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Scharfe Kritik an Alemannia: „Einlasskontrollen werden in massiver Art vernachlässigt“

Scharfe Kritik an Alemannia : „Einlasskontrollen werden in massiver Art vernachlässigt“

Die Aachener Polizei findet klare Worte und übt scharfe Kritik: Die Einlasskontrollen am Tivoli werden oft massiv vernachlässigt, heißt es. Das Ergebnis: Unter anderem massenhaft verbotenes Zünden von Pyrotechnik im Stadion. Die Alemannia reagiert auf sehr spezielle Art.

Die Polizei redet Tacheles: „Die Einlasskontrollen werden in massiver Art vernachlässigt.“ Sagt Karl-Heinz Wernerus. Er ist der Chef der Führungsstelle in der Polizeiinspektion 1 der Aachener Polizei. Diese ist zuständig für die Koordination der Einsätze bei Heimspielen von Alemannia Aachen am Tivoli.

Anlass für derlei Kritik hat es jüngst – mal wieder – mehrfach gegeben. Zum Beispiel in Form des Abbrennens großer Mengen von Pyrotechnik vor dem Spitzenspiel gegen Preußen Münster. Zumal es vorher schon einen Überfall von Hooligans auf den Fan-Zug aus Münster am Bahnhof Übach-Palenberg gegeben hatte. Die Vorfälle könnten zu einer neuerlichen Bestrafung der Alemannia führen. Was auch für den Becherwurf auf einen Linienrichter aus der Familientribüne heraus beim Spiel gegen Mönchengladbach gilt.

Schlimmstenfalls droht ein Geisterspiel mit dem entsprechenden finanziellen Schaden, der aber auch dann schon gegeben wäre, wenn es „nur“ Geldstrafen gibt. Und das ausgerechnet in einer Situation, in der es sportlich kaum besser laufen könnte und sich der Blick Richtung Tabellenspitze richtet. Dem Vernehmen nach fällt die Entscheidung des Verbands in der kommenden Woche.

Im Gespräch mit unserer Zeitung sagt die Polizei klipp und klar: Es gibt ein detailliertes Sicherheitskonzept für die Heimspiele. Für dessen Einhaltung ist die Alemannia verantwortlich. Die Stadt Aachen wiederum als Eigentümerin, also sozusagen Hausherrin, hat die Einhaltung zu kontrollieren. „Wir richten vor jedem Spiel die klare Forderung an Stadt und Verein, die Einlasskontrollen zu verschärfen“, erläutert der Erste Polizeihauptkommissar. Schließlich gehe es beim verbotenen Abbrennen von Pyrotechnik um die Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit der anderen Zuschauer, aber auch von Polizeibeamten. Derlei Gesundheitsgefährdung sei nicht hinzunehmen. „Und wir nehmen sie auch nicht hin“, betont Wernerus.

Nach dem Münster-Spiel hat sich so mancher gefragt, wie derart große Mengen Pyrotechnik eigentlich an den Einlasskontrollen vorbei ins Stadion gelangen können. Wernerus meint, dass man sie sicherstellen können muss, wenn man es denn richtig angeht – und es überhaupt will.

 Reagiert auf ganz spezielle Art auf Anfragen zu diesem Thema: Alemannia-Geschäftsführer Sascha Eller.
Reagiert auf ganz spezielle Art auf Anfragen zu diesem Thema: Alemannia-Geschäftsführer Sascha Eller. Foto: Jérôme Gras

Die Polizei schaut sich an den Spieltagen per Video diese Einlasssituationen an. Und kommt zu dem Schluss: „Bestimmte Gruppen meinen, sie können das Stadion unkontrolliert betreten“, sagt Karl-Heinz Wernerus. Was er nicht sagt, was man aber aus den Szenen auf den Tribünen schließen kann: Diese Gruppen meinen offenkundig nicht nur, dass sie unbehelligt ins Stadion kommen, sondern sie kommen tatsächlich unbehelligt hinein. Wernerus: „Dieses Verhalten ist schon sozialisiert. Die Fans bekommen Freiräume, und diese Freiräume nutzen sie aus.“

Was anschließend folgt, hat aus Sicht der Polizei ebenso unschöne Regelmäßigkeit: „Wir richten vor jedem Spiel die klare Forderung an Stadt und Verein, die Einlasskontrollen zu verschärfen“, heißt es bei der Polizei. Ergebnis? „Sie hören sich das an und geloben immer Besserung, aber es passiert nichts. Wir halten nach jedem Spiel auch schriftlich unsere Erkenntnisse fest und fordern das immer wieder, aber leider laufen die Forderungen bisher ins Leere.“

