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NFL-Fieber: Darum fasziniert uns Football so sehr

NFL-Fieber : Darum fasziniert uns Football so sehr

Wann begann die Football-Leidenschaft? Woher kam die Sympathie zum Lieblingsteam? Warum fasziniert dieser Sport so sehr? Unsere Mitarbeiter versuchen, ihre Gefühle in Worte zu fassen.

Amien Idries – Stellvertretender Chefredakteur

Wann das mit dem Football angefangen hat? Keine Ahnung. Warum es angefangen hat? Wegen der unfassbaren Spannung. Beim American Football kann jeder Spielzug entscheiden und im Prinzip jeder jeden schlagen. Ersteres hat mit den komplexen Regeln dieses Sports zu tun, deren zumindest rudimentäres Verständnis die Grundvoraussetzung für das Genießen des „Rasenschachs” ist.

Zweiteres liegt an etwas, das man zugespitzt als Sozialismus aus ultrakapitalistischen Motiven bezeichnen könnte: das Draftsystem des US-Sports. Mit dem Draft werden jährlich die vielversprechendsten Talente aus den Colleges auf die Profimannschaften (nicht nur) der NFL verteilt. Immer nach dem Prinzip: Die schlechteste Mannschaft der abgelaufenen Saison darf als erste ein Talent auswählen, die zweitschlechteste als zweite und so weiter. Hinzu kommen Gehaltsobergrenzen für die Teams. Das Ergebnis ist eine sportlich ziemlich ausgeglichene Liga, in der es zwar Serienmeister, aber keine Sportdynastien mit den immer gleichen Mannschaften an der Ligaspitze gibt.

Die milliardenschweren Eigentümer der Football-Mannschaften verhalten sich gewissermaßen solidarisch mit den Schwächsten aus ihrer Reihe und geben sich Regeln, damit erfolgreiche Teams nicht zu mächtig werden. Sie tun dies nicht aus Nächstenliebe, sondern, weil sie wissen, dass ihr wichtigstes Produkt nicht der Football, sondern die Spannung ist. Ihnen ist klar: Ein zu großes Ungleichgewicht schadet der Spannung, der NFL und somit auch ihnen selbst. Merkste was, DFL?

Gisbert Klein – Producer

Wie hat alles angefangen? Es war wohl Ende der 80er Jahre, als ich die ersten Berührungspunkte mit American Football hatte. Tele 5 übertrug die College-Football-Spiele aus Amerika. Notre Dame Fighting Irish war das erste Football-Team, das meine Liebe erhielt. Um dann irgendwie die Regeln in Erfahrung zu bringen – Internet war da noch nicht –, musste das gute alte Buch aus der Buchhandlung herhalten. Von da an hatte mich der Sport ganz gefangen.

Viele Bekannte sahen in dem Sport nur einen aufeinanderzurennenden Haufen, ohne Konzept und Ahnung. Die Formationen, die Spielzüge, dieses Schach auf dem Rasen, dafür hatten sie kein Auge.

Irgendwann war dann auch der Wunsch da, diesen Sport selbst zu spielen. Aber wo? Ich hörte von einem Grüppchen in Düren, das in einem Park in Kreuzau trainiert. Immer dran denken, es gab noch kein Internet. Also bin ich mehrmals hingefahren, bis ich endlich Leute angetroffen hatte. Kurzer Smalltalk und dann ging es ab.

Unser Producer Gisbert Klein mit den Aachen Demons gegen die Essen Cardinals.
Unser Producer Gisbert Klein mit den Aachen Demons gegen die Essen Cardinals. Foto: privat

Ricardo Washington war der Name meines ersten Trainers. Mit geliehenen Shoulderpads und Helm ging es in die ersten Trainingsrunden. Dank meines damaligen Gewichtes von knapp 120 Kilo war eine Positionsgruppe für mich schnell gefunden: die O-Line. Dass ich in der Offensive Line als Left Tackle die vermutlich schwierigste Position besetzte, war mir da noch nicht bewusst. Ein Left Tackle muss die Blind Side, den toten Winkel des Quarterbacks, schützen.

