweitvertretung des 1. FC Köln aber bereits um 12 Uhr erfolgte, musste der 48-Jährige nach dem Schlusspfiff noch knapp zwei Stunden überbrücken. Denn erst gegen 16 Uhr sollte feststehen, was der 3:1-Heimsieg gegen Fortuna Düsseldorf II vom Vortag Wert sein würde.
„Ich habe versucht mich hinzulegen und die Augen zuzumachen, aber das ging nicht“, gab Kilic einen Einblick in sein Seelenleben. Denn der Blick aufs Handy verriet ihm, dass der größte Konkurrent im Abstiegskampf in Führung gegangen war: Der Bonner SC, der mit fünf Punkten Rückstand auf die Aachener ins vorletzte Regionalliga-Spiel gegangen war, lag mit 1:0 im Ahlener Wersestadion in Front. Um 15.40 Uhr deutete viel darauf hin, dass es am kommenden Samstag ein richtiges Endspiel in Homberg geben würde, da auch der SV Lippstadt und der SV Straelen auf dem Weg waren, zu punkten.
Kilic tigerte durch sein Wohnzimmer, „irgendwann habe ich angefangen, oben die Wäsche zu falten“. Ob Hosen und Socken durch die Luft geflogen sind, als der Ahlener Sebastian Mai den Ausgleich erzielte, ist nicht überliefert, aber genau dieser Treffer stieß das Tor zum Klassenerhalt ganz weit auf. Die Wäsche- und Wartezeit endete dann um 15.55 Uhr, als Schiedsrichter Julian Engelmann das Spiel der Bonner beim Stand von 1:1 abpfiff. Das Remis führte dazu, dass die Alemannia bei noch einem ausstehenden Spiel vier Punkte Vorsprung auf den direkten Konkurrenten hat.
„Da ist das Ding“, jubelte Kilic, nachdem ihm „tausend Steine vom Herzen gefallen“ waren und der Ligaverbleib aktenkundig war. Der Trainer hatte versucht sich allein abzulenken, ein paar Spieler verabredeten sich dagegen zum Rudelgucken und überbrückten die Leidenszeit gemeinsam. „Meine Jungs haben direkt nach dem Schlusspfiff einen Videoanruf gestartet – und wir haben dann schnell angefangen vorzuglühen“, sagte Kilic mit einem breiten Grinsen.
Schon am Freitagabend waren alle Beteiligten nach dem wichtigen Erfolg im letzten Heimspiel der Saison in den Feiermodus gegangen, obwohl die Rettung faktisch noch gar nicht feststand. „Wir haben uns ein bisschen von der fantastischen Atmosphäre verleiten lassen“, gab Kilic am Vorabend fast schon entschuldigend zu. 9900 Zuschauer hatten sich im Siegesrausch festgelegt, dass es schon mit dem Teufel zugehen müsste, dass die Aachener nach dem letzten Spieltag dann doch noch in die Mittelrheinliga strafversetzt werden. Rund 17 Stunden später war klar, dass es das lange erhoffte und so sehr ersehnte Happy End am Ende einer komplizierten Saison geben würde.
Der Trainer stimmte dann auch schnell ein Loblied an. „Wie die Jungs die Situation angenommen haben und wie hart sie gearbeitet haben, war phänomenal. Diese Gier, diese Leidenschaft, dieses Herzblut. Respekt an alle, die ihren Beitrag dazu geleistet haben. Wir sind in den vergangen Monaten wie eine Familie zusammengewachsen und haben uns immer gesagt: Wir korrigieren das Ding“, sagte Kilic voller Stolz. Was unerwähnt blieb, aber nicht unerwähnt bleiben darf, ist, dass Alemannias Rekordtrainer einen großen Anteil an der Kurskorrektur hatte. Durch die tägliche Arbeit auf dem Platz, aber auch die Weichenstellung im Winter, als Kilic und Geschäftsführer Sascha Eller den Kader erfolgreich umbauten.
Die Zeit der Endspiele, die der 48-Jährige unmittelbar nach seinem erneuten Amtsantritt ausgerufen hatte, findet somit ein Ende. „Ich freue mich sehr, dass wir mit Spaß und Vollgasfußball das letzte Spiel angehen können, ohne an das Ergebnis zu denken.“ Vollgas dürfte die Mannschaft schon am Samstagabend geben, wenn der Klassenerhalt feucht-fröhlich gefeiert wird – gemeinsam mit dem Vorgesetzten. „Ich bekomme noch eine Info, wo es hingeht“, sagte Kilic mit einem Schmunzeln. Am Montag feiert der Fußballlehrer seinen 49. Geburtstag, sein größtes Geschenk hat er aber schon in den vergangenen beiden Tagen erhalten. Denn durch den Klassenerhalt verlängert sich sein Vertrag am Tivoli automatisch um ein Jahr.
Helge Hohl wird sich nicht am Samstagabend nicht anschließen können, Alemannias Sportdirektor war „weiter entfernt“ als Scout im Einsatz und wird auch am Sonntag noch fern der Heimat verweilen. „Ich konnte mich aber nur schwer auf die Spiele vor mir konzentrieren, weil ich den Liveticker verfolgt habe“, sagt Alemannias Sportdirektor. In den vergangenen Wochen waren in Abhängigkeit von der Ligazugehörigkeit zwei sogenannte Schattenkader entwickelt worden. Da das Abstiegsgespenst jetzt vertrieben ist, hat Hohl Planungssicherheit und kann gezielt für den Regionalliga-Kader Ausschau halten.
„Ich war immer überzeugt davon, dass wir es in der Rückrunde schaffen werden. Nach dem gestrigen Tag war ich mir sicher, dass wir durch sind“, erklärt der 30-Jährige. „Der achte Platz in der Rückrundentabelle zeigt, dass wir einen großen Schritt nach vorne gemacht haben. Darauf werden wir aufbauen. Die Mannschaft soll lediglich punktuell verstärkt werden.“ Wie der künftige Kader aussieht, darüber wird sich Fuat Kilic am Samstagabend sicherlich keine Gedanken machen. Nach emotional aufgeladenen, anstrengenden Monaten ist es sein gutes Recht, jetzt endgültig in den Feiermodus umzuschalten.