Darmstadt/Köln : FC gewinnt 6:1 und bangt um seinen besten Torschützen
Darmstadt/Köln Auch am Sonntag waren die Verantwortlichen beim 1. FC Köln noch ziemlich sicher, dass der 6:1-Sieg bei Darmstadt 98 ohne Nachwirkungen für Torjäger Anthony Modeste bleiben wird. Aber der DFB-Kontrollausschuss wird zumindest prüfen, wie die Schlagbewegung des Franzosen ins Gesicht von Darmstadts Kapitän Aytac Sulu zu bewerten ist.
Man werde „Anfang der Woche prüfen, ob ein Ermittlungsverfahren gegen den Spieler Modeste eingeleitet wird oder nicht“, sagte der Kontrollausschuss-Vorsitzende Anton Nachreiner.
Die Kölner können allerdings hoffen, dass die Sache ohne Sperre abgeht: Schiedsrichter Kampka hatte aus vier Metern Entfernung freien Blick auf die Szene und kann kaum behaupten, er habe sie übersehen. Damit hätte Kampka die Szene aber bewertet, nachträgliche Ermittlungen wären dann höchst unwahrscheinlich.
Ob die Situation überhaupt rot-würdig war, darüber gingen die Meinungen auseinander: „Lilien“-Coach Torsten Frings sprach von einem „rechten Schwinger“, den Modeste seinem Gegenspieler versetzt habe. FC-Trainer Peter Stöger sagte: „Tony will sich lösen und trifft ihn. Vorher aber sucht Sulu irgendetwas mit seiner Hand in Tonys Gesicht. Es war eine Situation von vielen, und so hat es der Schiedsrichter auch eingeschätzt.“
Unterstützung erhielt Modeste von seinem Kollegen Marco Höger: „Wir sind hier nicht beim Ballett“, sagte der Mittelfeldspieler. Nach 50 Minuten holte Stöger den Torjäger sicherheitshalber vom Platz: „Es war schon sehr grenzwertig, was Provokationen anging“, sagte der Coach.
Wäre Modeste in jener 38. Minute vom Platz geflogen, hätte er nicht vier Minuten später das 3:0 erzielen können. Es war die Vorentscheidung in einem Spiel, das nach 30 Minuten nicht aussah wie das Debakel, das es für Darmstadt dann wurde. Nach dem Eigentor ihres Kapitäns Sulu (32.) verloren die Gastgeber komplett Plan und Kontrolle. Yuya Osako konnte völlig frei im Zentrum einköpfen (37.), Modeste sich leicht gegen Sulu durchsetzen.
Stögers Plan, mit der Stärkung der Flügel und dem Startelf-Comeback von Leo Bittencourt die Offensive zu stärken, war aufgegangen. Opfer der taktischen Entscheidung war Dominic Maroh. Der Slowene musste zunächst auf der Bank bleiben. Stöger vertraute hinten Heintz und Sörensen — eher eine Bauchentscheidung: „Die beiden Jungen haben es im Herbst gut gemacht.“
Eine Fehlentscheidung von Schiedsrichter Kampka bescherte Darmstadt das 1:3 durch Sidney Sams Elfmeter (66.), worüber sich Marco Höger ärgerte: Marcel Heller hatte sich im Strafraum fallenlassen, Höger sah für die vermeintliche Attacke die Gelbe Karte. „Nach einem 6:1 kann man darüber lachen“, sagte Höger, der es aber nicht wirklich lustig fand: „Was soll ich dazu noch sagen?“
Als Darmstadt nach dem 1:3 noch einmal Druck entwickeln wollte, konterten die Kölner eiskalt. Osako mit seinem zweiten Tor (72.) sowie die eingewechselten Jojic (85.) und Rudnevs (89.) sorgten für den höchsten FC-Auswärtssieg seit über 50 Jahren. Sechs Tore in einem Ligaspiel waren dem FC zuletzt im Mai 1990 gelungen. „Wenn man die Kölner so sieht“, sagte Sulu hinterher, „die können schon den Anspruch haben, am Ende dieser Saison wieder international zu spielen.“ Die Tore der Einwechselspieler machten Stöger besonders froh: „Das tut uns für den Kader und auch für die Einzelspieler sehr gut: Wir wissen, dass wir jeden einzelnen Spieler brauchen und jeder irgendwann seinen Teil dazu beitragen muss“, sagte der Trainer.
Mann des Tages war natürlich Osako, der das Eigentor zum 1:0 mit erzwang, zum ersten Mal in einem Bundesligaspiel zweimal traf und schließlich auch noch die Vorlage zum 6:1 durch Rudnevs gab. Stöger, der den Japaner seit zweieinhalb Jahren konsequent gegen den Vorwurf mangelnder Effektivität verteidigt, nannte den Auftritt nur „gut“. Marco Höger ergänzte: „Er ist unheimlich wichtig, weil er um den Tony herum viel arbeitet und viele Bälle festmacht. Er kann die entscheidenden Bälle spielen und wird langsam auch richtig torgefährlich.“
Mit viel Geduld hat Stöger den Japaner in die Rolle des Zulieferers als hängende Spitze umgeschult. Jetzt gelang ihm schon sein viertes Saisontor. Hinzu kommen vier Vorlagen. Nie zuvor war der 26-Jährige, der seinen Vertrag im Herbst bis 2020 verlängert hat, so gefährlich wie zurzeit. „Ich habe das nicht allein geschafft“, sagte Osako, „es war ein Produkt der gesamten Mannschaft.“