Geburtstagsniederlage in Münster : 120 Jahre, aber keine Punkte
Special Münster Am 16. Dezember gründeten 18 Schüler den „Fußballclub Alemannia“. Es folgten ungeahnte Höhen und die tiefsten Tiefen. 120 Jahre Tradition und Leidenschaft. 120 Jahre schwarz-gelbe Emotionen. Ein ganz besonderer Moment für alle, die es mit dem Klub vom Tivoli halten. Ist stolz ein Teil dieser Geschichte zu sein und sieht über die Niederlage am Geburtstag hinweg: die Netzschau.
„Happy Birthday to you, haaappyyyy biiiirthday!“ – zum Glück kann man schiefe Töne nicht lesen. Aber wie sollte man eine Geburtstagnetzschau anders beginnen als mit einem kleinen Ständchen?
Am 16. Dezember wurden einige bekannte Persönlichkeiten geboren. Die englische Schriftstellerin Jane Austen zum Beispiel im Jahr 1775. Oder Mats Hummels 1988. Interessiert das hier? Nein! Aber mit den beiden können wir eine wackelige Brücke zu dem Ereignis schlagen, um das es hier geht: Austen schrieb etwas über „Stolz und Vorurteil“, wobei hier nur das erste Wort von Bedeutung ist. Hummels‘ Arbeitskleidung ist in der Regel schwarz und gelb gefärbt. Das sind wesentliche Bestandteile des Klubs, der am 16. Dezember 1900 von 18 Schülern in Aachen gegründet wurde und für viele so viel mehr ist als nur irgendein Verein: Alemannia Aachen feierte am Mittwoch den 120. Geburtstag!

120! Was für eine Zahl. Was in diesem Zeitraum alles passiert ist. Und wir reden hier nicht vom politischen Weltgeschehen, technischen Entwicklungen oder wissenschaftlichen Erkenntnissen. Zwischen diesem einen Tag im Dezember 1900 und dem Mittwoch exakt 120 Jahre später wurde aus einem Schülerverein ein Fußballklub, der zu einem Turn- und Sportverein wurde, der für seine Anhänger Dreh- und Angelpunkt ist. Der Klub von der Krefelder Straße ist die Definition von Tradition, Emotion und Leidenschaft.
Die Alemannia mauserte sich in ihren Anfangsjahren zu einem der größten Klubs im Westen, wurde bei der Einführung der Bundesliga 1963 einfach übergangen und stand nie für die ganz großen Erfolge. 1969 wurden die Aachener Deutscher Vize-Meister, dreimal stand man im DFB-Pokalfinale (1953, 1965, 2004) und lange Zeit führten die Schwarz-Gelben die ewige Tabelle der 2. Bundesliga an.

Der Alte Tivoli wurde zur Kultstätte, ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt, wurde als „Hexenkessel“ bezeichnet, in dem es jeder Gegner schwer hatte. Dort wurden Pokalschlachten gewonnen und Sensationssiege eingefahren. Wie um Beispiel im Februar 2004, als die kleine Alemannia den großen FC Bayern im Viertelfinale des DFB-Pokals aus dem Wettbewerb schmiss.

Die Alemannia hat in ihrer langen Historie für so manch graues Haar gesorgt, war verantwortlich für Freudensprünge, bittere Tränen der Enttäuschung und vieles mehr. Und sie war immer da. Sie sorgte immer für Highlights, ob positiv oder negativ. Unvergessliche Erinnerungen in Hülle und Fülle.
Eine davon trug sich 1964 zu. Hauptakteur: Vereinslegende Jupp Martinelli.

Aber was auch immer passierte, wie hoch man auch flog und wie tief man auch viel, eines galt, gilt und wird immer rund um den Tivoli gelten: „Aber eins, aber eins, das bleibt bestehen, Alemannia Aachen wird nicht untergehen. Niemals!“

Oder in kreativer Form geschrieben und gebastelt:

Oder als Gedicht:

Oder auf Platt:

Und wer einmal bei der Alemannia war, in welcher Form auch immer, den lässt dieser Klub einfach nicht mehr los. So gab es auch Geburtstagsgrüße vom ehemaligen Geschäftsführer Martin vom Hofe:

Und was darf zu keinem Geburtstag fehlen? Kuchen!
Und ganz offensichtlich Feuerwerk. In Kombination mit Grüßen eines anderen schwarz-gelben Klubs aus der Region, mit dem die Alemannia so manches leidliches Schicksal gemein hat und zu dem man eine ganz besondere Fanfreundschaft pflegt: Roda Kerkrade.

Das sieht auch spektakulär von der Brücke aus:

Und wie es der Terminkalender-Gott so wollte, durfte/musste/sollte die Alemannia an ihrem Geburtstag auf dem Platz ran. Nachholspiel. In Münster. Oder wie man in Aachen sagt: Matchday!

Auch die Preußen freuten sich auf das Duell mit jeder Menge Tradition. Nur Geschenke wollten sie nicht geben. Das ist aber nicht die feine Art, erst das Geburtstagskind einladen und dann nichts schenken wollen …

Halten wir es kurz und knapp: Das Spiel war so lala, zur Halbzeit stand es 0:0, und als sich zum Ende hin schon alle mit dem Unentschieden abgefunden zu haben schienen, ließ sich die Alemannia doch noch beschenken. Also eigentlich ließ sich die Truppe von Trainer Stefan Vollmerhausen hinten einen einschenken. 0:1 ein paar Minuten vor Schluss. Und die Aachener Anhängerschaft so:

Damit war das „Geburtstagsspiel“ ohne große Highlights auch schon rum und es ging ohne Punkte zurück in die Kaiserstadt.
Rein sportlich betrachtet fiel das Fazit dann auch sehr semi-optimal aus, vor allem, weil die Konstanz abhandengekommen ist. Immerhin gab es zwischenzeitlich ja mal eine lange Serie von ungeschlagenen Spielen.

Auf der anderen Seite: Die Alemannia ist konstant inkonstant. Und das eigentlich seit 120 Jahren. Auch eine Art Tradition. Und so sehr es an den Nerven zerrt, so sehr kann niemand, der schwarz-gelb im Herzen ist, davon loslassen.
Anders ausgedrückt: 120 Jahre Tradition sind mehr wert als drei Punkte im Nachholspiel an einem milden Mittwochabend im Dezember kurz vor den Feiertagen.

Außerdem gab es ja noch Kuchen!

Feiert jetzt noch ein bisschen Alemannia-Geburtstag, schaut sich alte Bilder und verpixelte YouTube-Videos mit historischen Momenten an und wird dann kommende Woche kurz vor Heiligabend noch einmal in die Tasten hauen, um das letzte Spiel 2020 in Rödinghausen zu kommentieren: die Netzschau!