Im Sicherheitskonzept ist jedenfalls die Zahl der einzusetzenden Ordner genau beschrieben. Wobei das in verschiedenen Stufen je nach Zahl der Zuschauer und der geöffneten Blöcke variiert. Fragt sich, ob es neben der aus Polizeisicht mangelnden Kontrollqualität denn zumindest bei der reinen Quantität, also der Ordnerzahl, stimmt. Wernerus: „Beim oberflächlichen Draufschauen würde ich sagen: Nein.“

Das Problem der Polizei: „Wir müssen reagieren, wenn alle anderen gescheitert sind.“ Sprich: Die Polizei wertet Videoaufnahmen aus, versucht Täter zu identifizieren und leitet Verfahren wegen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten in die Wege. Werden Personen identifiziert, wird auch der Verein informiert, beziehungsweise dessen Stadionverbotskommission, in der der Geschäftsführer, der Sicherheitschef, der Fanbeauftragte und das Fanprojekt, aber nicht die Polizei vertreten sind. In der Kommission wird auch über Sanktionen seitens des Vereins gegenüber Tätern gesprochen.

Ist die Polizei mit den Entscheidungen der Kommission im Großen und Ganzen zufrieden? Wernerus: „Dazu mache ich öffentlich keine Aussage.“ Fakt ist nach Informationen unserer Zeitung: Aktuell gibt es kein einziges Stadionverbot. Trotz aller Vorfälle – auch bei Auswärtsspielen. Was allerdings passt, denn Präsident Ralf Hochscherff hatte dazu in einem Gespräch mit unserer Zeitung gesagt, dass er Stadionverbote nur befürworte, wenn jemand rechtskräftig verurteilt sei. Karl-Heinz Wernerus meint dazu: „Es hat durchaus Vorfälle gegeben, bei denen man Stadionverbote hätte verhängen können. Aber wir sind an der Entscheidungsfindung nicht beteiligt.“

150 Problemfans

Wie groß ist diese Szene der Problemfans in Aachen überhaupt? Sie umfasst laut Polizei etwa 150 Personen, die als Störer eingestuft werden. 120 von ihnen gehören zur Kategorie B, das heißt, sie gelten als zu Gewalt neigend. Die übrigen 30 sind Kategorie C, die Schlimmsten, also Gewalttäter. Laut Polizei sind nicht alle Ultras in Katagorie B oder C einzuordnen. Sehr wohl aber alle Hooligans. Gewalt gehöre zu deren Selbstverständnis.

Die Zahl sei in den vergangenen Jahren in der Regionalliga mehr oder weniger konstant geblieben. Rechtsradikale Fans sind im Gegensatz zu früheren Jahren hingegen aus Polizeisicht kein Problem mehr. Es heißt, die Fanszene habe sich in dieser Hinsicht von innen heraus gereinigt. Es gebe dort keine rechte Agitation mehr, keine Anwerbeversuche. Es herrsche die Meinung vor, Politik habe im Stadion nichts zu suchen.

Zur Einordnung: Aachen habe die größte aktive Fanszene in der Regionalliga West vor Preußen Münster und habe mehr an Fans zu bieten als mancher Dritt- oder Zweitligist. Aber, so Wernerus: „Was die Zahlen angeht, ist es im Landesvergleich kein unlösbares Riesenproblem.“ Und warum ist es dann noch nicht gelöst? Wernerus: „Der Veranstalter, also der Verein, muss Einfluss auf seine Fans nehmen. Und ohne ordnungsgemäße Einlasskontrollen lässt sich das Problem nicht lösen.“

Kritisiert die mangelhaften Einlasskontrollen am Tivoli: Karl-Heinz Wernerus.
Kritisiert die mangelhaften Einlasskontrollen am Tivoli: Karl-Heinz Wernerus. Foto: dmp Press/Ralf Roeger

Wie bewertet die Polizei vor den genannten Hintergründen die Zusammenarbeit mit der neuen Vereinsführung? Wernerus: „Es werden immer wieder sehr offene, umfängliche und vertrauensvolle Gespräche geführt, aber was die Einlasskontrollen angeht, nicht mit dem nötigen Erfolg.“

Unsere Zeitung hat nach dem Gespräch mit der Polizei der Stadt als Stadioneigentümerin und der Alemannia als Veranstalterin schriftlich detaillierte Fragen zukommen lassen. Bei der Stadt ging es vor allem um besagte Kontrolle der Einhaltung des Sicherheitskonzepts. Dazu heißt es: „Verantwortlich für die Einhaltung des Sicherheitskonzeptes ist in erster Linie die Nutzerin des Stadions, die TSV Alemannia Aachen GmbH.“ Während der Spieltage seien zudem „Sicherheitsorgane, so die Feuerwehr, die Polizei und die Ordnungsbehörde zugegen. Alle behördlichen Akteure kontrollieren natürlich seit jeher, ob die für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich geltenden Rahmenbedingungen des Sicherheitskonzeptes eingehalten werden“.

