Alemannia : Der Dienstälteste und seine Bekenntnisse
Interview Aachen Vermutlich steigt Peter Hackenberg bis zum Ende der Saison in den edlen Kreis der 50 Spieler mit den meisten Partien im Alemannia-Trikot auf. Eine solche Karriere an einem Standort war nicht abzusehen, als der Verteidiger vor acht Jahren am Tivoli anheuerte.
Zwischendurch gab es eine Zwangspause, aber der heute 32-Jährige kehrte zurück, um zu bleiben. Bei Alemannia Aachen wird seine Karriere ausklingen, das ist der Plan. Unsere Redakteure Benjamin Jansen und Christoph Pauli trafen sich mit dem dienstältesten Spieler des Fußball-Regionalligisten.
Herr Hackenberg, starten wir mit einer Quizfrage: Ihre Alemannia-Zeit begann im Sommer 2013. Bekommen Sie noch die vier Torhüter der ersten Saison am Tivoli zusammen?
Peter Hackenberg: Puh. Frederic Löhe und Thomas Unger auf jeden Fall. Aber dann wird es eng.
Die anderen beiden waren Cedric Wilmes und Mikito Ito…
Hackenberg: Richtig, Cedric Wilmes kam über unseren damaligen Torwarttrainer Ralf Westig. Auf Mikito Ito wäre ich in der Tat allerdings nicht gekommen (lacht).
Andere Spieler dürften Ihnen mehr in Erinnerung geblieben sein. Wenn Sie aus den bisherigen sieben Kadern, denen Sie angehört haben, eine Wunschelf basteln dürften, wer wäre am Start?
Hackenberg: Ich hatte das Glück, mit sehr vielen guten Spielern zusammenspielen zu dürfen. Aber da Fußball am Ende immer ein Mannschaftssport ist, würde ich mich für die Elf entscheiden, mit der wir in der Regionalliga Zweiter geworden sind. Die Aufstellung: Frederic Löhe im Tor, Michael Lejan hinten links, Markus Hoffmann und ich in der Innenverteidigung, Dominik Ernst als Rechtsverteidiger, davor eine Mittelfeldraute mit Tim Jerat, Basti Müller, Dennis Dowidat und Aimen Demai und vorne Kevin Behrens und Fabian Graudenz. Das war eine tolle Mannschaft mit sehr guten Charakteren.
Welcher Trainer stände am Spielfeldrand?
Hackenberg: Konsequenterweise entscheide ich mich da für Peter Schubert und Reiner Plaßhenrich, die uns trainiert haben. Die Situation war damals nach der Insolvenz sehr kompliziert. Wie die beiden in kurzer Zeit eine funktionierende Mannschaft geformt haben, war schon super.
War das Regionalliga-Rekordspiel gegen RW Essen oder das vor zwei Jahren gewonnene Pokalfinale gegen Fortuna Köln Ihr persönlicher Höhepunkt im Alemannia-Dress?
Hackenberg: Ich denke, dass es der Pokalsieg war. Natürlich war das Rekordspiel auch ein fantastisches Erlebnis, aber die ganze Saison war von der Grundstimmung her auf einem sehr hohen Niveau. Man hat gemerkt, wie schnell eine Euphorie entfacht werden kann. Das hat sich auch gegen Borussia Mönchengladbach II gezeigt, als über 20.000 Zuschauer im Stadion waren.
Folgt man Ihrer Logik, war das verlorene FVM-Pokalfinale gegen Düren der Tiefpunkt Ihrer Zeit am Tivoli…
Hackenberg: Nicht nur das verlorene Pokalspiel gegen Düren, sondern auch die beiden Endspiel-Niederlagen gegen Viktoria Köln. Wenn man im Finale steht und so nah dran ist, dann tut das schon sehr weh. Der Endspurt der Saison 2014/15 war aber auch sehr bitter, weil uns am Schluss ein Punkt gefehlt hat, um auf Platz eins zu springen. Wenn ich darüber nachdenke, war das sogar noch ein bisschen emotionaler.
Sie haben nach Ihrer letzten Vertragsunterzeichnung gesagt, dass es bislang keinen Tag gegeben hat, an dem Sie nicht gerne zum Tivoli gefahren sind. Das war etwas kokett, oder?