Leider haben wir es in Düren nie geschafft, eine Mannschaft auf die Beine zu stellen, die an einem Ligabetrieb teilnehmen konnte. Ich hörte dann von den Aachen Demons, die 1989 mit ihrer Mannschaft an einem Ligabetrieb teilnehmen wollten. Also wechselte ich nach Aachen. Dort wurde ich mit offenen Armen empfangen. Heute spielen die Demons in Düren, in Aachen haben sich die Vampires gegründet.

Mit den Spielen kam aber auch die Erfahrung und später auch die Lieblingsmannschaft in der großen NFL: die Green Bay Packers. Dafür gibt es auch einen Grund: Die Packers gehören den Fans und haben keinen Owner wie die anderen Teams. Herrlich.

Aber was fasziniert mich an dem Sport? Es ist diese Kombination aus Spielzügen und Formationen, Schach auf Rasen, dazu das Körperliche, dass man auch mal „zugreifen“ und „weghauen“ kann. Dazu kommt, dass eine Mannschaft nach Punkten eigentlich hoffnungslos zurückliegen kann und doch noch die Möglichkeit hat, zu gewinnen. Bestes Beispiel in diesem Jahr sind die Jacksonville Jaguars, die in der Wildcard-Round gegen die Los Angeles Chargers mit 0:27 zurücklagen und das Spiel doch noch gewonnen haben – Spannung bis zur letzten Sekunde. Dazu kommt eben auch die Stimmung bei den Spielen, die ich in den 90er Jahren bei den Rhein Fire in Düsseldorf erleben durfte. Feiern mit den Fans der Gegner. Im Fußball wäre das so nicht möglich.

Christian Ebener – Multimedia-Redakteur

Der Super Bowl XLV im Jahr 2011, zwischen den Green Bay Packers und den Pittsburgh Steelers, war mein erstes Football-Spiel. Seitdem habe ich jeden Super Bowl gesehen, die reguläre Saison verfolge ich aber erst seit etwa 2015 intensiv.

Der Impuls, Football zu schauen, kam damals von einer Bekannten, die ein Jahr in den USA verbracht hatte und dort zum Green-Bay-Fan wurde. Mit einem Freund entstand daher die Idee, sich den Super Bowl anzuschauen – in den Jahren darauf kamen immer mehr Bekannte dazu. Im Vordergrund stand aber der Event-Charakter einer „Super-Bowl-Party“, erst später rückten das Spiel und seine taktische Tiefe in den Fokus. Und mittlerweile schauen wir mit Mehreren nahezu jede sonntägliche Redzone.

Bei meinem Lieblingsteam kann ich zwar die „Erfolgsfan“-Rufe schon hören, aber: Es sind die New England Patriots. Im Super Bowl XLVI (Patriots gegen Giants, 2012) kam das Bedürfnis auf, eines der Teams zu „supporten“. Dabei war aber nicht Tom Brady, der einmal mehr seinem „Kryptonit“ Eli Manning unterlag, ausschlaggebend. Aufgrund meiner Vorliebe für die irische Kultur und Musik – Boston ist stark von irischen Einwanderern geprägt, wie man auch am NBA-Team Boston Celtics und dem musikalisch bekanntesten Export der Stadt, den Dropkick Murphys, merkt – entschied ich mich also für die Patriots aus Foxborough, 23 Kilometer südwestlich von Boston.

Dabei fasziniert mich Football vor allem wegen der taktischen Tiefe, in die der Zuschauer eintauchen kann. Wie die Defensive sich mit jedem Spielzug auf die Offensive einstellt und diese wiederum ihr Spiel anpasst, um Mismatches der Defensive Backs oder die passenden Lücken in der O-Line zu provozieren, ist ein hochspannender und dynamischer Prozess, der nie aufhört und unter den Sportarten nahezu einmalig ist.

Dazu kommen beeindruckende physische Leistungen der Spieler, die für die besonderen Highlights sorgen. Stundenlang kann man sich über Positionen, Routen und Aufstellungen unterhalten – trotzdem kann jederzeit ein einziger herausragender oder deplatzierter Wurf oder eine falsche Entscheidung das Momentum völlig kippen lassen. Solche Plays, genannt seien unter anderem „The Immaculate Reception“, „Miracle in the Meadowlands“ oder „Why not Lynch?“, werden der Stoff von Legende. Und wer sie mitbekommt, wird sich der Magie des American Football so schnell nicht mehr entziehen können.