Bei Verstößen sei „die Pflicht zum vorbeugenden Handeln bei der TSV Alemannia Aachen GmbH zu verorten“. Seitens der Sicherheitsbehörden „werden – sofern noch möglich – bei Verstößen gegen die Pflichten unmittelbar Schritte zur Gegensteuerung eingeleitet“. Dies sei zuletzt hinsichtlich der Einlasskontrollen notwendig geworden. Daher sei nach den Vorkommnissen der letzten Spiele, „insbesondere derer, wo es zum Einsatz von Pyrotechnik durch Fangruppierungen kam, der Austausch mit den für die Sicherheit verantwortlichen Organen des Vereins intensiviert worden“.

In Sachen Pyrotechnik sei „unzweifelhaft, dass diese zu einer Gefährdung“ der Besucher führen könne. Deswegen liege darauf „bei Kontrollen ein besonderer Fokus – wenngleich das Mitbringen von Pyrotechnik durch die Größe oftmals nur schwerlich zu kontrollieren ist“.

Alemannia befinde sich diesbezüglich nach eigener Auskunft im fortlaufenden Gespräch mit den Fangruppierungen, so die Stadt. Das Spiel gegen die Reserve des 1. FC Köln habe „bereits zu einer Verbesserung der bemängelten Situationen“ geführt. Die Einlasskontrollen seien dort „nicht zu beanstanden“ gewesen.

Offenbar ist an der Stadt da allerdings etwas vorbeigegangen. Auch einige Minuten vor dem Anpfiff standen die Besucher bei diesem Spiel an den Eingängen zur Stehtribüne noch in langen Schlangen an. Kurz vor Anpfiff wurden die Eingänge dort dann geöffnet, damit alle noch rechtzeitig ins Stadion kamen – und zwar ohne jegliche Kontrolle.

Und auch beim jüngsten Heimspiel gegen Lippstadt kam es zu einem Zwischenfall. Auf der Stehplatztribüne wurde ein äußerst geschmackloses, mehrere Meter breites Spruchband aufgespannt, auf dem zu lesen war: „Um Dietrichs Erbe nicht zu beschädigen RBL gleich mit beerdigen.“ Der Satz zielte auf den Tod des Red-Bull-Gründers Dietrich Mateschitz und den in Fankreisen verhassten Club RB Leipzig ab.

Solche Plakate müssen eigentlich angemeldet und letztlich beim Einlass auch kontrolliert werden. Was augenscheinlich nicht der Fall war. Im Stadion gab es dazu von Vereinsseite keinerlei Reaktion, nicht einmal eine verbale, etwa via Mikrofondurchsage. Zumindest bescheinigt die Polizei der Alemannia, dass es bei diesem Spiel eine spürbare Verbesserung bei den Einlasskontrollen gegeben habe. Immerhin.

Alemannia antwortet nicht

Und was sagt Alemannia selbst zu alledem? Antwort: Nichts. Der entsprechende Fragenkatalog unserer Zeitung, adressiert an die offizielle und auch für Sponsorenanfragen angegebene Mailadresse von Geschäftsführer Sascha Eller, wie man sie auf der Vereinshomepage findet, wurde zunächst schlicht ignoriert. Nach einer Woche fragte die Redaktion nach, ob „wir aus Ihrem Schweigen schließen“ können, „dass Sie als Alemannia-Geschäftsführer eine schriftliche Anfrage von Aachener Zeitung und Aachener Nachrichten ignorieren und sich zu oben genannten Themen nicht äußern wollen?“ Reaktion: Erst einmal wieder Fehlanzeige. Auch mehrfache Versuche, Sascha Eller auf seiner Mobilfunknummer zu erreichen, scheiterten. Erst 13 Tage nach der ersten Anfrage, am heutigen Donnerstagnachmittag, antwortet Sascha Eller doch per Mail – aber ausgesprochen ausweichend. Er habe viel zu tun gehabt, beantworte Anfragen immer gerne, habe sich zu diesem Thema aber bereits sehr deutlich geäußert. Die Fragen unserer Zeitung lässt er weiter unbeantwortet.

Am Wochenende steht in punkto Sicherheit dann die nächste Bewährungsprobe an. Beim Spitzenspiel gegen Rödinghausen.