Hackenberg: Nein, ich habe Spaß am Fußball und will gewinnen, das ist das Wichtigste. Mittlerweile kann ich gut einschätzen, wie groß der Wert ist, wenn man sein Hobby als Beruf ausüben darf. Für einen Verein wie Alemannia Aachen in der Regionalliga spielen zu können, ist etwas ganz Besonderes. Wenn man das nicht zu schätzen weiß, dann ist man fehl am Platz.
Es ist nach all den Jahren in der 4. Liga immer noch ein Privileg für Alemannia Aachen zu spielen?
Hackenberg: Ja. Ich habe viele Spieler kommen und gehen sehen, mit vielen Spielern bin ich immer noch in Kontakt bin. Fast alle sagen: Die Alemannia ist das Maß aller Dinge in der Regionalliga. Ich kenne keinen, der in Aachen weggegangen ist und gesagt hat: Mit dem Verein möchte ich nichts mehr zu tun haben.
Sie gehen in Ihre achte Saison in Aachen, eine solche Vereinstreue ist längst exotisch im bezahlten Fußball. Wie konnte es so weit kommen?
Hackenberg: Als meine Zeit in Magdeburg zu Ende gegangen ist, habe ich mich mit Peter Schubert ausgetauscht. Ich habe ihm gesagt, dass ich unbedingt etwas parallel zum Fußball machen möchte. Er war dafür sehr offen. Ich profitiere bis heute sehr davon, dass das funktioniert hat. Außerdem habe ich meine Frau in Aachen kennengelernt. Es hat einfach alles gepasst, ich fühle mich sehr wohl. Ich habe in meiner Karriere ja einige Vereine kennengelernt, aber ich habe schnell gemerkt, dass das hier etwas einzigartiges ist, von den Gegebenheiten, aber auch von den Fans und den Mitarbeitern. Ich hatte nie den Drang, woanders hinzugehen, auch wenn es andere Optionen gab.
Haben Sie Ihre Frau bei einem Fußballspiel kennengelernt?
Hackenberg: Ich habe meine Frau bei einer Wohnungsbesichtigung kennengelernt. Als sie ihr Medizin-Studium in München beendet hatte, wollte sie beruflich nach Aachen ziehen – und ich war ihr Makler. Die Wohnung, die ich ihr gezeigt habe, hat sie allerdings nicht genommen.
Dafür aber den Makler…
Hackenberg (grinst): Genau. Und der hat sie nicht mehr weggelassen.
Ihre Zeit am Tivoli wurde unterbrochen, nachdem im Januar 2016 der damalige Kurzzeit-Manager Alexander Klitzpera Sie und zwei Mitspieler suspendiert hat, weil sich die Mannschaft schriftlich beim Vorstand über den Trainer beschwert hat. Fühlten Sie sich ungerecht behandelt?
Hackenberg: Ja, das galt für uns alle drei. Die Gruppe hat damals vergeblich viele Versuche unternommen, um die Dinge intern zu klären. Das liegt bereits einige Jahre zurück, und es wurde damals viel zum Thema gesagt. Ich habe es eigentlich immer so gehalten, dass ich mich zu solchen vereinsinternen Vorgängen inhaltlich nicht öffentlich äußere. Der Linie bleibe ich treu. So etwas gehört sich nicht. Ich hege allerdings gegen niemanden Groll in irgendeiner Art und würde jedem der Beteiligten von damals die Hand reichen, wenn ich ihn sehe.
Es hätte ja schlechter für Sie laufen können nach dem uncharmanten Abschied.
Hackenberg: Definitiv, ich bin schnell bei der AS Eupen untergekommen. Es hätte aber genauso gut auch anders laufen können, da mache ich mir nichts vor. Die Jungs, die damals mit mir suspendiert worden, Basti Müller und Frederic Löhe, hätten unglaublich gerne weiter am Tivoli gespielt – und würden es wahrscheinlich auch heute noch tun. In der Regionalliga kann man kein großes Geld verdienen, aber wenn man jeden Tag mit einem guten Gefühl zum Stadion fährt, sich in der Stadt wohlfühlt und mit den Menschen klarkommt, dann ist das mehr wert als ein paar Euro mehr bei einem anderen Verein.