Ben Büttgens – Praktikant

2019, beim Super Bowl LIII, bin ich ins kalte Wasser gesprungen. Am nächsten Tag hatte ich schulfrei, also schaltete ich einfach mal in die Übertragung. Damals noch bei Pro Sieben mit Coach Esume und Icke Dommisch. Die Expertise, die ich zum Anpfiff meines ersten Football-Spiels besaß, beruhte auf einem Fünfminutenerklärvideo auf Youtube. Dementsprechend wenig habe ich vom Spiel verstanden. Mir war also auch nicht bewusst, dass das Spiel, was ich da sah, wirklich nicht gut war. 13:3 für die New England Patriots gegen die Los Angeles Rams, ein Spiel ohne jede Spannung.

Ich saß trotzdem gebannt vor dem Fernseher, war total fasziniert von diesem neuen Sport. Alles fand ich cool, sogar die ständigen Unterbrechungen, die viele als Manko am Football sehen, waren nicht nervig. Das Taktische, die Möglichkeit, sich immer wieder aufs Neue das bestmögliche Play zu überlegen, das fand ich großartig. Und diese Typen: der hagere Tom Brady, der Hüne Tyler Higbee, der mächtige 140-Kilo-Mann Ndamukong Suh, alle vereint in einem Sport. Genial!

Beim Super Bowl 2019 war ich für die Rams, für die Außenseiter. Die Faszination für die Außenseiterrolle zieht sich bei mir irgendwie durch. Im Fußball sind es die Alemannia und Crystal Palace. Deshalb musste es im Football natürlich auch so kommen: Die Minnesota Vikings aus dem hohen Norden haben es mir angetan. Alemanniaähnliche Außenseiter gibt es im Football zum Glück nicht – das Draft-System und begrenzte Gehaltsbudgets sorgen beeindruckend gut für Gleichberechtigung.

Was bei den Vikings aber Tradition ist und weshalb sie nie zu den besten Teams gehören: Wenn einmal Hoffnung aufkommt, wenn man denkt, sie könnten sich diesmal vielleicht in einen Lauf spielen, wird man im nächsten Spiel enttäuscht. Na ja, das macht das Team liebenswert und jedes Spiel zur Achterbahnfahrt.

Je mehr ich mich in den letzten Jahren mit Football beschäftigt habe, desto tiefer bin ich in die Materie eingedrungen. Das bedeutet aber nicht, dass ich irgendwann alles verstanden haben werde. Bei jedem Spiel stellen sich neue Fragen, deren Antworten ich mir entweder selbst erknoble oder die der Moderator mir freundlicherweise gibt. Mittlerweile sind es amerikanische Moderatoren. Seitdem auch mein Vater den Football liebt, teilen wir uns den Gamepass – alle Spiele live oder in der 40-Minuten-Zusammenfassung, Hintergrundgeschichten, Vorberichte, Analysen. Ein Paradies!

Nick Förster – Multimedia-Redakteur

Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich meinen ersten Super Bowl im Jahr 2014 gesehen. Peyton Manning hatte da gegen die Seattle Seahawks in einem denkwürdigen Spiel 8:43 verloren. Ich war kompletter Neuling in diesem Sport und kann mich auch nur noch an den allerersten Spielzug erinnern, einen völlig misslungenen Snap. Und so war mir auch nicht bewusst, dass ich nicht nur mit Peyton Manning einen der besten Quarterbacks, sondern mit der Seattle Legion of Boom auch eine der besten Defensiven dieses Sport live im Fernsehen gesehen habe.

In den Ligaalltag mit einem Lieblingsteam bin ich erst deutlich später eingestiegen. 2018 bin ich dann nämlich Fan der Tampa Bay Buccaneers geworden. Auf eine respektable 9-7-Saison 2017 folgte dann aber zu meiner Enttäuschung leider eine Bilanz von 5-11 im Jahr 2018 – da habe ich ein richtig gutes Gespür bewiesen. Doch wie es im Football häufig ist: Es gibt Phasen, in denen dein Team dir viel abverlangt, aber auch Phasen, in denen du deinen Augen kaum traust. Und so wurde ich 2020 mit dem Wechsel von Quarterback-Legende Tom Brady nach Tampa und dem Super-Bowl-Sieg 2021 fürstlich belohnt.

