Kölns Baumgart : Kult-Trainer statt Mechaniker oder Busfahrer
Köln Mit klaren Aussagen und herzerfrischendem Power-Fußball hat sich Trainer Steffen Baumgart in der Bundesliga etabliert. Doch der Weg dorthin war steinig.
Steffen Baumgart weiß, dass alles hätte ganz anders kommen können. „Wenn Frank Pagelsdorf mich damals nicht nach Rostock geholt hätte, wäre ich heute wahrscheinlich Autoverkäufer in Ostfriesland und niemand würde mich kennen“, sagt der Trainer des 1. FC Köln im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Die Karriere als Profi war „mit der Wende eigentlich vorbei“, ehe ihn Pagelsdorf nach drei Jahren in der Oberliga nach Rostock holte.
Und auch die Trainer-Laufbahn stockte vom Start 2008 bis zum Durchbruch ab 2017 in Paderborn. Schwierige Zeiten hatte Baumgart aber nur finanziell, wie er betont. „Meine Frau und meine Familie waren immer an meiner Seite. Wer das von sich behaupten kann, kann nicht von schlechten Zeiten sprechen“, sagte er: „Zu diesem Zeitpunkt musste meine Frau eben das Geld verdienen, weil ich nicht in der Lage dazu war. Aber wir waren immer glücklich. Und wenn es im Fußball nicht geklappt hätte, Geld zu verdienen, wäre ich eben Busfahrer geworden.“
Polizist war Baumgart, da ist er schnell ausgestiegen. Eine Ausbildung als KfZ-Mechaniker hat er tatsächlich auch gemacht. Busfahrer ist er aber nie geworden. Heute, mit 51, ist er ein erfolgreicher und vielerorts als kultig verehrter Trainer in der Fußball-Bundesliga. Und ist „sehr froh, dass ich Trainer geworden bin“, wie er lachend erzählt.
Doch weil der Weg dahin so steinig war, weiß Baumgart das alles besonders zu schätzen. Er liebt seinen Job ganz augenscheinlich, geht darin auf und so leidenschaftlich mit, dass er sich bei Minusgraden am Spielfeldrand auch schon mal den Hoodie vom Leib reißt und im T-Shirt weitercoacht. Dass er so oft danach gefragt wird, nervt ihn. „Der Fußball sollte im Mittelpunkt stehen“, sagte er: „Und nicht, ob der Trainer draußen rumhampelt.“
Diese Herangehensweise ist es, die ihn so beliebt macht. „Wenn ich über Fußball rede, versteht das sogar ein kleines Kind“, sagt Baumgart: „Fußball ist keine Wissenschaft.“ Er will auch keine daraus machen. Kindgerecht ist seine Sprache dabei nicht immer. Da geht ihm auch mal was „auf die Eier“ oder „auf den Sack“. „Das sind Emotionen“, sagt er: „Aber ich habe nie jemanden persönlich angegriffen oder beleidigt. Dass ich auf Fragen, die ich dumm finde, lauter reagiere und nicht wie ein Diplomat, heißt nicht, dass ich unhöflich bin.“
Das alles wirkt extrem authentisch, vor allem für dieses Geschäft. Manch einer fragt sich aber, ob das mit der Schiebermütze nicht doch eine Inszenierung ist. „Da muss man unterscheiden“, gibt er zu: „Natürlich bin ich auch Teil eines Geschäfts. Die Mütze ist mittlerweile mein Markenzeichen, deshalb setze ich sie auf. Und sie wird gut verkauft. Und wenn ich einen Hoodie zu einer Pressekonferenz anziehe, dann geht es auch darum, ihn ins Schaufenster zu stellen. Das ist auch meine Aufgabe.“ Doch wenn er redet, versichert er: „tue ich das so, wie ich bin“.
Dabei kommt auch mal vieles aus dem Bauch heraus. Vor dem Spiel gegen Bremen verkündete er spontan die gesamte Startelf - sein Team gewann 7:1. Und er erzählt auch ganz offen, dass die Spieler „oft über mich lachen, weil ich mich verspreche, weil ich Namen nicht richtig ausspreche oder weil ich stolpere bei einer Sitzung.“ Und dass er ab und zu in die Mannschaftskasse zahlt. „Für alles Mögliche. Ich bin schon mal zu spät zu einer Sitzung gekommen, weil ich mir die falsche Trainingszeit notiert habe. Ich bin nicht fehlerlos. Und jeder kann mal im Stau stehen.“
Angst, seine Autorität zu verlieren, hat er wegen solcher Dinge nicht. „Wenn ich darüber nachdenke, meine Autorität zu verlieren, dann habe ich sie schon verloren“, sagt er: „Und ich habe bisher noch nie meine Autorität verloren. Weil ich sie nicht über meine Entscheidungen gewinne. Sondern über die tagtägliche Arbeit mit den Jungs.“ Die folgen ihm. Weil er eine Fähigkeit hat, sie stark zu reden und zu verbessern. Als er kam, war Köln gerade in der Relegation dem Abstieg entronnen. Die erste Baumgart-Saison endete mit der Qualifikation für die Conference League. „Eine ganz andere Art von Fußball“, lasse Baumgart spielen, schwärmte Bayern-Trainer Julian Nagelsmann. Da mache „allein das anzuschauen Spaß“,
Was er in dem Kader gesehen hat, den viele für nicht bundesligatauglich hielten? „Es ist befremdlich für mich, wenn Trainer erklären, sie können nur mit einem bestimmten Spieler-Material erfolgreich sein“, sagt er: „Da frage ich mich: Wieso bist du dann Trainer, wenn du nur so gut bist wie dein Spielermaterial? Ein Trainer soll Spielern etwas beibringen und nicht sagen: Ich bin nur gut, wenn die Spieler gut sind. Wenn die Spieler gut sind, ist jeder gut.“
Er ist ein guter Trainer. Er könnte nun seine Position ausnutzen. Verhandeln. Mit dem FC. Oder anderen, größeren Clubs. Wenn der Verein seinen bis 2024 laufenden Vertrag verlängern wolle „werden wir noch einmal verlängern“, sagt er stattdessen: „Ohne zu verhandeln. Ich bin mit dem, was ich hier habe, zufrieden.“