War die Zeit bei der AS Eupen mit dem Aufstieg in die erste Liga die sportlich wertvollste in Ihrer Karriere?
Hackenberg: Schwer zu sagen. Meine prägendste Zeit war auf jeden Fall bei Energie Cottbus. Ich bin als junger Spieler vom Westen in den Osten gegangen, da bin ich als Westdeutscher im Fußballinternat auf viele Widerstände getroffen, die mich für mein Leben geprägt haben. Ich musste allein, weit weg von zu Hause, klarkommen, die Heimat war 500 bis 600 Kilometer weit entfernt. Das war schon eine komplizierte Situation. Aber ich habe wirklich viel mitgenommen und dort auch meinen ersten Profi-Vertrag unterschrieben. Im Profibereich war die Zeit in Eupen sicherlich die erfolgreichste und aufregendste. Wir hatten einen richtig guten Lauf und sind am Ende aufgestiegen.
Ihr Berater hat damals erzählt, dass für Sie Anfragen aus der österreichischen Bundesliga und der deutschen 2. Liga vorlagen. Warum hat es Sie nie in die Ferne gezogen?
Hackenberg: Als ich in Eupen in der ersten Liga gespielt habe, war ich 28 Jahre alt, im besten Fußballalter. Ich habe meine Frau, die einen sicheren Job in Aachen hatte, gefragt: Wollen wir vielleicht nochmal ein Abenteuer im Ausland eingehen? Wir konnten uns das gut vorstellen. Es gab spannende und finanziell reizvolle Angebote aus Thailand und Malaysia. Kurz danach wurde meine Frau schwanger. Und dann war klar: Wir wollen in Aachen bleiben. Familie geht vor. Eine Entscheidung, der ich auch überhaupt nicht nachtrauere. Ich hatte eine super Zeit in Eupen, die sehr erfolgreich war und habe tolle Menschen dort kennengelernt. Ich bin dem Verein noch heute verbunden.
Gehören Sie auch noch zum Team „Integration“ bei dem Club, das neuen Spielern bei praktischen Dingen wie Wohnungssuche und Behördengängen unterstützt?
Hackenberg: Das war damals speziell an eine Saison gekoppelt, weil der Verein viele neue Spieler verpflichtet hatte. Ich sollte ihnen bei der Eingewöhnung helfen, damit sie ihre komplette Energie auf den Platz bringen können. Das war die Intention damals. Mittlerweile engagiere ich mich im sportlichen Bereich, ich unterstütze Chefscout Siggi Marti im Scouting. Das macht mir großen Spaß und ist sehr spannend.
Wäre Ihre Karriere jetzt schon vorbei, wenn Alemannia nicht eine Vertragsverlängerung angestrebt hätte?
Hackenberg: Ja. Ich hätte meine Fußballschuhe ganz an den Nagel gehängt. Es würde sich nicht richtig anfühlen, für einen weiteren Verein Fußball zu spielen.
Haben Sie nach Ihrer schweren Verletzung, die Sie sich vergangene Saison zugezogen haben, darüber nachgedacht, einen Schlussstrich zu ziehen?
Hackenberg: Ja. Im Herbst habe ich mir einen Muskelbündelriss zugezogen, sechs Wochen später ist mir im zweiten Training der Oberschenkelmuskel und die Sehnen gerissen. Das war eine schwierige Situation für die Familie, weil ich wochenlang auf Krücken war und wir ein kleines Kind zu Hause hatten. Natürlich kommt man da ins Grübeln, zumal die Saison ja auch nicht problemlos abgelaufen ist. Für mich stand aber relativ schnell fest, dass ich nur hier unterschreibe oder meine Karriere beende. Es wäre sicherlich sehr hart für mich geworden, wenn ich mich nicht von den Fans hätte verabschieden können, aber es wäre konsequent gewesen, dann einen Schlussstrich zu ziehen.
Das aktuelle Arbeitspapier läuft bis zum nächsten Sommer. Ist dann die Laufbahn beendet?