Es ist auch diese Ausgeglichenheit durch Draft und Salary Cap, die die NFL so spannend macht. Was ich zu meinem Erstaunen auch festgestellt habe: Ich fiebere bei Football-Spielen teilweise deutlich mehr mit als bei Fußball-Spielen meiner Lieblingsmannschaft. Die Tatsache, dass trotz der vielen Spieler und des großen Felds eigentlich jedes Mal ein Big Play möglich ist, fasziniert mich. Selbst jedes noch so undenkbare Comeback ist dann eben doch noch möglich. Auch wenn die vielen Werbeunterbrechungen natürlich nerven, wir Fans kriegen dafür allerdings sehr viel mehr Nettospielzeit als beispielsweise beim Fußball. Auch die gleichen finanziellen Voraussetzungen machen Football alleine auf die Liga gesehen äußerst spannend.

Marlon Gego – Autor

Das erste Football-Spiel, das ich gesehen habe, war der Super Bowl XXV in Florida. Über die Regeln des Sports hatte mich mein Freund Oliver am Abend vorher grob ins Bild gesetzt, dessen Eltern schon länger Kabelfernsehen hatten als meine. Deswegen hatte er hin und wieder mal ein Spiel gesehen. Im Super Bowl spielten damals die New York Giants gegen die Buffalo Bills, die haushoher Favorit waren, schon weil der beste Spieler der Giants verletzt ausfiel, ihr Quarterback Phil Simms. An seiner Stelle spielte Jeff Hostetler, ein umgeschulter Linebacker, der im Conference Final gegen die San Francisco 49ers keinen Touchdownpass zu Wege gebracht hatte. Die Giants gewannen mit Hilfe von fünf Field Goals 15:13, eine Sensation.

Schon deswegen war ich für die Giants, die den Super Bowl gegen alle Erwartungen mit zermürbend unattraktivem Laufspiel durch die Mitte gewannen, ein glanzloser Arbeitssieg. Der ansonsten starke Kicker der Bills, Scott Norwood, hatte mit der letzten Aktion des Spiels ein 47-Yard-Field-Goal verfehlt. Sensation, ich freute mich und war gepackt. Ohne eine Sekunde geschlafen zu haben, ging ich am anderen Morgen in die Schule.

Dass mein Interesse im Laufe der Jahre etwas nachließ, mag auch damit zu tun haben, dass ich irgendwann einsehen musste, nicht jeden Sport verfolgen zu können, der mich interessiert; denn sonst hätte ich 20-Stunden-Tage vor dem Fernseher und käme zu sonst nichts mehr. Den Super Bowl zu schauen und mich über die nicht enden wollenden seelenlosen Halbzeitshows aufzuregen, ist mir aber zur Tradition geworden. Ein NFL-Spiel, das derart zauberhaft war wie der Super Bowl XXV, habe ich allerdings nie wieder gesehen.

Bernd Büttgens, Leiter der Redaktion Städteregion Aachen

Ein alter Fußballer kommt auf einen völlig neuen, einen wunderbaren Geschmack. Und es ist meinem Sohn zu verdanken, der schon seit Jahren immer vom Football schwärmt. Brüsker Ablehnung folgte loses Interesse, folgte regelmäßiges Mitgucken, folgte unkontrollierbares Suchtverhalten.

Vor zwei Jahren hat er mich also komplett infiziert. Seitdem ist vieles Football, das früher Fußball war.

Und Football bedeutet: eine tief entflammte Liebe zu den Buffalo Bills. Quarterback Josh Allen ist der neue Held des sportlichen Großerlebnisses, Coach Sean McDermott, Wide Receiver Stefon Diggs und – what a man! – Linebacker Matt Milano sind die Zielpersonen im Netz, auf dem Bildschirm, in all den Fachgesprächen, die es zuhause und auch in der Redaktion gibt.

Was wirklich faszinierend ist: ein mitreißender, hochathletischer, taktisch tiefgründiger Sport - und regelmäßig so unfassbar spannend, wie es Fußball leider nur selten ist. Was die beiden Sportarten im Übrigen massiv unterscheidet: Footballer liegen nicht dauernd weinend am Boden und wälzen sich von links nach rechts.

Kurzes Fazit: Go, Bills!

(red)