Hackenberg: Das hängt auch davon ab, wie ich mich fühle. In den letzten Wochen der vorherigen Saison habe ich mich einfach nur gequält, um der Mannschaft und dem Verein in einer schwierigen Situation zu helfen. Ich hatte jeden Tag Schmerzen beim Training. Deshalb habe ich mir jetzt in der Sommerpause auch eine Ruhepause genommen und den Oberschenkel nicht viel belastet. Momentan habe ich gar keine Schmerzen, ich hoffe, dass das so bleibt. Aber ich werde natürlich auch nicht jünger. Fest steht: Ich werde so lange Fußball spielen, wie es einen Vorteil für den Verein darstellt.
Haben Sie einen weiteren Karriereplan?
Hackenberg: Ich habe eigentlich immer gesagt, dass ich nach meiner aktiven Karriere nichts mehr mit dem Fußball zu tun haben möchte, weil ich mich nicht als Trainer sehe. Außerdem habe ich viele Sachen im Fußball gesehen, die menschlich für mich nicht ganz so gut passen. Als die AS Eupen aber im Herbst 2019 auf mich zugekommen ist und mir mitgeteilt hat, dass sie mich auch nach meinem Karriereende im Verein haben möchten, musste ich nicht lange überlegen, weil ich mich in diesem familiären Umfeld immer sehr wohlgefühlt habe. Ich habe das Gefühl, dass sehr ehrlich und offen miteinander umgegangen wird. Das gefällt mir. Deshalb will ich auch nichts ausschließen. Zudem werde ich weiterhin selbständig als Immobilienmakler arbeiten. Der Rest ist noch offen.
Die Vorbereitung in Aachen hat Anfang Juli begonnen. Haben Sie schon einen Eindruck, was da für eine Mannschaft komponiert wurde?
Hackenberg: Der Trainer machte sehr klare und scharfe Vorgaben. Es gibt einen deutlich definierten Korridor für uns, in dem Ordnung und Disziplin enorm wichtig sind. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist. Es wurde erkennbar viel Wert auf die einzelnen Charaktere gelegt. Wir haben zwei, drei Jungs im Team, die vielleicht etwas spezieller sind. Eine gute Gruppe bekommt die aber gut aufgefangen und profitiert von ihnen.
Was kann man sich unter speziellen Charakteren vorstellen?
Hackenberg: Ich erinnere mich an Basti Müller oder Kevin Behrens, keine Spieler von der Stange. Solche Spieler sind zum Beispiel Jannik Mause oder Mergim Fejzullahu, die mit ihrer erfrischenden Art einfach passen. Das sind Typen, die man sich lieber in der eigenen als in der gegnerischen Mannschaft wünscht.
Ist Patrick Helmes ein Trainertyp, der Ihnen schon mal im Laufe der langen Karriere begegnet ist?
Hackenberg: Nein, er ist anders. Er sieht sehr viele Details. Wir haben schon stundenlange Videositzungen hinter uns. Obwohl er noch so jung ist, verkörpert er viele Werte, die ich von Trainern aus der alten Generation kenne: Ordnung, Disziplin, Fleiß. Viele dieser Attribute werden durch verschiedene Maßnahmen außerhalb des Platzes durchgesetzt, diese Ordnungsliebe wird sich dann zwangsläufig auch positiv auf dem Platz auswirken.
Was kann die neue Mannschaft vermutlich besser als das Vorgängerteam? Mehre Tore zu schießen wäre zum Beispiel ganz nett.
Hackenberg (lacht): Solche Vergleiche sind immer schwierig und auch nicht gerecht. Eine Mannschaft entsteht einfach, sie wächst im Laufe der Zeit zusammen. Das passiert gerade. Der Trainer hat eine klare Spielidee, und dafür sind die Spieler und die Charaktere zusammengeholt worden. Das ist schon alles sehr straight und durchdacht. Von der ersten Minute an gibt es die Maxime: Das ist unser Weg und wer abbiegen will, bleibt eben zurück. Wer nicht mitziehen will, wird keine Freude haben.
Fehlende Führung, mangelnde Kommunikation haben die Trainer in der vergangenen Saison oft kritisiert. Sind die Defizite behoben?